Brauchtum

Er lebt die Tradition

Alois Hertnagel sitzt in seinem Sägewerk auf einem Holzstapel und poliert seine Pickelhaube.

Sägewerksmeister Alois Hertnagel aus Laimnau poliert seinen Bürgerwehr-Helm vor dem Patroziniumsfest am Sonntag - Foto: DRS/Waggershauser

Alois Hertnagel freut sich schon auf die Feier des Kirchenpatroziniums im gewohnten Rahmen und auf die Prozession mit der Bürgerwehr.

Dass eine Kirchengemeinde Ende Juni am Fest der Apostelfürsten Petrus und Paulus das Patrozinium ihres Gotteshauses feiert, ist in der Diözese Rottenburg-Stuttgart keine Seltenheit. Wenn dabei aber wie an Fronleichnam Musikkapelle und Bürgerwehr, Spielmannszug und die anderen örtlichen Vereine den Pfarrer nach der Eucharistiefeier mit der Monstranz durch das Dorf geleiten, handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um Laimnau, das zur Seelsorgeeinheit Argental im Dekanat Friedrichshafen gehört.

Alois Hertnagel marschiert seit über fünf Jahrzehnten in Uniform und inzwischen als Unteroffizier mit dem Säbel mit. Bereits einige Tage zuvor poliert er seinen Helm, dass er nach nach zweijähriger Coronapause am kommenden Sonntag bei der Prozession besonders schön strahlt. "Der Ablauf war damals im Wesentlichen gleich wie heute", erinnert sich der 72-Jährige. Und er berichtet vom Exerzieren mit Marschmusik vor dem Gottesdienst, dem Präsentieren der Gewehre bei der Wandlung und dem Salvenschießen zu Ehren des Pfarrers nach der Prozession.

Mit Christus nicht um Geld verhandeln

Ein Gänsehautmoment sei für ihn jedes Mal bereits der Einzug in die Kirche. "Da fällt mein Blick auf das Kreuz von meinem Onkel Anton", erzählt Hertnagel. Der ledige Bildhauer, der zwischenzeitlich auch einer Ordensgemeinschaft angehörte, habe zwar eine eigene Wohnung gehabt, sei aber quasi Familienmitglied gewesen. Als der Künstler das große, aber doch feingliedrige Kruzifix mit den segnenden Händen im Sägewerk seines Bruders zusammengesetzt hatte und in der Kirche aufhängen ließ, sei der damalige Pfarrer zum Bezahlen vorbeigekommen.

3.500 Deutsche Mark sollte das Kunstwerk kosten, worauf der Pfarrer zu feilschen begann. "Mit Christus wird nicht gehandelt", habe der Onkel kurzerhand geantwortet und dem Pfarrer das Kreuz geschenkt. "Da war dann ein bisschen dicke Luft", erinnert sich Alois Hertnagel. Die scheint im Laufe der Zeit wieder verflogen zu sein, denn einige Jahre später verewigte sich der Künstler in der Kirche noch mit zwei Relieftafeln aus Holz, die die Patrone Petrus und Paulus zeigen und die - auch unter Mithilfe des Neffen - ihren Platz rechts und links des Kreuzes fanden.

Ist Tradition noch zeitgemäß?

Das Sägewerk in der Argentalstraße und das kirchliche Engagement, beides gehört bei den Hertnagels zur Familientradition. Sein Vater habe 70 Jahre lang im Kirchenchor gesungen und sei lange Zeit Mitglied des Kirchenstiftungsrates und später des Kirchengemeinderates gewesen, weiß Sohn Alois. Er habe damals beim modernen Neubau des Kirchenschiffes in den Jahren 1964/65, bei dem der Altar auf die Südseite rückte und von den Bankreihen umgeben wurde, wesentlich mitgewirkt. Heute betreibt Alois mit seinem Sohn Peter den Familienbetrieb. Dessen Frau Michaela arbeitet in der Seelsorgeeinheit als Gemeindereferentin, leitet den Kirchenchor und spielt die Orgel.

Tradition ist auch der Grund, weshalb Alois Hertnagel sich in der Bürgerwehr engagiert. Für seine lange Zugehörigkeit wird er am Samstagabend mit Coronaverspätung in einem Zapfenstreich geehrt. Mit Uniformen, dem Schießen der Gewehrsalven und dem Donnern der Kanonen hat er persönlich kein Problem. Dass das die Menschen in einer Unterkunft für urkainische Geflüchtete vermutlich anders empfinden, weiß er.

Segen ist dringend notwendig

Daher sei es für ihn wichtig gewesen, dass der Hauptmann der Bürgerwehr bereits vor Fronleichnam über eine ukrainisch sprechende Frau zu den Bewohnerinnen und Bewohnern Kontakt aufgenommen habe und über die dörflichen Bräuche gesprochen habe. Ursprüngliches Ziel der Vereinigung sei ja nicht der Angriff, sondern der Schutz der Menschen im Ort gewesen. "Die Bürgerwehr ist entstanden, als Horden von Raubrittern die Dörfer überfallen haben", betont Alois Hertnagel.

Aber auch in Laimnau ändern sich Traditionen. Zugezogene finden nur teilweise den Weg in die Vereine, der Frühschoppen nach der Prozession hat sich vom Kastanienbaumgarten der Wirtin Frieda Dillmann auf den Festplatz vor der Argentalhalle verlagert und das Kontaktknüpfen und Flirten unter jungen Menschen ins Internet. Für Alois Hertnagel ist es dennoch wichtig, dass das Patrozinium nach Corona wieder in gewohnter Weise stattfindet. "Den Segen brauchen wir alle dringend", gibt er zu bedenken. Den Segen Gottes und in Zeiten des Klimawandels den des Heiligen Petrus, der angeblich an seinem Festtag in Laimnau immer für schönes Wetter sorgt.

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