Bischof Gebhard Fürst hat sich stets für die Arbeitswelt der Menschen in der Diözese interessiert. Als Anerkennung dafür hat er am Freitagabend von ihren Betriebsseelsorgern ein angemessenes Abschiedsgeschenk bekommen: eine eigens für ihn auf der Stuttgart 21-Baustelle gefertigte Stele mit einem Stück Gleis und dem Kreuz-Symbol. Gebhard Fürst hatte die Baustelle mehrmals mit Delegationen besucht – und er wird ab dem nächsten Jahr an ihrem Rande wohnen.
Welche immensen Verwerfungen die Pandemie auch bei der täglichen Arbeit mit sich gebracht hat, wurde mehrmals an dem Abend deutlich. „Unsere Gesellschaft verroht zusehends“, sagte die Betriebsratsvorsitzende Dorit Schnuchel (Galeria Karstadt Kaufhof) bei einer von KAB-Diözesansekretär Thomas Riediger moderierten Podiumsdiskussion mit Vertretern verschiedener Firmen und Branchen. Beschimpfungen des Personales wegen kleinster Anlässe hätten zugenommen seit Corona. Dabei seien die Kolleginnen und Kollegen bei Karstadt durch die ständigen Umstrukturierungen in den letzten Jahren auch so schon genug gebeutelt.
Christian Gojowczyk von der Betriebsseelsorge Ludwigburg berichtete davon, dass viele Menschen „am Ende ihrer Nerven und Geduld“ seien nach drei Jahren Corona, Krieg in Europa und dem anhaltenden Überlebenskampf nicht weniger Firmen. Umso wichtiger sei es, Unternehmen mit starken, funktionierenden Betriebsräten zu haben – diese seien wesentlich besser durch die Krise gekommen als andere.
Bischof Fürst verwies in seiner Rede auf den „Kernsatz der katholischen Soziallehre“, dass der Mensch und seine Arbeit Vorrang habe vor dem Kapital und seinen spezifischen Interessen. Auch bei der alle Unternehmen grundlegend verändernden Digitalisierung sei der Mensch viel stärker in den Mittelpunkt zu stellen: „Sie muss auch zur Arbeitszufriedenheit und zur Sicherung der Beschäftigungsfähigkeit beitragen – unter Einbezug der Betriebs- und Personalräte, denn in mitbestimmten Betrieben berichten Beschäftigte überdurchschnittlich häufig über positive Erfahrungen.“ Nur so seien schädliche Auswüchse, wie die Auswertung personenbezogener Daten zur Erstellung eines vollständigen Persönlichkeitsprofiles oder die Personalauswahl mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz (KI), zu verhindern. Den Betriebs- und Personalräten sicherte der Bischof gerade in diesen schwierigen Zeiten die Unterstützung der katholischen Kirche zu: „Es ist gut, dass es Sie gibt!“
Das siebenköpfige Podium mit Sven Ehrenberg (Borg-Warner, einstmals Beru in Ludwigsburg), Tobias Edler (Marienhospital Stuttgart), Thomas Riediger, Manfred Köhler (Züblin), Dorit Schnuchel (Karstadt), Harry Niedzwietz (Dürr Systems) und Christian Gojowczyk beleuchtete die doch oft sehr unterschiedliche Arbeitswelt in den jeweiligen Branchen. Als Betriebsrat, das wurde dabei deutlich, „sitzt man irgendwo immer zwischen Stamm und Borke“. Aber der Einsatz für die Kolleginnen und Kollegen lohne sich.
Matthias Schneider, Leiter der Betriebsseelsorge der Diözese Rottenburg-Stuttgart, bedankte sich am Ende des intensiven Austausches bei Bischof Fürst dafür, dass er die Arbeit der Betriebsräte und der –seelsorger über viele Jahre hinweg wertgeschätzt und stets gegenüber den Menschen draußen in den Betrieben Interesse gezeigt habe: „Damit haben Sie ihnen Würde geschenkt.“ Ein schöneres Abschiedspräsent als das eigens für den Bischof angefertigte Kunstwerk „von der bekanntesten Niederlassung unserer Betriebsseelsorge“, der Baustelle von Stuttgart 21, hätte es da kaum geben können. Initiator Peter Maile hatte passend dazu noch einen Schutzhelm und eine Tunnel-Lampe mitgebracht.