Vor dem wie ausgestorben wirkenden Bischöflichen Ordinariat weht eiskalt der Wind. In Rottenburg ist endgültig der Winter angebrochen. Vom Dom her nähern sich die ersten Gäste des Bischofs fröhlich plaudernd. Wenige Augenblicke später bewegt sich ein schier unendlicher Menschenstrom die engen Gassen hinauf zum normalerweise stillen Verwaltungsgebäude der Diözese, das sich heute in einen prächtigen Ort für ein familiäres Fest verwandelt hat.
Etwa 500 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und auch ehemalige Mitarbeitende des bischöflichen Gastgebers sind gekommen, um Abschied von Bischof Fürst zu nehmen. Die Stimmung ist fröhlich – auch wenn vielen der Abschied nach fast einem viertel Jahrhundert schwer fällt.
Ein großer Gastgeber feiert ein letztes Fest
Unter den Gästen ist Cornelia Platz, Sekretärin von Bischof Fürst seit seinem ersten Tag als Bischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Die entspannte Atmosphäre ist ihr nicht neu: „Es hat mich immer wieder sehr beeindruckt, welch ein hervorragender Gastgeber der Bischof schon immer war.
Von Anfang an war es ihm außerordentlich wichtig, als Zeichen der Wertschätzung, Menschen einzuladen und sie in einem festlichen Rahmen zu bewirten. Und so ist es auch heute wieder.“ Für Cornelia Platz beginnt nach dem Rücktritt ihres Chefs ein neues Zeitalter.
Pontifikalamt für die Mitarbeiter – so voll war der Dom schon lange nicht mehr
Für den derzeit am längsten amtierenden Bischof Deutschlands ist es ein Abschied von vielen seiner Wegbegleiter:innen in den 23 Jahren seiner Amtszeit. Die Abschiedsworte hat er bereits vor dem Mitarbeiterfest gesprochen - am Vormittag bei seinem festlichen Pontifikalamt, im übervollen Rottenburger Dom: „Es ist eine Stunde des Abschieds, aber es ist mir eine große Freude, dass so viele von Ihnen heute zugegen sind.“ Und nach der Predigt wiederholt er seine Wertschätzung für seine Mitarbeiter:innen: „Ich danke Ihnen, dass Sie Ihre, in Ihrer Ausbildung errungene Kompetenz, in Ihre Arbeit für die Kirche haben einfließen lassen.“
Seinen besonderen Dank adressiert er an Generalvikar Dr. Clemens Stroppel: „Ich möchte mich für die ganz besonders gute Zusammenarbeit in den vielen gemeinsamen Jahren und auch gerade in dieser turbulenten Zeit bedanken.“ Tief bewegt blickt Bischof Fürst noch einmal seine Mitarbeiter:innen an: „Ich verabschiede mich von Ihnen als Ihr Bischof, in großer Dankbarkeit. “
Auch Generalvikar Stroppel dankte den zahlreichen Menschen, die in den Dom gekommen waren, um sich von ihrem Bischof zu verabschieden. „Manche von Ihnen kennen keinen anderen Bischof als Bischof Gebhard. Sie alle haben sich in der Diözese eingesetzt. Was wären wir ohne Sie alle gewesen?“ Und Horst Eberhardt, Vorsitzender der Mitarbeitervertretung, erinnert in seiner Laudatio an die Zeit vor der Bischofswahl: „Herr Bischof, wir konnten Sie uns vor Ihrer Wahl gut als Bischof vorstellen. Und ich muss sagen: Sie haben unsere Erwartungen erfüllt.“
Das Bischöfliche Ordinariat wird zum lebendigen Festsaal
Später im Foyer und in ganzen Untergeschoss des Bischöflichen Ordinariats werden keine Reden gehalten, es wird nur noch gefeiert, geplaudert und persönlich Abschied genommen. Ein weihnachtlicher Glühweinduft empfängt die Gäste. Bischof Fürst steht mitten unter seinen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, junge und ältere, etwa genauso viele Frauen wie Männer. Er schüttelt zahllose Hände.
Ein wenig melancholisch sieht er aus, gleichzeitig sieht man dem Bischof seine Vorfreude an. Fast stolz erzählt er: „Ich habe für die Zeit nach meiner Emeritierung noch keinen einzigen Termin in meinem Kalender. Zuerst werde ich von meinen vielen Büchern die fünf bis zehn Prozent aussuchen, die ich nach Stuttgart mitnehmen werde“. Nach 23 Jahren Rottenburg wird Stuttgart nun sein neues Zuhause.
Im Foyer und im Rosengarten stehen für alle Mitarbeiter:innen leckere Speisen bereit, dazu Punsch und Glühwein. Der herzhafte Duft zieht durch alle Räume des Ordinariats, in kleinen und größeren Grüppchen stehen Kollegen und Kolleginnen in Partylaune zusammen. Martin Fischer von der pastoralen Konzeption beißt herzhaft in sein Fleischbrötchen. Ob er sich eine Diözese nach Bischof Fürst vorstellen kann? Martin Fischer: „Ich hatte bei meiner früheren Stelle schon immer wieder gemeinsame Projekte mit ihm und habe ihn immer auf Augenhöhe erlebt, als einen Menschen, der auch die Expertise seiner Mitarbeiter einholt. Mit Bischof Fürst geht ein Stück von meiner Berufsbiografie zu Ende. Die Situation, in der sich die Kirche gerade befindet, ist ernst. Ich freue mich für den Bischof, dass er jetzt auch Zeit für andere Dinge hat.“