Hauptamtlicher Leiter einer Kirchengemeinde war Pfarrer Dieter Worrings ab 1986 nur gut zehn Jahre in Bad Liebenzell und Hirsau im Schwarzwald. Danach prägte er als einer der Vorstände bis zum Eintritt in den Ruhestand im Jahr 2008 und kommissarisch darüber hinaus die Stiftung Liebenau, ein große soziale Einrichtung mit Wurzeln in der Betreuung von Menschen mit Behinderung zwischen Tettnang und Ravensburg. In den Kirchen in Liebenau, Hegenberg und Rosenharz hält der Geistliche bis heute regelmäßig Sonntagsgottesdienste. In diesem Rahmen feiert er am 21. Juli auch sein Diamantenes Priesterjubiläum. Bischof Carl Joseph Leiprecht hatte ihn am 18. Juli 1964 in Bad Cannstatt geweiht.
Was Dieter Worrings in seiner Jugend erlebt hat, kann sich heute kaum jemand mehr vorstellen: Als Elf-/Zwölfjähriger wechselte er in ein Internat in Düsseldorf, der Heimat seines früh verstorbenen Vaters. Die Mutter blieb bis zu seinem Abitur am thüringischen Wohnort der Familie bei Meiningen und versuchte alles zusammenzuhalten. Als Akademikersohn hatte Dieter Worrings in der DDR keine Perspektive auf ein Studium. Die Mutter durfte ihn nach der Grenzschließung 1952 im Westen nicht besuchen, der Junge konnte als "Flüchtiger" nicht so einfach zurück. Später zwangen die Behörden die Frau sogar, ihren Sohn zu verleugnen. In den Augen des sozialistischen Regimes hatte sie als Mutter versagt.
Vermeintlich katholisches Süddeutschland
"Die Kirche war meine Welt", gesteht Dieter Worrings. Damals gehörte in Thüringen noch die Hälfte der Bevölkerung zu den Getauften, die Katholischen bildeten jedoch eine kleine Minderheit. Als die Mutter, die im ärztlichen Bereich tätig war, schließlich auch in den Westen auswanderte, bekam sie Jobangebote auf Borkum und in der Nähe von Heilbronn. In der Annahme, dass in Süddeutschland alle katholisch sind, zog sie mit dem Sohn in den Norden Württembergs. Der Priesterberuf war damals schon Ziel des Schulabgängers - "ein geradliniger Weg", wie er es beschreibt. Obwohl er in Affaltrach nun wiederum in einer Diasporaregion landete, danke er Gott heute noch dafür.
"Ich geriet in die Diözese Rottenburg, die schon damals vorbildlich war", freut sich der Jubilar. Und er erinnert an Bischof Leiprecht, für den die Seelsorge im Mittelpunkt stand. Während eines Studienjahrs in Bonn lernte Dieter Worrings ein Kinderdorf in der Nähe kennen, wo er künftig jeweils in den Semesterferien mitarbeitete. Der Kontakt ins Martinihaus in Rottenburg entstand schon vor dem Theologiestudium an der Tübinger Uni. Als erfahrener Internatsschüler durfte er die Aufgabe eines Hilfspräfekts übernehmen. Nach Vikarsjahren in Kirchheim unter Teck und Stuttgart kehrte der Priester als letzter Präfekt ins Martinihaus zurück. "Dieser Titel ist mit mir ausgestorben", verrät er.
Ein trennender Hügel
Die Rottenburger Zeit nutzte Dieter Worrings für ein Zusatzstudium in Pädagogik und Sonderpädagogik. Davon profitierte er als Rektor des Bischöflichen Studienheims Maria Hilf in Bad Mergentheim in den Jahren 1972 bis 1986, in denen er versuchte das Haus zu profilieren. Nebenbei übernahm der Priester mit Rot und Hachtel zwei Kirchengemeinden, die nicht nur ein Hügel trennte. Da er in keinem der Orte wohnte und weil er den Hügel in der Mitte beispielsweise als Ort für eine gemeinsame Fronleichnamsfeier mit Prozessionen von beiden Seiten nutzte, konnte er Grenzen aufbrechen und Menschen zusammenbringen. "Das waren sehr engagierte Leute dort", erinnert er sich.
Sein sonderpädagogischer Studienschwerpunkt lag nicht auf geistiger Behinderung. Dennoch half ihm die Zusatzqualifikation in der Stiftung Liebenau. Auch wenn Dieter Worrings als Direktor fast ausschließlich mit Verwaltung zu tun hatte, erzählt er im Rückblick vor allem von Menschen und Begegnungen. Ein junger Mann mit Behinderung habe etwa sich selbstständig das Orgelspielen beigebracht. "Wir kennen einander noch", freut sich der Ruhestandspriester, wenn er heute in die Einrichtung kommt. Von der Diözese habe er damals alle Unterstützung bekommen, die er gebraucht habe, berichtet er dankbar.
Die Ruhe des Bodensees
An den "irrinnig heißen Tag" seiner Priesterweihe erinnert sich der Jubilar noch gut. "Ich könnte mir keinen interessanteren, vielfältigeren und selbständigeren Beruf vorstellen", resümiert er heute. Inzwischen hat Dieter Worrings nochmals eine Grenze überschritten - die nach Bayern. In Wasserburg lebt er in einer Seniorenresidenz der Stiftung Liebenau direkt am Bodensee. Er genießt das eigene Badehaus und die Ruhe des Wassers, die sich auf ihn übertrage. Aber auch dort im Bistum Augsburg stellt er den Menschen seinen priesterlichen Dienst zur Verfügung. "Die Ministranten kennen mich hier als den Mittwochspfarrer", sagt er und schmunzelt.