Vesperkirche

Ein Gewinn für alle Seiten

Gerlinde Kretschmann schätzt die Begegnung mit den Menschen in der Vesperkirche. Foto: Diözese Rottenburg-Stuttgart / Luisa Weinig

Die Ökumenische Vesperkirche in Balingen lädt zum Mittagstisch.Schirmherrin Gerlinde Kretschmann packt als ehrenamtliche Helferin mit an.

"Wer heute kommt und wie viele? Keine Ahnung. Wir freuen uns auf jeden", sagt Achim Wicker, Dekanatsreferent in Balingen, zu den ehrenamtlichen Helfer:innen. Es ist Punkt 11 Uhr im Gemeindezentrum der Stadt. In etwa einer halben Stunde trudeln die ersten Gäste zum Mittagessen ein.

Vom 29. Januar bis zum 7. Februar findet die Ökumenische Vesperkirche in Balingen statt. Von 11:30 bis 14 Uhr erhält jede:r ein warmes Mittagessen, ein Getränk sowie Kaffee und Kuchen. Wicker erklärt den 13 Ehrenamtlichen den Ablauf des Tages. Unter den Helfer:innen ist ein besonderer Gast: Gerlinde Kretschmann. Die Frau des Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, ist seit vielen Jahren Schirmherrin der Vesperkirchen im Bundesland. Für die 75-Jährige ist es bereits die 20. Vesperkirche, die sie seit ihrer Schirmherrschaft besucht. "Es ist sehr interessant, die verschiedenen Vesperkirchen zu erleben. Bisher habe ich fast nur gute Erfahrungen gemacht", sagt die First Lady Baden-Württembergs.

Jeder ist willkommen

Das Motto der zweiten Balinger Vesperkirche lautet "Miteinander. Essen. Reden. Leben." Nachdem im vergangenen Jahr das Projekt pandemiebedingt im Freien stattfand, gibt es jetzt die erste "richtige Vesperkirche" in Balingen. Es ist eine Kooperation des Katholischen Dekanats Balingen, der katholischen Kirchengemeinde Heilig Geist, der Evangelischen Kirchengemeinde Balingen, der Diakonischen Bezirksstelle Balingen sowie der Caritas Schwarzwald-Alb-Donau. Dekanatsreferent Achim Wicker sagt, dass es neben dem Mittagessen auch um die Begegnung miteinander geht: "Wir laden Menschen ein, die einen kleinen Geldbeutel haben, dazu Menschen, die gerne in Gemeinschaft essen und das zuhause nicht können, sowie alle anderen, die dieses wertvolle Begegnungsprojekt unterstützen wollen."

Um kurz nach halb 12 Uhr kommen die ersten Gäste an. Heute stehen Spaghetti Bolognese oder Kartoffelsuppe mit Erbsen auf dem Speiseplan. Das Essen liefert der Verein Mariaberg, ein diakonischer Träger für soziale Dienste mit Angeboten für Menschen mit Behinderung und sozialer Benachteiligung. Die Getränke stellt "Wasser für Afrika" bereit. Der Verein sammelt Spenden für einen Brunnenbau in Afrika.

Armut und Einsamkeit an einem Tisch

Gerlinde Kretschmann ist direkt im Getümmel. Nur für ein kurzes Vorbeischauen, das kam für sie nicht infrage. "Ich bin pensioniert und kann mir meine Termine selbst einteilen. Ich möchte mir Zeit nehmen, mit den Menschen sprechen und helfen", sagt die pensionierte Lehrerin. Die Vesperkirche ist ihr Herzensprojekt. Es sei ein Gewinn für beide Seiten. Die Gäste bekommen ein warmes Essen sowie ein nettes Gespräch und die Ehrenamtlichen haben etwas Gutes getan.

Achim Wicker ist mit dem bisherigen Zulauf der Vesperkirche zufrieden. Von Tag zu Tag würden mehr Menschen kommen. Heute kamen rund 114 Erwachsene und Kinder vorbei.

Um 12:30 Uhr sind alle Tische im Gemeindezentrum besetzt. Spontan wird im Vorraum ein Infotisch zum Esstisch umfunktioniert. "So allmählich spricht es sich in der Stadt herum, dass hier ein guter Ort ist", sagt Wicker. Er schätzt die bunte Mischung an Menschen, die hier am gemeinsamen Tisch zusammenkommt.

In Balingen treibt nicht nur die Armut, sondern auch die Einsamkeit Menschen zur Vesperkirche. "Vor ein paar Tagen kam ein Mann weinend auf mich zu und bedankte sich bei mir für die Vesperkirche. Seine Frau ist vor Kurzem gestorben und er verbringt die meiste Zeit allein zuhause mit seiner behinderten Tochter. Für ihn war es schön, rauszukommen und wieder mit anderen Menschen zu sprechen", erzählt Achim Wicker.

Multimedia Reportage

Multimedia Reportage

Überall in unserer Diözese laden Kirchen, Gemeinden, Verbände und Institutionen in den ersten Wochen des neuen Jahrs zur Vesperkirche. Bei der alljährlichen Aktion kommen verschiedene Menschen - egal ob arm oder reich, jung oder alt - zum gemeinsamen Mittagessen zusammen. Die Mahlzeit gibt es für eine Spende - jede und jede kann geben, so viel er oder sie kann.

In Horb am Neckar gibt es das Solidaritätsessen seit 15 Jahren. Um zu zeigen, was Tausende Engagierte in diesen Wochen in ganz Württemberg leisten, haben wir den Eröffnungstag in Horb begleitet. Das Multimedia-Projekt ist hier verfügbar.

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