Als Norbert Huber Ende 1996 seinen Ruhestand antrat, half er in der vakant gewordenen Kirchengemeinde St. Peter und Paul in Berg bei Ravensburg aus. „Da war ich zum ersten Mal in meinem Priesterleben Gemeindepfarrer“, gesteht der 97-Jährige mit einem Augenzwinkern. In den gut 28 Jahren zuvor modernisierte und erweiterte er als Direktor die Stiftung Liebenau. Neben etlichen Um- und Neubauten ging es ihm vor allem um die Strukturen der Einrichtung. In der „Bewahranstalt“ für Menschen mit Behinderung in Liebenau, Hegenberg und Rosenharz leisteten im Jahr 1968 80 Ordensschwestern aus Reute Erziehung, Pflege und Seelsorge, drei Patres feierten die Gottesdienste.
Die Schwestern verließen bis 1975 die Stiftung. Zur Gewinnung von Fachkräften für Heilerziehungspflege gründete Huber drei Jahre vorher zusammen mit anderen Trägern das Institut für Soziale Berufe (IfSB) in Ravensburg. 1980 folgte für die Behinderten selbst das Berufsbildungswerk mit dem Namen des Liebenau-Gründers Adolf Aich. Um die Menschen je nach der Art ihrer Behinderung bestmöglich zu fördern, setzte sich Huber für eine spezifische Aufteilung der Wohngruppen ein. In seiner Zeit entstand die St.-Lukas-Klinik, ein Krankenhaus speziell für die Anforderungen Behinderter. Als die Caritas ihre Altenheime an regionale Stiftungen abgab, seien die im Süden der Diözese als zweites Standbein zur Stiftung Liebenau gekommen, erzählt der ehemalige Direktor.
Liturgie und Sakramente an den behinderten Menschen orientiert
Neben all den organisatorischen Aufgaben, die er zusammen mit Verwaltungsleiter Helmut Staiber und den anderen Mitarbeitenden anging, war Norbert Huber auch Seelsorger und Liturge. Er teilte sich diesen Dienst mit einem Diakon und zwei Theologen, für deren Einstellung er sich einsetzte. Ihre Sonntagsgottesdienste bereiteten sie gemeinsam vor. „Wir haben Predigten überlegt, Texte entwickelt und Darstellungen oder Spiele gestaltet, die für behinderte Menschen verständlich waren“, erinnert sich der Priester. Es seien damals etliche Gläubige aus der Umgebung in die Kirchen gekommen. Huber sorgte auch dafür, dass alle - unabhängig von der Schwere ihrer Behinderung - die Sakramente empfangen konnten.
Schon in seiner Kindheit kam der im Jahr 1926 in Stuttgart Geborene und Aufgewachsene zu seiner Großtante, die als Ordensfrau in Liebenau arbeitete. Als seine Klasse vom Eberhard-Ludwigs-Gymnasium zum Hopfenzupfen nach Tettnang fuhr, besuchte er sie erneut. Norbert Huber wollte zunächst Arzt werden und meldete sich daher bei der Wehrmacht für die Sanitätsausbildung. Als Kriegsgefangener beim Wegebau in den französischen Alpen lebte Huber in einem Schafstall, der einem armen Pfarrer gehörte. „Da fing bei mir ein Prozess an“, erzählt der Jubilar. Über das Buch „Der Herr“ von Romano Guardini sei er dann zum Entschluss gekommen, Theologie zu studieren. Als Pfarrhelfer des Lagerpriesters in Montélimar habe er erstmals so etwas wie Seelsorge gemacht.
Neue Art der Pädagogik
Wegen der Kriegsjahre gab es unter den 35 Männern, die Bischof Carl Joseph Leiprecht mit Huber am 19. Juli 1953 in Heilbronn und tags darauf in Rottenburg zu Priestern weihte, eine große Altersspanne. Die Weichen für die folgenden Stellen als Hilfspräfekt im Studienheim Josefinum in Ehingen, als Vikar in Tuttlingen und als Präfekt des Internats Martinihaus in Rottenburg habe jeweils Domdekan Prälat Alfred Weitmann gestellt, berichtet der Geistliche. Dieser habe ihn auch dazu gebracht, von Rottenburg aus nebenher in Tübingen Psychologie zu studieren, was er mit dem Diplom abschloss. Auf diesem Hintergrund veränderte er auch die damals rigide Pädagogik in kirchlichen Häusern.
Nach seinen Aufgaben in Rottenburg als Direktor des Seelsorgeamtes und Spiritual im Priesterseminar leitete Huber ab 1964 das Internat Collegium Ambrosianum in Stuttgart-Cannstatt. Hier lernten am Theologiestudium Interessierte die alten Sprachen. Beim Verantwortlichen für den Unterricht konnte er sich mit seinen pädagogischen Ansätzen jedoch nicht durchsetzen. 1968 trat er schließlich in die Fußstapfen seines Onkels Max Gutknecht als Direktor in Liebenau und wurde Mitglied vieler Caritas- und anderer Gremien bis hinauf in die Bundesebene. Seinen Ruhestand verbringt Norbert Huber zusammen mit seiner jüngeren Schwester in Ravensburg mit Aussicht auf die Stadt. Nach der Aushilfe in Berg feierte er auch dort bis zu seinem 90. Geburtstag Gottesdienste. Nun lese er viel und dank dem Können der Ärzte, sagt er, „fühle ich mich wohl.“