Nun sag, Ludwig, wie hast du’s mit der Religion? Ein Teil der Musikwissenschaftler und Biographen finden bei Ludwig van Beethoven nur wenig Glauben oder nur eine abstrakte, fast schon agnostische Religiosität. Oder sie lassen sein - vergleichsweise kleines - dezidiert geistliches Werk eher am Rande stehen. Aber wird man dem wohl meistgespielten klassischen Komponisten der Welt, dessen Werke zum kulturellen Erbe der Menschheit zählen, damit gerecht?
„Wenn wir mit einem engen, dogmatisierenden und festgezurrten Glaubensverständnis an Beethoven herantreten, werden wir wenig Glauben bei ihm finden“, sagt der Theologe Dr. Wolfgang Steffel, der sich mit Beethovens Religiosität seit vielen Jahren eingehend beschäftigt, und verweist auf einige Bemerkungen, die eine Distanz zu Glaube und Kirche nahelegen. Als etwa der böhmische Pianist und Komponist Ignaz Moscheles einen Klavierauszug der Oper Fidelio erstellte und am Ende handschriftlich vermerkte „Beendet mit Gottes Hilfe“, schrieb der Meister kurzerhand darunter: „O Mensch, hilf dir selber!“ Oder als Beethoven in sein Konversationsheft schrieb: „Ich sehe aber nicht ein, warum Jesus sich für Gott ausgab“, rügte ihn sein Neffe Karl mit einem vermeintlichen Bibelzitat: „Ich bin Gottes Sohn; wer nicht an mich glaubt, der glaubt auch nicht an meinen Vater“.
Gottessehnsucht und Glaubenskrise
Zweifellos gebe es Spannungen in der Religiosität des großen Meisters, sagt Steffel, auch mit Blick auf Beethovens Lebensschicksal, seine familiäre Situation und das aufklärerische Gedankengut und ausgesprochen liberale Klima in seinem geistigen Umfeld, dem Hof des Kurfürsten Maximilian. Mündigkeitsstreben und Wunsch nach Geborgenheit, Gottessehnsucht und Glaubenskrise, Leidwiderfahrnis und Sinnsuche seien die Pole dieser Spannungen im Leben Beethovens. „Aber wenn wir Beethoven in einem weiten Glaubenshorizont hören, werden wir leicht fündig“, so Steffel, der in dem Meister einen redlichen Gottsucher sieht, „dem es um eine persönliche Auseinandersetzung mit dem christlichen Glauben, mit Philosophie und Weisheitslehren jenseits von festgefahrenem Dogmatismus ging“. Und als solcher könne er heutige Menschen in den je eigenen Glaubenszweifeln und Suchbewegungen – und gerade jetzt – stark inspirieren.