Texte von Zeitzeugen und Opfern, die aus Ulm stammten, gewährten erschütternde Blicke auf die brutalen Misshandlungen von Sinti und Roma und auf die Menschenverachtung der nationalsozialistischen Rassenideologie. Zu den Zeugnissen, an die Pfarrerin Silke Stürmer und Dekan Ulrich Kloos in dem ökumenischen Gottesdienst erinnerten, zählten auch Gedanken von Ranco Brantner (1931-1996), der mehr als 20 Jahre Mitglied der Wengengemeinde war. „Gerade in unserer Zeit gilt es, laut zu werden und die Stimme zu erheben, wenn Politiker die Menschen in zwei Klassen einteilen", sagte Pfarrerin Stürmer in ihrer Predigt. Silke Stürmer ist Beauftragte für den Austausch mit Sinti und Roma in der Evangelischen Landeskirche in Württemberg. Dekanatskirchenmusiker Dr. Andreas Weil und die syrische Geigerin Rita Nakad „übersetzten" die Berichte und Gedanken sehr bewegend in die Musik.
Erschütternder Blick auf brutale Menschenverachtung
Im Anschluss an den Gottesdienst legten Pfarrerin Stürmer und Dekan Kloos Blumen an der Gedenktafel für Ranco Brantner an der Außenmauer der Kleinen Wengenkirche nieder. Kerzen für die Opfer wurden entzündet. Brantner, der von 1972 bis zu seinem Tod im Jahr 1996 in Ulm lebte, stammte aus Chemnitz und wurde mit 13 Jahren aufgrund der NS-Rassenpolitik zwangsweise sterilisiert. 22 Angehörige der Familie wurden in verschiedenen Vernichtungslagern ermordet. Ranco Brantner überlebte den Holocaust. Seit Ende der 1970er Jahre engagierte er sich in der Bürgerrechtsbewegung der deutschen Sinti und Roma. In seinem Glauben geprägt hat ihn die Teilnahme an einem Kurs der katholischen Erneuerungsbewegung Cursillo im Jahr 1970. Bei einem Treffen der Cursillo-Bewegung 1971 in Ulm lernte Ranco Brantner auch seine spätere Frau Maria kennen. Im April 2023 wurde die Gedenktafel enthüllt.