Eine Atmosphäre für Begegnung schaffen

Renoviertes Erasmushaus für Katholische Hochschulgemeinde Tübingen

Dr. Bernd Hillebrand (47) leitet seit sieben Jahren als Pfarrer die Katholische Hochschulgemeinde (KHG) in Tübingen. Im Interview spricht er über die Herausforderungen, die das Leben an Studierende heute stellt - und wie das Erasmushaus, Studierendenwohnheim der Diözese Rottenburg-Stuttgart und Sitz der katholischen Hochschulseelsorge Tübingen, darauf reagiert. Nach Abschluss von umfangreichen Sanierungsmaßnahmen wird das Erasmushaus am Freitag (16. November) eingeweiht, Weihbischof Matthäus Karrer feiert um 18.00 Uhr einen Gottesdienst in der Kapelle des Hauses.

Herr Hillebrand, in welchen Anliegen wenden sich denn Studierende an einen Seelsorger? 

Dr. Bernd Hillebrand: Studierende befinden sich in einer sehr zentralen Phase ihrer Persönlichkeitsentwicklung. Daher werden Fragen vor allem in Bezug auf das eigene Ich und die Zukunft gestellt. Es geht um persönliche Beziehungen, um die richtige oder neue Studienwahl, um den eigenen Glauben oder am Ende des Studiums um die richtige Berufswahl. 

Wie finden Sie Kontakt zu den jungen Menschen an der Universität? 

Hillebrand: Es ist nie ein Selbstläufer, dass junge Studierende zur KHG kommen. Es braucht Kreativität und starke Beziehungsarbeit - über Netzwerke zu Fachschaften oder über den Kontakt, den Studierende wieder zu anderen Studierenden aufbauen. Darüber hinaus garantiert eine starke Mitwirkung von Studierenden in der KHG eine junge Kultur, die sich in Poetry Slams, Wohnzimmerkonzerten oder Podiumsdiskussionen widerspiegelt. Je vielfältiger die Kultur und die Ausrichtung der KHG ist, desto pluraler sind die Kontakte. 

Sie haben als Beispiel die Kultur genannt. Was macht das Leben einer Hochschulgemeinde aus? 

Hillebrand: Die KHG erfindet sich jedes Semester ein Stück neu und lebt von individuellen und gemeinschaftlichen Initiativen, die aufgrund einer hohen Fluktuation schnell umgesetzt werden. Auf der anderen Seite ist diese Schnelllebigkeit in der KHG auch anstrengend, da ständig neue Konstellationen und Beziehungsnetze entstehen. Die größte Kontinuität ist ein Gemeinderat von zehn Personen, der jährlich gewählt wird. 

Die KHG zieht am 16. November nach der Renovierung wieder ins Erasmushaus in der Belthlestraße zurück. Wo lagen die Schwerpunkte der Modernisierung? 

Hillebrand: Im Bereich des Wohnheims hat sich die Zahl der Zimmer von 27 auf 32 erhöht. Diese Zimmer wurden generalsaniert und komplett neu ausgestattet. Die Büroräume sind aus dem Wohnheim in den Langbau des Erasmushauses umgezogen. Der Mittelbau hat im Erdgeschoss ein neues Foyer erhalten, um eine Atmosphäre der Begegnung und des Willkommenseins zu schaffen. Darüber befindet sich eine neu gebaute Kapelle, die im Kontrast zum sonst sehr lichtdurchlässigen Gesamtcharakter des Hauses steht. Schließlich wurden die Veranstaltungsräume saniert und mit Technik für Podiumsdiskussionen, Kultur- oder Musikveranstaltungen ausgestattet. Auch ein Raum für die beiden KHG-Bands wurde neu geschaffen. 

Seit das Erasmushaus 1959 gebaut wurde, sind die Zeiten, was die Ausstattung betrifft, gänzlich andere geworden. Gilt dies auch für die jungen Menschen, die es mit Leben füllen? 

Hillebrand: Das Bindungsverhalten von jungen Menschen hat sich verändert. Sie müssen in der Vielfalt einer pluralen Gesellschaft Erfahrungen machen und sich ausprobieren. Sie sind bereit, sich für ein bestimmtes Projekt oder ein zeitlich begrenztes Engagement einzubringen, vor allem, wenn das persönliche Interesse oder die eigene Kultur zur Sprache kommt. Junge Menschen haben außerdem viel besser als die älteren gelernt, auf sich selbst zu achten. Sie können leicht auch mal nein sagen, den persönlichen Sport einem Engagement vorziehen oder mit Nicht-Vollendetem zufrieden sein. Insgesamt ist das Leben junger Menschen individueller und vielfältiger geworden. 

Haben es die Studierenden heute dadurch leichter als frühere Generationen? 

Hillebrand: Nicht unbedingt. Die Ablösung vom eigenen Elternhaus ist schwerer geworden, da Eltern ihre Kinder weit in das Studium hinein eng behüten und begleiten. Auch durch die sogenannte Modularisierung an den Universitäten ist das eigene Erwachsenwerden und die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit eher schwerer geworden, da eigenständige Entscheidungen und eigenständige Denkprozesse nicht mehr unmittelbar gefordert sind und gefördert werden. 

Was müsste die Kirche aus Ihrer Sicht tun, damit sich solche jungen Leute auch in Zukunft in ihr engagieren? 

Hillebrand: An diesen veränderten Realitäten junger Menschen muss Kirche ansetzen. Eine offene Partizipation, die nicht versucht in ein bestehendes System zu integrieren, sondern die einen situationsbezogenen Raum zur Begegnung schafft, macht Platz für junge Menschen und funktionalisiert sie nicht für das eigene System. Immer wenn es um das eigene Leben als Ganzes geht, werden Menschen und vor allem junge Menschen an Kirche interessiert sein und sich für eine bestimmte Zeit einbringen. 

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