Bischof

Einer, der „immer Mensch geblieben“ ist

Sagte seinen Mitarbeitenden im Dom zu Rottenburg adieu: Bischof Dr. Gebhard Fürst. Bild: Diözese Rottenburg-Stuttgart / Arkadius Guzy

Erst Pontifikalamt im Dom, dann Begegung im Ordinariat: Bischof Dr. Gebhard Fürst nimmt am Donnerstag tief bewegt Abschied von seinen Mitarbeitenden.

Vor dem wie ausgestorben wirkenden Bischöflichen Ordinariat weht eiskalt der Wind. In Rottenburg ist endgültig der Winter angebrochen. Vom Dom her nähern sich die ersten Gäste des Bischofs fröhlich plaudernd. Wenige Augenblicke später bewegt sich ein schier unendlicher Menschenstrom die engen Gassen hinauf zum normalerweise stillen Verwaltungsgebäude der Diözese, das sich heute in einen prächtigen Ort für ein familiäres Fest verwandelt hat.

Etwa 500 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und auch ehemalige Mitarbeitende des bischöflichen Gastgebers sind gekommen, um Abschied von Bischof Fürst zu nehmen. Die Stimmung ist fröhlich – auch wenn vielen der Abschied nach fast einem viertel Jahrhundert schwer fällt.

Ein großer Gastgeber feiert ein letztes Fest

Unter den Gästen ist Cornelia Platz, Sekretärin von Bischof Fürst seit seinem ersten Tag als Bischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Die entspannte Atmosphäre ist ihr nicht neu: „Es hat mich immer wieder sehr beeindruckt, welch ein hervorragender Gastgeber der Bischof schon immer war.

Von Anfang an war es ihm außerordentlich wichtig, als Zeichen der Wertschätzung, Menschen einzuladen und sie in einem festlichen Rahmen zu bewirten. Und so ist es auch heute wieder.“ Für Cornelia Platz beginnt nach dem Rücktritt ihres Chefs ein neues Zeitalter.

Pontifikalamt für die Mitarbeiter – so voll war der Dom schon lange nicht mehr

Für den derzeit am längsten amtierenden Bischof Deutschlands ist es ein Abschied von vielen seiner Wegbegleiter:innen in den 23 Jahren seiner Amtszeit. Die Abschiedsworte hat er bereits vor dem Mitarbeiterfest gesprochen - am Vormittag bei seinem festlichen Pontifikalamt, im übervollen Rottenburger Dom: „Es ist eine Stunde des Abschieds, aber es ist mir eine große Freude, dass so viele von Ihnen heute zugegen sind.“ Und nach der Predigt wiederholt er seine Wertschätzung für seine Mitarbeiter:innen: „Ich danke Ihnen, dass Sie Ihre, in Ihrer Ausbildung errungene Kompetenz, in Ihre Arbeit für die Kirche haben einfließen lassen.“

Seinen besonderen Dank adressiert er an Generalvikar Dr. Clemens Stroppel: „Ich möchte mich für die ganz besonders gute Zusammenarbeit in den vielen gemeinsamen Jahren und auch gerade in dieser turbulenten Zeit bedanken.“  Tief bewegt blickt Bischof Fürst noch einmal seine Mitarbeiter:innen an: „Ich verabschiede mich von Ihnen als Ihr Bischof, in großer Dankbarkeit. “

Auch Generalvikar Stroppel dankte den zahlreichen Menschen, die in den Dom gekommen waren, um sich von ihrem Bischof zu verabschieden. „Manche von Ihnen kennen keinen anderen Bischof als Bischof Gebhard. Sie alle haben sich in der Diözese eingesetzt. Was wären wir ohne Sie alle gewesen?“ Und Horst Eberhardt, Vorsitzender der Mitarbeitervertretung, erinnert in seiner Laudatio an die Zeit vor der Bischofswahl: „Herr Bischof, wir konnten Sie uns vor Ihrer Wahl gut als Bischof vorstellen. Und ich muss sagen: Sie haben unsere Erwartungen erfüllt.“

Das Bischöfliche Ordinariat wird zum lebendigen Festsaal

Später im Foyer und in ganzen Untergeschoss des Bischöflichen Ordinariats werden keine Reden gehalten, es wird nur noch gefeiert, geplaudert und persönlich Abschied genommen. Ein weihnachtlicher Glühweinduft empfängt die Gäste. Bischof Fürst steht mitten unter seinen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, junge und ältere, etwa genauso viele Frauen wie Männer. Er schüttelt zahllose Hände.

Ein wenig melancholisch sieht er aus, gleichzeitig sieht man dem Bischof seine Vorfreude an. Fast stolz erzählt er: „Ich habe für die Zeit nach meiner Emeritierung noch keinen einzigen Termin in meinem Kalender. Zuerst werde ich von meinen vielen Büchern die fünf bis zehn Prozent aussuchen, die ich nach Stuttgart mitnehmen werde“. Nach 23 Jahren Rottenburg wird Stuttgart nun sein neues Zuhause.

Im Foyer und im Rosengarten stehen für alle Mitarbeiter:innen leckere Speisen bereit, dazu Punsch und Glühwein. Der herzhafte Duft zieht durch alle Räume des Ordinariats, in kleinen und größeren Grüppchen stehen Kollegen und Kolleginnen in Partylaune zusammen. Martin Fischer von der pastoralen Konzeption beißt herzhaft in sein Fleischbrötchen. Ob er sich eine Diözese nach Bischof Fürst vorstellen kann? Martin Fischer:  „Ich hatte bei meiner früheren Stelle schon immer wieder gemeinsame Projekte mit ihm und habe ihn immer auf Augenhöhe erlebt, als einen Menschen, der auch die Expertise seiner Mitarbeiter einholt. Mit Bischof Fürst geht  ein Stück von meiner Berufsbiografie zu Ende. Die Situation, in der sich die Kirche gerade befindet, ist ernst. Ich freue mich für den Bischof, dass er jetzt auch Zeit für andere Dinge hat.“

Abschied von Bischof Dr. Gebhard Fürst

Jung und Alt verabschieden sich von Bischof Fürst

Unter den Gästen sind auch die jungen Ministrantinnen aus dem Pontifikalamt. Lilith Ulmer, Johanna Pantalitschka, Judith Neumeyer und Pauline Maurer stehen zusammen in der großen Menschenmenge und plaudern miteinander. Sie sind sich einig: „Wir sind traurig, denn da geht jemand, an den wir gewöhnt sind. Jetzt sind wir neugierig, wer der nächste Bischof wird.“ Später ergänzt die IT-Mitarbeiterin im Bischöflichen Ordinariat Thi Tuyet Lan Nguyen: „Ich kenne ihn schon seit meiner Jugend als Ministrantin in St. Moriz in Rottenburg. Das ist wie mit Papst Johannes Paul II. Man ist mit ihm aufgewachsen.“

Karin Schieszl-Rathgeb arbeitet seit 2001 für die Diözese, unter anderem zehn Jahre lang als Persönliche Referentin und Büroleiterin von Bischof Fürst. Seit März 2023 ist die Ordinariatsrätin auch Leiterin der Hauptabteilung Kirche und Gesellschaft. „Ich empfinde große Dankbarkeit. Er hat mich gefördert und auch gefordert. Und ich wünsche ihm, dass er nun Zeit hat, seinen vielfältigen Interessen nachzugehen und Kontakte zu pflegen, die vielleicht aufgrund seines herausfordernden Amtes als Bischof vielleicht manchmal zu kurz kamen.“ Bischof Fürst sei vor allem in gesellschaftspolitischen Fragen oft seiner Zeit voraus gewesen. Schon früh habe er angesichts des gesellschaftlichen Wandels den Begriff „von der Volkskirche zur missionarischen Kirche im Volk" geprägt.

Bischof Fürst – sein Engagement bleibt in Erinnerung

Bereits seit seinen ersten Monaten im Amt setzte er sich für den Erhalt der Schöpfung ein. Ebenso erkannte er bereits zu Beginn der „Nuller-Jahre", dass der sexuelle Missbrauch an Kindern und Schutzbefohlenen durch Geistliche und auch in Kinderheimen aufgedeckt, sanktioniert und aufgearbeitet werden müsse. Dies alles und auch die Einheit Europas lag ihm sehr am Herzen, weshalb er das Pilgern auf dem Martinus- oder Jakobsweg mit der politischen Botschaft eines geeinten und friedlichen Europas verband. Und trotz seines stressigen Arbeitstages sei er immer auch Mensch geblieben: „Manchmal kam zu mir ins Büro und sagte: „Riechen Sie, wie die Rosen vor dem Fenster duften?" - Ich denke, seinen großen Garten wird er vermissen.“

„Die Bewahrung der Schöpfung war eines seiner großen Themen.“ Sylvia Hank von der Hauptabteilung Weltkirche macht sich ihre Gedanken. „Dieser Schlusspunkt ist spannend, weil sich der Bischof immer auch für die Themen faire Umwelt, Nachhaltigkeit und Ökologie eingesetzt hat. Natürlich wird das ein Umbruch. Aber was der Bischof angestoßen hat, das wird Früchte tragen.“

Ein letzter Blick zurück

Ein letztes Mal geht Bischof Fürst durch die Menge seiner Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Das Lächeln in seinem Gesicht wirkt wehmütig. Alles hat ein Ende. Sein Abschiedsfest genauso wie seine Zeit als Bischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart. So langsam gehen auch seine Gäste wieder, entweder nach Hause oder an ihre Arbeitsplätze zurück.

Für Cornelia Platz endet bald eine lange Ära der Zusammenarbeit mit Bischof Gebhard Fürst und es beginnt die Zeit der Sedisvakanz bis zur Wahl eines Nachfolgers, der zweiten bereits für sie. Die Zusammenarbeit mit Bischof Fürst passte von Anfang an. „Zu Beginn war ich sicherlich noch etwas schüchterner als heute; doch unser Miteinander war in all den Jahren harmonisch und sehr vertrauensvoll. Ich durfte ihn als Bischof - sowohl hier im Büro, als auch bei ganz vielen sehr unterschiedlichen Begegnungen - kennenlernen und ich durfte ihn zudem auch als Mensch 'Gebhard Fürst' kennenlernen in vielen auch sehr persönlichen Situationen.“ Sie habe immer seine Energie bewundert, mit der er all die Jahre sämtliche Termine bewältigt hat. „Ich wünsche ihm von Herzen, dass er den 'Un-Ruhestand' in bester Gesundheit genießen kann.“

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