Weltkirche

Ehrenamtliches Engagement mitten im Flüchtlingsstrom in Mexiko

Die ehrenamtliche Sarita kocht jeden Dienstag für die Flüchtlinge.

Domkapitular Dr. Heinz Detlef Stäps berichtet über das ehrenamtliche Engagement in Mexiko.

„Als ich in den Ruhestand ging als Lehrerin, wollte ich Gott in irgendeiner Weise dienen. Obwohl ich früher selbst Angst hatte vor Migranten, schloss ich mich der Gruppe in meiner Pfarrei an, die sich für die Flüchtlinge, die bei uns ankommen, engagiert.“ Sarita ist nun seit vier Jahren dabei. Sie kocht dienstags für die Flüchtlinge, wenn ihr Sektor in der großen Pfarrei an der Reihe ist; an den anderen Wochentagen übernehmen Ehrenamtliche aus den anderen Sektoren den Dienst. Die Nahrungsmittel sind Spenden von Familien aus der Pfarrei. Die Gemeinde liegt in Frontera Comalapa, im Süden von Mexiko, im ärmsten Bundesstaat Chiapas. Luis weiß davon zu berichten, dass die Initiative viel älter ist und zunächst eine Eigeninitiative von Laien aus der Gemeinde war. Er selbst ist nämlich schon seit zehn Jahren dabei und er erinnert sich, dass der Pfarrer zunächst nicht begeistert von der Initiative war und die Gruppe ein bisschen an den Rand der Gemeinde drängen wollte. Heute ist er aber froh, dass es dieses Engagement in seiner Gemeinde gibt.
Vor vier Jahren kamen die Jesuiten und professionalisierten das Projekt. Heute sind neun Angestellte in dem kleinen Zentrum für Migranten tätig, darunter auch zwei Rechtsanwälte und zwei Psychologen. Die besondere Idee der Jesuiten war es, auf eine bestehende Struktur ehrenamtlichen Engagements aufzubauen und nicht etwas völlig Neues zu schaffen. Sehr hilfreich ist dabei im Hintergrund das Netzwerk der von Jesuiten betriebenen Flüchtlingsinitiativen mit Auffangstationen in ganz Mittelamerika. Doch das Projekt lebt bis heute vom Engagement von 20 Ehrenamtlichen aus der Gemeinde, denen aber viele weitere Helfer zugeordnet sind. Viele von ihnen haben selbst einen Migrationshintergrund und können sich gut in die Lage der Flüchtlinge hineinversetzen. Sie betreiben die Essensausgabe, wo Flüchtlinge jeden Tag kostenlos mit Nahrung versorgt werden, aber auch bedürftige Einheimische können hier essen, und eine kleine Unterkunft für durchreisende Flüchtlinge, die nicht in Frontera Comalapa bleiben wollen, sondern weiterziehen z. B. nach Guatemala, das nur 15 Kilometer entfernt liegt. Viele aber wollen in die USA.
Die meisten Flüchtlinge kommen aus Zentral- oder sogar Südamerika. Jährlich sind es ca. 400.000 im ganzen Land. „Erfahrungen von sozialer und politischer Gewalt treibt die meisten an, ihre Heimat zu verlassen,“ sagt P. René Sop Xivir SJ, einer der drei Jesuiten, die ohne Bezahlung in dem Projekt mitarbeiten. Viele Flüchtlinge haben Schlimmes auf ihrem Weg erlebt. Immer wieder sind Flüchtlinge Opfer von Überfällen, weil Bargeld bei ihnen vermutet wird. Aber sie sind auch Opfer von Willkür und Korruption staatlicher Behörden und der Polizei. Die organisierte Kriminalität versucht, Geschäfte mit den Menschen zu machen; Frauen werden teilweise vergewaltigt und in eines der zahlreichen Bordelle eingesperrt. Deshalb ist es wichtig, dass sie im Zentrum psychologische Hilfe erhalten können, doch auch Rechtsbeistand ist wichtig. Viele Flüchtlinge wollen nämlich in Mexiko bleiben und beantragen Asyl; ein Viertel von ihnen sind Minderjährige. Da sich die Zahl der Asylanträge in Mexiko in den letzten Jahren verdreifacht hat, dauert die Bearbeitungszeit immer länger. Sechs Monate dauert ein solches Verfahren im Moment und die Rechtsanwälte des Projekts begleiten die Antragsteller vom ersten Tag bis zum Aufenthaltstitel. Bei nur einer Person bisher hat es nicht zum erhofften Ziel geführt.
Über Caritas International unterstützt die Diözese Rottenburg-Stuttgart das Projekt, das in der Grenzregion zwischen Mexiko und Guatemala auf beiden Seiten der Grenze angesiedelt ist. Neben der genannten psychologischen Hilfe und der Rechtsberatung ist die Weiterbildung der Ehrenamtlichen sehr wichtig, z. B. in Workshops zu Menschenrechten und Migration (es kann sogar ein Diplom bei einer kooperierenden Universität erworben werden). Aber es werden auch Medikamente für die Flüchtlinge besorgt, Workshops zu Ausländerfeindlichkeit und integrative Veranstaltungen werden durchgeführt. Schwere Menschenrechtsverletzungen werden in den Medien veröffentlicht. Eine Unterkunft für Flüchtlinge, die länger bleiben wollen und ein kleines Aufenthaltszentrum sind ebenfalls Teil des Projektes.
„Wenn ich koche, koche ich mit Liebe, mit Liebe zu Gott“ fasst Sarita die Motivation für ihr ehrenamtliches Engagement zusammen. Sie trifft auf diese Weise genau die geistliche Grundlage des weltkirchlichen Engagements der Diözese Rottenburg-Stuttgart, deren Diözesanpatron der heilige Martin von Tours ist, der bekanntlich seinen Mantel mit einem Bettler geteilt hat und in ihm Christus erkannte.

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