Es war erste Diözesanratssitzung mit Dr. Klaus Krämer als Bischof und Vorsitzender des Diözesanrats. Das Setting erinnerte an die Weltsynode – die Sitzordnung bewusst gewählt. Ganz im Sinne einer synodalen Kirche haben die Rätinnen und Räte an Rundtischen über anstehende Veränderungsprozesse beraten und diskutiert, sich über Demokratieförderung informiert und sich mit der Umsetzung des Synodalen Wegs in der Diözese beschäftigt.
Entwicklungsprozess
Rückläufige Mitgliederzahlen, damit verbunden sinkende Kirchensteuereinnahmen und der Rückgang des Pastoralen Personals – die Prognosen für die Zukunft machen deutlich, die Diözese Rottenburg-Stuttgart steht vor großen Herausforderungen. Das führte Generalvikar Dr. Clemens Stroppel anhand von Statistiken dem Gremium nochmals deutlich vor Augen.
Darauf Bezug nehmend erklärte Bischof Dr. Klaus Krämer in seiner Ansprache, die skizzierte Ausgangslage habe gezeigt, was passieren werde, wenn nichts passiert. Deshalb brauche es dringend Veränderungen, sowohl im strukturellen Bereich, wie auch in den pastoralen Schwerpunkten. Der Bischof betonte, er habe dafür jedoch keinen Masterplan, stattdessen wolle er diesen diözesanen Entwicklungsprozess mit einer breit angelegten Beteiligung der Gremien auf allen Ebenen, insbesondere des Diözesanrats, gestalten. „Wir werden bei allen Veränderungen eine synodal verfasste Kirche im Sinne des Rottenburger Modells bleiben, wir werden diese Veränderungen gemeinsam und auf synodale Weise angehen und wir werden Kirche Jesu Christi für die Menschen bleiben. In unserer Vision soll sichtbar werden, wozu und wofür wir Kirche sind. Sie soll Menschen ermutigen und bestärken.“
Im Anschluss hatten die Diözesanratsmitglieder Gelegenheit, in den Kleingruppen rund um die Tische intensiv zu diskutieren und ihre Beiträge zur Visionsarbeit einzubringen. Diese geistliche Visionsarbeit machte einen großen Teil der Sitzung aus. Begleitet wurde das Gremium dabei von Dr. Christiane Bundschuh-Schramm und Bärbel Strifler, Referentinnen in der Hauptabteilung IV – Pastorale Konzeption. Im Austausch in den Kleingruppen war das Synodale Hören ein wichtiger Bestandteil – anhören, wertschätzen, nicht kommentieren, hören, um zu lernen und zu verstehen und nicht um zu antworten.
Da die mit dem diözesanen Entwicklungsprozess verbundenen umfangreichen Arbeiten nur mit zusätzlichen Personalressourcen bewältigt werden können, hat der Diözesanrat in seiner Funktion als Kirchensteuervertretung zudem über einen Antrag von Generalvikar Stroppel zur Finanzierung beraten und mit deutlicher Mehrheit beschlossen, den Prozess mit rund 1,32 Mio. Euro bis 2029 auszustatten.
Demokratieförderung
Demokratie ist die Staatsform einer individuellen Freiheit und einer an den Menschenrechten orientierten Idee von Gerechtigkeit. Extremistische Gruppen fordern diese parlamentarische Demokratie und die synodalen, kirchlichen Prozesse heraus und gefährden den Zusammenhalt in der Gesellschaft.
Um diese Herausforderungen aktiv wahrzunehmen, Antworten darauf zu finden und Wege zu entwickeln, dem zu begegnen, wurde in der Hauptabteilung XI – Kirche und Gesellschaft, eine Stelle zur Gesellschaftspolitik und Demokratieförderung eingerichtet. „Denn in dieser Situation stehen wir als Kirche vor der zentralen Frage, wie können wir den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken, ohne selbst zur Polarisierung beizutragen?“ erklärte Ordinariatsrätin und Hauptabteilungsleiterin Karin Schieszl-Rathgeb in ihrer kurzen Einführung. Sie betonte, dabei gehe es nicht nur um öffentliche Zeichen und die Teilnahme an Demonstrationen, sondern um eine langfristige Stärkung der Demokratie durch Dialog und Begegnung. Der Auftrag der Kirche ergebe sich aus der biblischen Botschaft der Nächstenliebe, Gerechtigkeit und Frieden. „Diese Werte verpflichten uns, aktiv für den gesellschaftlichen Zusammenhalt einzutreten und Räume zu schaffen, in denen Dialog und Verständigung möglich sind – Orte, wo Menschen einander zuhören, voneinander lernen und gemeinsam eine gerechte und solidarische Gesellschaft mitgestalten. Unsere Kompetenz, Räume des Dialogs zu eröffnen, ist unser Beitrag zur Stärkung einer resilienten Gesellschaft und zur Förderung der Demokratie.“
Die zuständige Referentin Dr. Sarah Köhler stellte ihre Arbeit vor und informierte das Gremium über aktuelle Projekte. So lief beispielswiese auf den Social Media Kanälen der Diözese vier Wochen vor der Bundestagswahl eine Aktion, die sich klar von einer Politik im völkisch-nationalistischen Sinne abgegrenzt hat. Es war ein erster Beitrag, sich in dieser Zeit entschlossen für Demokratie einzusetzen und sich von antidemokratischen, menschenverachtenden Bestrebungen abzugrenzen. Ziel war, darüber aufzuklären, warum und wo sich rechtsextreme Positionen und katholische Soziallehre fundamental unterscheiden und unvereinbar sind. Zudem sollte darüber informiert werden, welche Kriterien eine Politik, die sich an der katholischen Soziallehre orientiert, erfüllen muss.
Es folgte ein reger Austausch im Gremium. Die Anregungen der Rätinnen und Räte sowie die mit der Aktion gesammelten Erfahrungen sollen nun in weitere politische Aktionen und Kampagnen im Netz einfließen. Angesichts der gegenwärtigen politischen Situation mit zunehmenden extremistischen Positionen befürwortet der Diözesanrat die Anliegen der Hauptabteilung und wird diese unterstützen.
Umsetzung des Synodalen Wegs in der Diözese – Es geht weiter
Nach Abschluss des bundesweiten Synodalen Weges fand am 12. und 13. Juli 2023 in der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart die Tagung „Wirksame Wegmarken – Mit unserer Kirche synodal in die Zukunft gehen“ statt. Dabei wurde auf den Synodalen Weg zurückgeblickt und gemeinsam die Möglichkeiten und Grenzen der Weiterarbeit und Umsetzung in der Diözese diskutiert. Die Ergebnisse wurden gebündelt und die Weiterverfolgung in der Diözese angeregt. Die Verantwortung als Anwalt für die Weiterarbeit und Konkretisierung wurde dabei dem Pastoralausschuss übertragen. Dieser hat in mehreren Sitzungen und in Abstimmung mit dem Geschäftsführenden Vorstand des Priesterrats, der Frauenkommission und dem Ausschuss Geschlechtergerechte Kirche unter Beteiligung des ehrenamtlichen Präsidiums und des Geschäftsstelle des Diözesanrats konkrete Handlungsschritte und -forderungen innerhalb der vier Themenbereiche „Macht und Gewaltenteilung“, „Priesterliche Existenz heute“, „Frauen in Diensten und Ämtern“ und „Leben in gelingenden Beziehungen“ erarbeitet und präzisiert. Beispielsweise gibt es konkrete Handlungsschritte wie synodale Prozesse mit Blick auf das Rottenburger Modell in der Diözese weiterentwickelt und Macht auf allen Ebenen geteilt werden könnten.
Nach diesem ausführlichen Beratungsprozess wurden die formulierten Ziele und Handlungsschritte im Diözesanrat vorgestellt, vom Gremium beschlossen und an Bischof Krämer übergeben – mit der Empfehlung diese zu überprüfen, sie mit der Diözesanleitung zu beraten und deren konkrete Umsetzung in der Diözese anzustoßen. Die Ergebnisse der Überprüfung der Ziele und Handlungsschritte und deren Beratung könnten dem Diözesanrat in der Sitzung im Juni oder gegebenenfalls im November 2025 präsentiert werden.
Blick in die Zukunft voller Zuversicht
Abschließend bedankte sich Bischof Krämer bei den Mitgliedern des Diözesanrats für die intensiven Beratungen. Er fahre mit einem sehr guten Gefühl zurück nach Rottenburg. Es sei eine sehr wichtige Sitzung gewesen, bei der erste bedeutsame Schritte für die Zukunft gemacht wurden. Er betonte, bei aller Skepsis und allen anstehenden Herausforderungen, die sich im Laufe des Veränderungsprozesses sicherlich an der einen oder anderen Stelle noch deutlicher zeigen werden, sei es wichtig, mit positiver Energie heranzugehen. „Und genau diese positive Energie schöpfen wir aus unserem Glauben. Eine Ressource, die nicht jede oder jeder zu Verfügung hat. Hier können wir als Christinnen und Christen in ganz besondere Weise tätig werden und auch mit Blick auf Demokratie ein Vorbild in unserer Gesellschaft sein. Denn unser Verständnis von Synodalität hat auch etwas mit Demokratie zu tun. Dass man nicht gegeneinander und ausgrenzend argumentiert, sondern dass man einander zuhört und ernst nimmt, aber dann eben auch zu klaren Entscheidungen kommt. Genau das wollen wir bei unserem Prozess erreichen. Wir wissen zwar noch nicht, wie es genau werden und was am Ende dabei herauskommen wird, aber wenn wir uns gemeinsam in dieser Grundhaltung auf den Weg machen, dann kann es nur gut werden. Ich bin sehr zuversichtlich und freue mich auf den gemeinsamen Weg.“