Gedenken

Erinnern und sich selbst auf den Prüfstand stellen

Enthüllung einer Gedenktafel für den Holocaust-Überlebenden und Bürgerrechtler Ranco Brantner in Ulm: (von links) Pfarrer Dr. Michael Estler, Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Dr. Nicola Wenge, Leiterin des Dokumentationszentrums Oberer Kuhberg Ulm, Natalie Reinhardt, Vorsitzende der Landesvertretung Deutscher Sinti und Roma Baden-Württemberg, und Oberbürgermeister Gunter Czisch. Foto: DRS/Jerabek

Eine Gedenktafel an der Wengenkirche erinnert an Ranco Brantner. Der Ulmer Sinto überlebte den Holocaust und stritt für Bürgerrechte und Anerkennung.

„Die Lebensgeschichte des Ulmer Sinto Ranco Brantner und seiner Familie steht stellvertretend für das Schicksal unserer Minderheit im Nationalsozialismus und die fortgesetzte Diskriminierung, der Sinti und Roma nach 1945 in der Bundesrepublik ausgesetzt waren. Gleichzeitig ist sie ein Manifest der Selbstermächtigung und ein Zeugnis für die lebensverändernde Kraft des Glaubens: Durch sein Engagement in der katholischen Kirche und seine Mitarbeit in der Bürgerrechtsbewegung deutscher Sinti und Roma fand Ranco Brantner einen Weg, seinem durch das Trauma der NS-Verfolgung zerrissenen Leben einen selbstbestimmten Lebensentwurf entgegenzusetzen“, sagte Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, bei der feierlichen Enthüllung der Gedenktafel.

Ranco Brantner lebte von 1972 bis zu seinem Tod im Jahr 1996 in Ulm und war Mitglied der Wengengemeinde. 1931 in Chemnitz als Sinto geboren, wurde er mit 13 Jahren aufgrund der NS-Rassenpolitik zwangsweise sterilisiert. 22 Angehörige der Familie wurden in verschiedenen Vernichtungslagern ermordet. Ranco Brantner überlebte den Holocaust. Seit Ende der 1970er Jahre engagierte er sich in der Bürgerrechtsbewegung der deutschen Sinti und Roma. Die offizielle Anerkennung des Völkermords an den Sinti und Roma im Jahr 1982 durch die Bundesregierung ist auch seinem Engagement zu verdanken.

Die Würde des Menschen mit Leben füllen

Ulms Oberbürgermeister Gunter Czisch skizzierte in einem Grußwort den langen Weg bis zur Anerkennung der im Nationalsozialismus an Sinti und Roma verübten Verbrechen und unterstrich die große Bedeutung der biografischen Erinnerung für eine gelingende historische Aufklärungsarbeit. Die Tafel solle aber nicht nur ein solches Zeugnis sein, sondern solle auch dazu anregen, sich selbst auf den Prüfstand zu stellen und die Würde des Menschen immer wieder neu mit Leben zu erfüllen, wünschte Czisch. Pfarrer Dr. Michael Estler sagte, das alte Portal der Wengenkirche, in dessen Nähe die Gedenktafel angebracht wurde, stehe symbolisch für die wechselvolle Geschichte dieses im Krieg zerstörten und dann neu gebauten Gotteshauses, zu dem auch das Schicksal der Menschen gehöre, die in der Umgebung der Kirche gewohnt haben.

Kraft aus dem Glauben geschöpft

Der Zentralratsvorsitzende Romani Rose erinnerte an den Rückhalt, den Ranco Brantner von vielen Mitgliedern seiner Gemeinde immer wieder erfahren habe, auch wenn sein Verhältnis zur katholischen Kirche nicht immer unbelastet gewesen sei. Gerne hätte Brantner als Diakon seelsorgerisch und durch soziale Arbeit für Sinti und Roma gewirkt - „sein Lebensapostolat" -, doch seine Bewerbung wurde abgelehnt. Gleichwohl blieb Ranco Brantner seiner Kirche immer treu verbunden. Seine tiefe Verwurzelung im Glauben habe ihm auch die Kraft gegeben, sich zu seiner Zugehörigkeit zur Minderheit zu bekennen, sagte Romani Rose.

Dass nun eine Tafel an Ranco Brantner erinnert und seinen Einsatz ehrt, gründet auf einer Initiative des Zentralrats und des Dokumentations- und Kulturzentrums Deutscher Sinti und Roma und wurde durch das Zusammenwirken von Wengengemeinde, Ulmer Stadtarchiv und Dokumentationszentrum Oberer Kuhberg verwirklicht. Das DZOK bewahrt den Nachlass Brantners auf.

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