Kirche am Ort

Ein Jahr, 50 Veranstaltungen

Janka Stürner-Höld

Janka Stürner-Höld zieht eine Bilanz ihres Engagements. Bild: DRS

Diözesanreferentin Janka Stürner-Höld berichtet von gemischten Reaktionen auf ihre Präsentation der Ergebnisse des KiamO-Prozesses.

Janka Stürner-Höld stellte in den vergangenen zwölf Monaten die Auswertung des Prozesses „Kirche am Ort – Kirche an vielen Orten gestalten“ (KiamO) in der Diözese Rottenburg-Stuttgart vor. Dazu präsentierte sie die Ergebnisse der von ihr mitverantworteten „Pastoralberichte-Studie“ im Auftrag der Hauptabteilung „Pastorales Personal“. Nun endet die Tätigkeit der Diözesanreferentin. Im Interview zieht sie eine Bilanz ihres Engagements.  

Frau Stürner-Höld, bei wie vielen Veranstaltungen haben Sie die Ergebnisse der KiamO-Studie vorgestellt?

In der ersten Jahreshälfte 2021 waren es pandemiebedingt ausschließlich digitale Veranstaltungen, doch im zweiten Halbjahr bin ich viel herumgekommen und habe schöne Ort in der Diözese kennengelernt. Insgesamt gab es über 50 Veranstaltungen davon 30 auf Dekanatsebene; außerdem Veranstaltungen mit der Caritas, der Katholischen Erwachsenenbildung und auch zwölf Termine in Seelsorgeeinheiten. Bedenkt man aber, dass es in der Diözese rund 270 Seelsorgeeinheiten gibt, heißt das auch, dass viele das Angebot aus den unterschiedlichsten Gründen nicht genutzt haben.

Was haben Sie denn in der Studie herausgefunden, was im KiamO-Prozess gut funktioniert hat?

Es zeigte sich, dass der KiamO-Prozess nur dort wirklich erfolgreich möglich war, wo Haupt- und Ehrenamtliche gemeinsam an einem Strang zogen. Die Studienergebnisse haben gezeigt, dass er viel bei der Zusammenarbeit innerhalb der Seelsorgeeinheiten bewegt hat. Die Kirchengemeinden sind stärker zusammengewachsen und haben sich gemeinsam damit auseinandergesetzt, was ihr Ziel, ihre Vision ist. Vielerorts wurden so die Profile der Gemeinden geschärft. Auch beim diakonischen Arbeiten konnte sich vieles entwickeln. Das hat oft gut funktioniert, weil Menschen zur Mitarbeit gewonnen wurden, die das dann nicht in festen Strukturen, sondern anlassbezogen tun konnten.

Die Art und Weise des Ehrenamts hat sich verändert, doch die Bereitschaft, sich zu engagieren, ist nach wie vor hoch. Hier gibt es Platz zur Ansprache von Menschen, die sich nicht zur Kerngemeinde zugehörig fühlen. Wichtig ist dabei, dass Kirchengemeinden sich offen für eine Vernetzung mit anderen katholischen Partnern, Gemeinden oder Gruppen in ihren Seelsorgeeinheiten zeigen; aber auch mit evangelischen und weltlichen Partnern. Dort wo Vernetzung gelingt, kann auch Neues entstehen. Das ist ein ganz wichtiger Punkt für die Zukunft: Wenn Kirche in der Gesellschaft sein möchte, muss sie sich offen zeigen, mit anderen Akteuren gemeinsame Ziele zu verfolgen.

Und welche Grundlage gab es für Ihre Studie?

Das waren die Pastoralberichte. Sie entstanden auf Ebene der Seelsorgeeinheiten und unser Auftrag war, sie auszuwerten, um so den KiamO-Prozess zu evaluieren. Dafür entwickelten wir Kriterien, die es uns erlaubten, gezielte Fragen an die Texte zu stellen und dadurch Aussagen über den Prozess treffen zu können. Insgesamt wurden Berichte aus 202 Seelsorgeeinheiten ausgewertet.

Die Berichte waren sehr unterschiedlich. Es gab Berichte mit mehr als 100 Seiten, aber genauso auch Zusammenfassungen auf eineinhalb Seiten. Insgesamt haben wir in elf Monaten rund 4000 Seiten ausgewertet. Am Ende war es dann allen Beteiligten wichtig, dass diese Ergebnisse nicht nur auf der Leitungsebene, sondern auch in der Fläche vor Ort verfügbar sein sollten und das war die Basis für meine Arbeit im vergangenen Jahr. 

Welche Reaktionen haben Sie vor Ort auf Ihre Präsentationen erfahren?

Vielerorts wurde sie interessiert und mit Wertschätzung aufgenommen. Insgesamt war das Feedback aber doch recht gemischt und ich machte die Erfahrung, dass der nüchterne, wissenschaftliche Blick von außen schmerzen kann. Wir stellten ja hauptsächlich eine Diagnose und gaben keine Tipps, wie es besser laufen kann. 

 

Der Knackpunkt dabei ist,
das eine neu zu entwickeln ohne den Anschein zu erwecken,
das Bestehende abwerten zu wollen.

 

Was bedeutete das konkret?

Beispielsweise gab es viele emotionale Reaktionen beim Thema ‚Ehrenamt‘. Denn natürlich gibt es in den Gemeinden sehr viel Engagement und die Menschen stecken ihre ganze Energie und ihr Herzblut in diese Aufgaben. Doch wichtig ist an der Stelle eben auch die Feststellung, dass es künftig verstärkt neue Formen ehrenamtlichen Engagements geben muss, um Menschen zu erreichen – also nicht mehr ausschließlich in Verbänden oder Kirchengemeinden, sondern immer häufiger auch projektbezogen und selbstorganisiert. Der Knackpunkt dabei ist, das eine neu zu entwickeln ohne den Anschein zu erwecken, das Bestehende abwerten zu wollen. Darin liegt oft die Schwierigkeit.

Können Sie uns noch ein, zwei andere Ergebnisse der Studie mitteilen?

Nach unserer Ansicht sollte in den Gemeinden die Einzelperson mehr in den Blick genommen werden. Die Fokussierung auf Kinder und Jugendliche hat oft das klassische Familienbild im Blick und lässt Menschen mit anderen Lebensläufen und Lebensformen außer Acht.

Eine andere Erkenntnis war, dass wir in mehr als der Hälfte der untersuchten Seelsorgeeinheiten auch nach fünfjährigem KiamO-Prozess keine Hinweise darauf fanden, dass neue Orte in den Blick genommen wurden und hier kann man sich fragen, was das für den Erfolg des Prozesses bedeutet, wenn Kirche ein Ort bleibt, der von vielen nicht mehr erreicht wird. Die Geh-Hin-Kirche findet sich in der Praxis nicht oft. Alle sind eingeladen aber die Angebote sind nicht für alle ansprechend.

Und was ist nun Ihr Fazit nach diesem Jahr?

Ich habe ganz unterschiedliche Erfahrungen gemacht und bin auf eine große Offenheit gestoßen. Viele Menschen sind interessiert daran, dass Kirche sich weiterentwickelt und zukunftsfähig positioniert. Gleichzeitig habe ich aber auch die Erfahrung gemacht, dass es ebenso viele Menschen gibt, die sich damit sehr schwer tun und wollen, dass es so bleibt, wie es einmal war. In diesem Spannungsfeld bewegen sich letztlich aber alle, die Kirchenentwicklung betreiben möchten.

Zur Person

Janka Stürner-Höld

Janka Stürner-Höld wuchs in der Nähe von Bad Wurzach auf. Nach dem Abitur studierte sie in Freiburg Soziale Arbeit und absolvierte im Anschluss den Master „Forschung und Entwicklung in der Sozialen Arbeit“ an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen. Im Anschluss arbeitete die 31-Jährige als Akademische Mitarbeiterin an der Katholischen Hochschule in Freiburg.

Eines ihrer Forschungsprojekte war die wissenschaftliche Auswertung des KiamO-Prozesses im Rahmen der „Pastoralberichte-Studie“, die sie gemeinsam mit Prof. Dr. Dr. Michael N. Ebertz durchführte. Von Oktober 2020 bis Ende Dezember 2021 ist sie in der HA V des Bischöflichen Ordinariats beschäftigt, um die Studienergebnisse in die Breite zu kommunizieren.

Seit Sommer 2021 lebt sie mit ihrem Mann in Ravensburg, wo sie auch in Zukunft als Sozialarbeiterin tätig sein wird. In ihrer Freizeit schrieb sie im vergangenen Jahr, gemeinsam mit Prof. Ebertz, ein Buch zum Thema des Pastoralen Habitus, das im Frühjahr 2022 erscheinen wird.

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