Laut Bundeskriminalamt war 2018 fast jedes zweite Opfer sexueller Ausbeutung jünger als 21 und das Durchschnittsalter betrug 23 Jahre. Okbamicael beschreibt deren Alltag so: „Die jungen Frauen werden geschlagen und liefern sie zu wenig Geld ab oder stehen im Verdacht, fliehen zu wollen, erhöht sich der Druck.“ Eltern und Geschwistern bekämen Morddrohungen oder es werde mit der Ankündigung diszipliniert, die jüngere Schwester in die Prostitution zu zwingen, denn die Menschenhändler-Netzwerke mit ihren mafia-ähnlichen Strukturen arbeiteten interkontinental und seien bestens organisiert. „Manchmal übersteigt es die Vorstellungskraft, was da alles passiert“, sagt die Sozialarbeiterin.
Die Gewalt wurzelt in Ungleichheit
Das Gros der Mittel aus dem Opferfonds der Diözese findet Verwendung für die Übernahme von Therapie- und Dolmetscherkosten. Übernommen werden auch Unterbringungskosten oder Geld, das für die Beschaffung von Pässen nötig ist. Die Beträge sind klein und auch schon die anteilige Unterstützung eines Deutschkurses kann helfen. Beratung und Begleitung sind wichtig, so dass Betroffene einer sicheren Zukunft entgegensehen können. Schon das Ermöglichen einer Fahrt von Stuttgart nach Berlin zum Konsulat kann bedeutsam sein. „Heilen können wir nicht. Aber wir können für viel Stabilität sorgen“, sagt Okbamicael über die Arbeit des FIZ und anderer verwandter Einrichtungen.
Damit aber das zugrundeliegende Problem adressiert und die öffentliche Wahrnehmung sich ändert, muss unser Sprechen sensibler werden, stellt Stetter-Karp fest. „Wir dürfen Gewalt gegen Frauen nicht einfach als Ausdruck 'rückständiger, patriarchaler Gesellschaften‘ verstehen. Um etwas zu ändern, muss es auch als Problem in Deutschland wahrgenommen werden“, fordert sie ein.
Für Okbamicael liegen die Wurzeln der Gewalt gegen Frauen in vielen Ungleichheiten, denen noch immer zu wenig Beachtung zukommt: der niedrigeren Bezahlung von Frauen im Beruf, ihrem Zurückstecken, wenn es um die Betreuung der Kinder geht und dem erhöhten Armutsrisiko, das daraus resultiert. „Es ist alles miteinander verwoben“, stellt sie fest. Denn klar sei doch: „Dort, wo Machtgefälle existieren, fördert das die Gewalt.“