Ein Leben als Predigt

Wim Wenders‘ Film „Papst Franziskus – ein Mann seines Wortes“

Wie ein roter Faden durchzieht der Heilige aus Assisi den neuen Film von Wim Wenders. Mit Franziskus, dem Poverello aus Umbrien, steigt der Filmemacher in seinen Papstfilm „Franziskus – ein Mann seiner Worte“ ein. San Francesco, der heilige Minderbruder, ist die Schlüsselfigur in Wenders‘ 1:40-Stunden-Werk, in dem der Filmemacher allerdings nicht den umbrischen Ordensgründer, sondern den amtierenden Pontifex vorstellt: Jorge Mario Bergoglio, der als Jesuit und Kardinal aus Buenos Aires/Argentinien vor fünf Jahren nach seiner Wahl zum Papst den Namen Franziskus wählte.

Wenders ist es mit seinem ruhigen und gleichzeitig auf- und anregenden Film gelungen, diesen Mann aus Lateinamerika in Interviews, in Reportage-Ausschnitten und in Aussagen von Zeitzeugen als radikalen Kämpfer für das Evangelium Christi zu porträtieren, als Anwalt der Armen, Kranken und Ausgegrenzten und als Kritiker eines global herrschenden Kapitalismus. Diese Wirtschaftsform droht, wie der Papst warnt, dem Menschen und der gesamten Schöpfung den Untergang zu bereiten. Der Film von Wenders stellt einen kompromisslosen Pontifex vor. Ob Franziskus nach der Katastrophe auf den Philippinen den Opfern Trost spendet, ob er vor der UNO der Welt ins Gewissen redet, er in Spitälern Schwerkranke umarmt und küsst oder er in Gefängnissen Häftlingen die Vergebung Gottes zuspricht – der „Mann seiner Worte“ spricht und handelt überzeugend radikal auf der Grundlage des Evangeliums.

Eindringlich redet Franziskus im Gespräch mit dem Filmemacher von der einen Erde, die der Menschheitsfamilie geschenkt ist und die allen gehört. Wenn der Papst aufzeigt, dass 80 Prozent der Güter in den Händen von nur 20 Prozent der Erdbewohner liegen, macht sich im Kinosaal Betroffenheit breit. Man kann nicht zwei Herren dienen, Gott und dem Mammon, redet Franziskus ins Gewissen, genauso wie er den Missbrauch von Kindern durch Geistliche verurteilt oder Besitz- und Prestigestreben von Bischöfen. Franziskus‘ theologisches Fundament, in jesuitischer Disziplin grundgelegt, durchzieht den gesamten Film wie eine Basslinie. Radikal und konsequent, so zeigt Wenders den argentinischen Papst, mitunter auch mit komischer Wirkung, etwa wenn sich der Pontifex in New York von enormen Karossen über den Boulevard eskortieren lässt, er selbst aber in einem Kleinwagen sitzt. Ein Mann seiner Worte und seiner Taten…

Anrührend die Szene, als Franziskus vom Papamobil aus in der Menge überrascht eine Ordensfrau aus Argentinien erkennt, Sr. Eufemia, ihm seit Jahrzehnten bekannt. Er lässt anhalten, steigt vom Mobil, umarmt und segnet die Frau. In der nächsten Filmsequenz hört man sie sagen: Das Leben dieses Mannes ist eine Predigt. Wenders‘ Film wiederum mag eindringlicher wirken als viele Predigten. Wenn der Papst aus Argentinien mit direktem Blick in die Augen des Zuschauers sagt, kein Mensch in den Industrieländern könne sich seiner Verantwortung entziehen, jeder sei Teil des Systems, dann trifft er direkt das Gewissenszentrum.

Der Regisseur hat es verstanden, einen Mann zu porträtieren, der wie ein Gemälderestaurator trüb gewordenen Firniss vom Kirchenbild entfernt, damit die Leuchtkraft der Farben wieder wirken kann. Wahrscheinlich muss man „Franziskus – ein Mann seiner Worte“ mehr als einmal anschauen, um die vom Evangelium Christi durchdrungene radikale Menschenfreundlichkeit des amtierenden Papstes begreifen zu können. Fesseln kann der Film bereits beim ersten Anschauen.

Mediencheck

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