Mit 35 Frauen und Männern startete im Jahr 2020 eine ungewöhnlich hohe Zahl an Berufseinsteigern in die pastoralen Berufe der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Stellvertretend für die einzelnen Berufsgruppen sprach Gregor Moser, Pressesprecher der Diözese, mit Vikar Roman Fröhlich, Pastoralreferentin Juliane Avcu, Gemeindereferentin Marie-Therese Grimm und Diakon Stefan Ardemani darüber, wie ihnen der Start im Zeichen von Corona gelang.
Herr Fröhlich, wie war für Sie der Start unter Corona-Bedingungen an einem neuen Ort?
Roman Fröhlich: Gut, besser als erwartet. Die Sorge war schon groß, dass der Start an einem neuen Ort, mit einem neuen Beruf, unter den Corona-Verordnungen eher kompliziert werden würde. Durch die Verordnungen fallen viele normale Kontaktmöglichkeiten erstmal weg, um sich einen Überblick über die Gemeinde und die wichtigsten Personen zu machen. Aber der Start verlief doch viel besser als erwartet. Was daran lag, dass im September die Verordnungen noch nicht so streng waren, und auch daran, dass man ja genauso gut miteinander telefonieren kann, wenn man sich schon nicht treffen kann. Und was ich die letzten Wochen telefoniert habe.
Frau Avcu, auch Sie haben Ihre erste Stelle in diesem Corona-Jahr an einem neuen Ort angetreten. Wie ist es Ihnen dabei ergangen?
Juliane Avcu: Genauso wie der Abschied an der alten Stelle war auch der Beginn an der neuen Stelle durch die Pandemie stark eingeschränkt. Der Abschied in Spaichingen fiel schwer, da man sich nicht richtig von den Menschen, mit denen man drei Jahre lang gelebt, gearbeitet, gebetet und gestaltet hat, verabschieden konnte. Ebenso war der Beginn an der neuen Stelle gezeichnet. Dankenswerterweise konnte ich mich in allen Gemeinden der Seelsorgeeinheit Schönbuchlichtung mit einer Antrittspredigt in den Gemeindegottesdiensten vorstellen, doch das Kennenlernen bei kurzen Gesprächen auf Abstand gestaltet sich schwierig.
Wie erleben Sie das Arbeiten beispielsweise an der Schule und was würden Sie sich für einen besseren Unterricht in der Pandemie wünschen?
Juliane Avcu: In der Schule erlebe ich eine gedrückte Atmosphäre, die über allen schwebt. Tische desinfizieren, Lüften und die Schülerinnen und Schüler an die Maskenpflicht erinnern, das sind Momente, die sichtbar zeigen, dass hier gerade kein Normalzustand möglich ist. Auch sind viele Methoden, die ich in der Ausbildung kennenlernen durfte, nicht umsetzbar. Ich bin gespannt, sollte der Unterricht wieder ins Digitale verlegt werden, wie das dann klappen wird.
Herr Ardemani, Sie sind im Hauptberuf Lehrer und in der Schulpastoral tätig. Wie erleben Sie die Sorgen Ihrer Schüler in dieser Zeit?
Stefan Ardemani: Es ist schon eine Unsicherheit spürbar. Ich bin Klassenlehrer einer zehnten Klasse, also einer Abschlussklasse und die Unbekümmertheit ist nicht mehr so da. Die Grundschulkollegen berichten auch, dass der Ausgleich in der Freizeit der Schüler fehlt. Und unsere schulpastorale Arbeit hat sich ins Digitale verlagert: Mit einem Adventskalender auf unserer Schulhomepage und auch in die einzelnen Klassen hinein.
Herr Fröhlich, wie verändert Corona aus Ihrer Sicht das Leben in der Gemeinde vor Ort?
Roman Fröhlich: Das große Stichwort lautet Flexibilität. Denn was man noch gestern geplant oder organisiert hat, muss morgen vielleicht schon ganz anders als geplant stattfinden oder sogar ganz abgesagt werden, weil es neue Verordnungen gibt oder dadurch, dass eine der verantwortlichen Personen in Quarantäne muss. Das alles lässt sich nicht mit einplanen.
Was ist Ihre Devise unter diesen schwierigen Bedingungen?
Roman Fröhlich: Trotzdem am Ball bleiben und einfach machen, dabei Fehler machen, das Gute behalten, weitermachen. Und was ich vor Ort erlebe, ist, dass die Gemeinde diese Devise verinnerlicht hat. Zum Beispiel bei der Eucharistiefeier: Die Menschen machen mit, sie ziehen an einen Strang, tragen Mundschutz, verzichten auf das Singen, setzen sich dorthin, wo der Ordner sie hinführt. Und wenn ich zum Beispiel jetzt am Sonntag vor der Messe wie so oft eine neue Verordnung verkünden sollte oder eine neue Idee von mir vorstellen würde, dann weiß ich eins sicher: Die Gläubigen machen mit, sind wohlwollend, weil sie einfach eine, soweit es geht, schöne Messe haben wollen. Was will man mehr? Das ist doch einfach schön.
Frau Grimm, was empfinden Sie als besonders wichtig in dieser Zeit?
Marie-Therese Grimm: Mit den Leuten in Kontakt sein und zu erfahren, was sie gerade bewegt, was für sie gerade ‚dran ist‘, ist generell wichtig für die pastorale Arbeit. Aber in der momentanen Corona-Zeit ist dies noch wichtiger geworden. Auf diese Bedürfnisse hin, können Hauptamtliche dann die pastorale Arbeit entwickeln. Es ist wichtig wahrzunehmen, dass die Menschen sich gerade in sehr unterschiedlichen Situationen befinden. Für manche Personen hat Corona kaum Einfluss auf ihr momentanes Leben. Für andere brachte und bringt Corona harte Konsequenzen mit sich, wie beispielsweise wochenlanges Alleinsein im Krankenhaus aufgrund eines Besuchsverbots oder, dass man sich nicht von einem verstorbenen Angehörigen verabschieden konnte.
Weiterhin ist es wichtig, die unterschiedlichen Grenzen der Menschen wahrzunehmen und zu respektieren. Zum Beispiel: Während Person eins noch in den Gottesdienst gehen würde, möchte Person zwei dies nicht mehr.
Eine Frage, die ich Ihnen gerne allen stellen möchte, ist, was diese vielen Corona-Einschränkungen mit Ihnen machen; ob sie Sie davon abhalten, Ihren Auftrag so auszuführen, wie Sie es noch im vergangenen Jahr eigentlich vorhatten.
Marie-Therese Grimm: Wir müssen umdenken und andere Wege finden. Der Grundauftrag bleibt: Seelsorge und Begleitung der Menschen auf dem Weg ihrer persönlichen Entwicklung und ihres Glaubenslebens.
Juliane Avcu: Der Auftrag bleibt. Wir Pastoralreferenten haben bei unserer Beauftragung eine Bereitschaftserklärung abgegeben: ‚Ich bin bereit, Gottes Wort zu leben und zu verkündigen. Ich bin bereit, den Dienst an den Menschen in Liebe zu tun.‘ Nur eben nicht wie bisher, sondern durch neue Formen und andere Medien. Der Auftrag ist klar, in der Pandemie stellt sich eben die Frage ‚wie?‘ ganz neu.
Stefan Ardemani: Als Diakon ist der Dienst am Altar durch die Corona-Bestimmungen natürlich eingeschränkt, was nicht so geplant war. Das pastorale Angebot ist zum Beispiel ein Telefongebet, das wir in unserer Gemeinde anbieten, wenn keine Begegnungen möglich sind und das Kontakthalten über das Telefon.
Roman Fröhlich: Ich bin erstaunt, wie anpassungsfähig ich bin. Vor einem Jahr hätte ich nicht gedacht, dass ich ohne Gesang und mit Mundschutz eine Messe feiern darf und das durchgehend und relativ würdig und schön. Und der Auftrag bleibt ja zu 100 Prozent derselbe. Der hat sich durch die Einschränkungen nicht verändert. Bloß der Weg dorthin ist ein bisschen holpriger geworden. Wie bei einem Computerspiel: Das Ziel ist dasselbe, nur der Schwierigkeitsgrad hat sich erhöht.
Mit der Bitte um eine kurze Einschätzung: Was wird Neues nach Corona in der Kirche bleiben?
Marie-Therese Grimm: Die Kirche wird zusätzlich digitaler unterwegs sein. Viele neue Ideen sind entstanden. Denn Haupt- und Ehrenamtliche waren gezwungen, außerhalb des gewohnten Rahmens zu denken. Ich hoffe, dass dies bleibt und gute neue Ideen fortgeführt werden.
Juliane Avcu: Durch die Pandemie ist der Sprung ins Digitale in den Kirchengemeinden schlichtweg ‚erzwungen‘ gewesen. Ich denke, dass viel Wertvolles durch das Digitale im kirchlichen Geschehen bleibt. Ich würde mir wünschen, dass auch viele Formen und Möglichkeiten von Hausgottesdiensten nach Corona bleiben, denn es gibt Menschen, die sonntags nicht in die Kirche kommen können. Mir wäre es wichtig, dass wir auch weiterhin Möglichkeiten bieten, die helfen, den Glauben zuhause erlebbar und erfahrbar zu gestalten.
Stefan Ardemani: Die Angebote über das Telefon, bei einem Gottesdienst oder einem Gebet dabei zu sein. Das ist eine gute Möglichkeit für Senioren, vertraute Stimmen zu hören.
Roman Fröhlich: Alternative Gottesdienstangebote für daheim dürfen gerne nach Corona bleiben, wie die Hausgottesdienste zu Heilig Abend, die auf der Internetseite der Diözese angeboten wurden. So können alle Menschen, vor allem Familien, die aus verschiedensten Gründen nicht den klassischen Gottesdienst vor Ort besuchen können, zuhause Gott feiern. Solche Angebote sehe ich nicht als Konkurrenz zum klassischen ‚Präsenzgottesdienst‘, sondern als eine Verwirklichung der Zusage Jesu ‚Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen‘.
Und was kommt hoffentlich wieder zurück?
Marie-Therese Grimm: Das direkte Treffen und gemeinsame Leben in der jeweiligen Gruppierung und der direkte Kontakt zu Einzelpersonen.
Juliane Avcu: Wir sind nicht nur Wesen des Geistes, sondern eben auch Körper. Viele Elemente und Rituale unseres Glaubens bringen wir körperlich zum Ausdruck: Brot teilen, aus einem Becher trinken, sich die Hände reichen. ‚Elf Umarmungen braucht der Mensch am Tag‘, heißt es. Umarmungen als Geste der Wertschätzung oder auch des Friedens sind wichtig und fehlen mir.
Stefan Ardemani: Die spürbare Gemeinschaft im Gottesdienst, der Schule und der Gemeinde. Bei Gottesdiensten mit der ganzen Schulgemeinschaft merken die Kinder und Jugendlichen, dass sie im Glauben und in der Welt nicht alleine unterwegs sind und das stärkt die Schulgemeinschaft.
Roman Fröhlich: Die Lieder, das Singen der Gemeinde, vor allem der Chorgesang.
Zum Schluss möchte ich Sie alle noch fragen, ob Sie einen persönlichen Tipp geben können, der vielleicht auch Ihnen schon gut geholfen hat, gut durch diese schwierige Corona-Zeit zu kommen.
Marie-Therese Grimm: Zum einen hat mir geholfen zu überlegen, was mir gerade guttut. Und dies dann in die Tat umzusetzen. Zum anderen lebe ich alleine. Da ist es wohltuend, mit meinen Freunden und meiner Familie per Telefon, Messengerdiensten und Videoanruf in Kontakt zu bleiben.
Juliane Avcu: ‚TTT‘. Das heißt: Tee, Teelicht, Telefon. Tee: So oft es geht, es sich einfach gemütlich machen und tun, was einem selbst guttut. Teelicht: Das Licht der Kerze zeigt Gottes Zusage ‚Ich bin da!‘. Telefon: So wie es geht, Kontakt mit anderen halten, das tut den anderen gut und einem selbst auch.
Stefan Ardemani: Ich denke, es ist wichtig, nach vorne zu schauen: Was ist trotz der Einschränkungen möglich und wie kann ich den Kontakt zu mir wertvollen Menschen erhalten, zum Beispiel durch regelmäßige Telefonate oder Spaziergänge in der Natur? Ich mache die Erfahrung, dass draußen sein, auch im Winter, Körper und Seele guttut. Ich habe auch ein Adventslied im Kopf, das meiner Zuversicht hilft: ‚Oh Herr, wenn du kommst, wird die Welt wieder neu. Oh Herr, wir warten auf dich.‘
Roman Fröhlich: Mein Tipp: Keine Angst haben in dieser Zeit voller Unsicherheiten. Denn eins ist und bleibt sicher und das ist die Botschaft unseres Glaubens, dass Gott bei uns ist, dass Gott uns liebt und, wie der heilige Paulus sagt, keine Macht in dieser Welt, nicht einmal der Tod, kann uns von der Liebe Gottes scheiden und auch kein Corona-Virus.