Mit einem ökumenischen Gottesdienst in der Stuttgarter Stiftskirche haben die beiden evangelischen Landeskirchen in Baden und Württemberg sowie die Diözese Rottenburg-Stuttgart und das Erzbistum Freiburg am heutigen Buß- und Bettag, 21. November, dem Ende des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren (11. November 2018) gedacht.
Der württembergische Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July wies in seiner Predigt auf das Versagen vieler auch kirchlicher Amtsträger hin, die die kriegerischen Handlungen unterstützten. „Christlicher Glaube und christliche Verkündigung wurde zur Feldpropaganda entwürdigt und benutzt“, so July. Feldprediger machten Gott „zu einem Götzen, zu einem Kriegs- und Nationalgott mit beschränktem Charakter.“ Und der Wahnsinn habe bis heute kein Ende gefunden. „Die Motive der Gewalt, des blinden Nationalismus, der grenzenlosen Vernichtungswut und der mörderischen Lästerung des Schöpfergottes, sie wiederholen sich in den Bildern des Zweiten Weltkriegs wie auch in den Kriegsbildern der heutigen Zeit“, erklärte July.
Vor diesem Hintergrund rief Landesbischof July dazu auf, „eine neue Sprache miteinander zu finden, die versöhnt, Grenzen überschreitet und Frieden stiftet.“ Er betonte, dass Christinnen und Christen auch eine politische Verantwortung tragen. „Abrüstung und Friedensarbeit bleiben Thema und müssen Thema bleiben“, so July. Gott habe uns ein lebendiges Herz geschenkt, das für andere schlägt und für den Frieden. „Kommen Sie mit auf den Pilgerweg der Gerechtigkeit und des Friedens“, rief July die Zuhörenden auf und verwies auf die Friedensinitiative des Ökumenischen Rats der Kirchen, an der sich sowohl die württembergische als auch die badische evangelische Kirche beteiligen.
Der Bischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Dr. Gebhard Fürst, erinnerte in seiner Predigt an die Opfer des Ersten Weltkriegs – „verwirrte und verstörte, kranke, versehrte und hungernde Menschen und mehr als 15 Millionen Tote.“ Der Erste Weltkrieg sei der erste große Krieg, „der Menschen bis in die entlegensten Winkel der Welt hinein getroffen habe und die zerstörerische Macht der Moderne mit absoluter Brutalität ans Licht brachte“, so Fürst. Er habe das ganze folgende Jahrhundert entstellt.
„Die Wahrheit der Botschaft Jesu Christi war ausgeblendet“. Diese Verblendung von damals mache bis heute sprachlos, sagte der Rottenburger Bischof und bezeichnete den Missbrauch Gottes zum Sieg der eigenen Sache als eine der Ursünden des Menschen. Nur durch Begegnung und dadurch, „dass wir uns bewusst für die Liebe zum Nächsten entscheiden“, könne verhindert werden, dass sich die Schrecken des Krieges wiederholen. Fürst rief dazu auf, Gewalt und Unrecht und allen menschenverachtenden und nationalistischen Ideologien von Anfang an zu widerstehen. „Wir wollen den Frieden suchen und ihn zur Richtschnur unseres Handelns machen“, betonte Fürst. Frieden stiften könne nur, wer die aktuelle Lage wachsam beobachte und aus der Liebe heraus handle, nicht von Ehre, Gefühlen und Zeitgeist getrieben. „Trauen wir der Friedensbotschaft Jesu und fangen bei uns an.“
Bei dem Gottesdienst wirkten neben den Predigern auch der Freiburger Weihbischof Dr. Peter Birkhofer (Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Baden-Württemberg), Kirchenpräsident Christian Albecker (Union des Églises protestantes d'Alsace et de Lorraine), Pastoralreferentin Margret Schäfer-Krebs (Bischöfliches Ordinariat Rottenburg) und Pfarrerin Stefanie Heimann (Evangelische Landeskirche in Württemberg) sowie Ministerpräsident Winfried Kretschmann mit.
Musikalisch wurde der Gottesdienst von der Stuttgarter Kantorei unter Leitung von Stiftskantor Kay Johannsen, Schülerinnen und Schülern aus dem Mädchengymnasium St. Agnes, dem Evangelischen Heidehof-Gymnasium und dem Eberhard-Ludwigs-Gymnasium in Stuttgart begleitet.