Auf den ersten Blick mag es überraschen: Ausgerechnet die Schweigsamkeit, also das Verhalten oder die Fähigkeit, (im richtigen Moment) den Mund zu halten, soll Brücken bauen zu anderen Menschen? Ja, sagt Dekan Sven van Meegen, Professor für Sozialethik an der Dualen Hochschule Heidenheim: „Wir fühlen uns bei einem diskreten Menschen sicher, weil wir wissen: Diese Person behält das Anvertraute bei sich. Und je mehr wir Vertrauen haben zu anderen Personen, desto mehr öffnen wir uns."
In der Barockzeit hat es die Kunst besonders gut verstanden, solche wichtigen Tugenden und Haltungen anschaulich zu machen. Anhand des „Altars der Diskretion" in der Wallfahrtskirche Stetten ob Lontal erläutert Pfarrer van Meegen die Haltung der Schweigsamkeit. Im Mittelpunkt des Altarbildes steht der heilige Nepomuk, der auch Patron des Beichtgeheimnisses ist. Doch schon den Mönchsvätern der frühen Kirche galt die Geschwätzigkeit, also das Gegenteil der Schweigsamkeit, als Laster, weil sie von der Konzentration auf Wesentliches ablenkt und dazu neigt, Unfrieden zu stiften. „Wer schweigen kann, der hält einen Raum offen für Gott und die Menschen", sagt van Meegen. „Diskretion und Schweigsamkeit sind eine ganz wichtige Brücke, Gott zu begegnen, sich selbst und andere aus einer anderen Perspektive wahrzunehmen und einen Raum zu öffnen für Begegnung."