Katholische Kirche ist nicht nur hierarchisch, sondern an vielen Stellen auch demokratisch. Am Donnerstagabend hat der Stadtdekanatsrat in der Domkirche St. Eberhard mit Andreas Bouley und Stefanie Milaković zwei neue Laienvorsitzende gewählt. Der Stadtdekanatsrat ist das Parlament der katholischen Kirche in Stuttgart, das die pastoralen Ziele des Stadtdekanats festlegt und zu kirchlichen, gesellschaftlichen und politischen Anliegen im Namen der Katholiken Stuttgarts Stellung nimmt. Es ist auch das Gremium, das über den kirchlichen Haushalt entscheidet.
Andreas Bouley, der dem Stadtdekanatsrat seit fast 30 Jahren angehört, gab sich in seiner kurzen Rede kämpferisch: „Wir müssen den Bestrebungen des Vatikans, Laien aus der Verantwortung herauszuhalten, vor Ort etwas entgegensetzen“, so der neue Laienvorsitzende. Damit nahm der 65-Jährige Bezug auf die jüngst in Rom veröffentlichte Instruktion der Glaubenskongregation zu Pfarreileitung, Priester und Laien, das die Verantwortung für Laien klar begrenzt. Für Andreas Bouley ist das Rottenburger Modell und auch die Arbeit im Stuttgarter Stadtdekanatsrat ein gutes Beispiel dafür, dass es anders geht und Laien in der katholischen Kirche an wesentlichen Stellen eben doch mitgestalten und mitentscheiden können. Der 65-Jährige war in den vergangenen Jahren stellvertretender Zweiter Vorsitzender und ist jetzt zum Laienvorsitzenden gewählt worden.
Die Stellvertretung übernimmt Stefanie Milaković, die dem Gremium neu angehört und die ihr fünf Wochen altes Töchterchen zur Sitzung mitbrachte. Die 33-jährige Bankfachwirtin gehört der kroatischen Gemeinde in Feuerbach an und arbeitet dort im Pastoralrat mit. Sie freut sich auf das neue Amt: „Ich möchte auch als Stellvertreterin aktiv die Stadtkirche mitgestalten und Ideen einbringen.“
Stadtdekan Christian Hermes machte unterdessen deutlich, wie wichtig der Stadtdekanatsrat als kirchliches Entscheidungsgremium ist: „Das katholische Stadtdekanat Stuttgart ist die größte kirchliche Körperschaft nach den beiden Diözesen in Baden-Württemberg. Der Laienvorsitz im Stuttgarter Stadtdekanat ist das verantwortungsvollste Wahlamt in der Diözese Rottenburg-Stuttgart.“ Er freute sich über das Wahlergebnis: „Ein Mann und eine Frau aus verschiedenen Generationen, ein Vertreter der deutschen Kirchengemeinden und eine Vertreterin der muttersprachlichen Gemeinden, das ist ein gutes Signal. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit.“
Dem neuen Stadtdekanatsrat gehören insgesamt 85 stimmberechtigte Mitglieder an, die jüngsten Vertreter sind Anfang 20, die ältesten über 80. Rund 30 Frauen und Männer sind neu in den Stadtdekanatsrat eingezogen. Dem Stadtdekanatsrat gehören auch die leitenden Pfarrer sowie Vertreter katholischer Einrichtungen und Orden an. Neben den örtlichen Kirchengemeinderäten entsenden auch die muttersprachlichen Pastoralräte Vertreterinnen und Vertreter in den Stadtdekanatsrat, der auf fünf Jahre gewählt ist.
Aus dem Gremium verabschiedet hat sich Bernhard Kees, der 30 Jahre lang im Stadtdekanatsrat mitwirkte, die letzten 15 Jahre als dessen Gewählter Laienvorsitzender. Er nahm mit kritischen Worten Abschied: „Sich sein ganzes Leben für die katholische Kirche zu engagieren, bedarf einer guten Grundlegung. Ohne diese wäre ich längst wie viele andere in den privaten Glauben geflüchtet und hätte die Kirche Kirche sein lassen. Ich habe mich stattdessen immer für die Gemeinschaft im Glauben eingesetzt und nicht die Individualität des Glaubens nach vorne gestellt.“ Ihm sei es immer wichtig gewesen, Verantwortung in der katholischen Kirche zu übernehmen und demokratisch mitzugestalten. In Richtung Amtskirche fand er mahnende Worte: „Die katholische Kirche muss sich wandeln. Sie muss Antworten auf die Frage finden, welche Rechte und Pflichten haben Kirchenmitglieder in Zukunft, wie kann die Ausgrenzung von Frauen und Minderheiten aufgelöst werden und wie gehen wir mit Sexualität um.“
Stadtdekan Christian Hermes dankte Kees für die enge und vertrauensvolle, offene und immer lösungsorientierte Zusammenarbeit in den vergangenen Jahren und würdigte das lebenslange Engagement des scheidenden Zweiten Vorsitzenden, dem die Katholische Kirche in Stuttgart und darüber hinaus viel verdanke. „Wenn Sie zukünftig durch Stuttgart spazieren und die Entwicklung der katholischen Kirche und ihrer Angebote sehen, dann wissen Sie, dass Sie wesentlich dazu beigetragen haben. Und hoffentlich werden Sie dann auch sehen und erfahren können, dass diese gute Entwicklung weitergeht.“