Dimension durch Schräge
Doch davor geschieht Golgatha. Birgit Friedrich schafft Dimension durch Schräge. Der Berg, auf dem Jesus gekreuzigt wurde, fällt von links oben nach rechts unten. Die Erde, durchdrungen vom Blut aus seiner rechten Hand, ist düster und wirkt fast so, als gäbe es kein Halten für das Fallen in die Finsternis. Dort hinein komponiert steht das Kreuz, nicht horizontal, sondern gegen die Flucht der abfallenden, abrutschenden Erde. Die Balken, gemalt in Pastellkreide, atmen Transparenz und gehen gleichsam eine Symbiose ein mit dem düsteren Wolkenhimmel. „Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?“
Am Kreuz ein Mensch, „ein androgynes Wesen“, wie Birgit Friedrich erklärt, der Kopf geneigt, die Dornenkrone bestimmt das Gesicht. Auch der Körper ist durchlässig. Fast so, als wolle die Künstlerin dadurch ausdrücken, dass Jesus im Tod aufgenommen wird von den Elementen der Erde, gleichzeitig jedoch zu seinem Vater in den Himmel aufsteigt.
In die Helle der Hoffnung, die Birgit Friedrich hintergründig inszeniert hat, fließt das Leiden im Blut aus der Wunde des Gekreuzigten. Brutal, mächtig und stark scheint der Blutstrahl das Hoffnungslicht zu durchbrechen. Dennoch bleibt die helle Fläche präsent und wird in künstlerischer Finesse fortgeführt in kleinen, hellen Farbfetzen.
Von Passionsmusik inspiriert
Es ist die Zeit der Passion, des Leidens. In der Musik hat dies der Ehemann der Künstlerin, Niko Friedrich, kürzlich in einem Konzert in der Johanneskirche mit dem Stück „Vier Male“ von Wolfgang Rihm umgesetzt. Birgit Friedrich hatte diese Musik in den Ohren, als sie ihr Werk „Kreuzigung“ verwirklichte.
„Ihre“ Kreuzigung ist äußerst schmerzhaft, ein Werk, mit dem man sich auseinandersetzen, ja ins Zwiegespräch gehen kann, gehen muss. Als Betrachterin bleibt mir dennoch das Licht in aller Düsternis im Gedächtnis. Die Hoffnung. Es gibt eine Auferstehung.