Corona

Erste öffentliche Messe seit Corona

Pfarrer Steffen Giehrl begrüßt die überschaubare Gemeinde in der Ravensburger Heilig-Kreuz-Kirche - Foto: DRS/Markus Waggershauser

Mit Mundschutz, Sicherheitsabstand und einer Minigemeinde in der Heilig-Kreuz-Kirche - ein Selbstversuch.

"Sie haben den Platz Nummer eins", erklärt die Mitarbeiterin im Pfarrbüro von Liebfrauen am Telefon. "Und vergessen Sie Ihren Mundschutz nicht", ergänzt sie. Ich habe eigentlich, seit ich mich erinnern kann, jeden Sonn- und Feiertag an einem Gottesdienst teilgenommen, wenn es irgendwie ging - bis Corona kam. Die ersten Wochen nach dem Lockdown und dem Verbot öffentlicher Liturgie schaute ich im Fernsehen und im Internet Eucharistiefeiern an. Das war, wie wenn ich in den letzten Jahrzehnten wegen Krankheit sonntags mal zu Hause blieb und mir so behalf.

Aber Brot und Wein nur am Bildschirm zu sehen und bei der Kommunion, was übersetzt Gemeinschaft bedeutet, alleine auf dem Sofa zu sitzen, kam mir immer unpassender vor. Ich entdeckte ansprechende Videoformate mit Bibeltexten, Predigten und schöner Musik speziell für Internetnutzer. Diese wurden seither meine Sonntagsbegleiter. Als ich dann erfuhr, dass in Ravensburg wieder gemeinsame Gottesdienste unter Auflagen möglich sind, griff ich gleich zum Hörer, um mich anzumelden.

Klebestreifen und Einbahnverkehr

Meine Motivation aber war nicht der Eindruck, dass ich in letzter Zeit geistlich verdurstet wäre. So sehr ich die Eucharistie schätze, so sehr weiß ich auch, dass das Wort Gottes in der Bibel Kraft gibt. Mich trieb eher die Neugier, wie sich so ein Gottesdienst mit Einschränkungen anfühlt. Kann ich als leidenschaftlicher Sänger den Mund halten, wenn die Orgel meine Lieblings-Osterlieder anstimmt? Ist trotz Hygiene- und Abstandsregeln so etwas wie Gemeinschaft mit Gott und den anderen in der Kirche spürbar - gerade bei der Kommunion?

Am Samstagabend steuere ich rechtzeitig vor 18 Uhr auf die Heilig-Kreuz-Kirche auf dem Ravensburger Sonnenbüchel zu, die zur Liebfrauengemeinde gehört. Paare und Einzelpersonen stehen mit genügend Abstand vor dem Eingang, während der Pfarrer mit den Ordnerinnen nochmals die Abläufe durchgeht. Dann dürfen wir rein. Nase-Mund-Maske drauf, Hände desinfizieren - ein inzwischen gewohntes Ritual. Ich betrete den mir vertrauten modernen Kirchenraum, den die Abendsonne in angenehm warmes Licht taucht. Schaffen es die Klebestreifen am Boden, die den Einbahnverkehr regeln, und die rot-weißen Absperrbänder auf den Sitzpolstern, diese Atmosphäre zu zerstören?

Und doch ist da Gemeinschaft

Die Helferin muss etwas suchen, bis sie Platz eins entdeckt und mich hinführt. Es ist dort, wo ich sonst auch sitze, wenn ich in dieser Kirche bin. Beim Blick nach vorne sehe ich die Markierungen nicht, die überall mindestens zwei Meter Abstand garantieren. Würde die Mesnerin, die das Messbuch auf den Altar legt, nicht Mundschutz und Handschuhe tragen, wäre alles wie immer. Als das Glöckchen läutet und die Orgel zu spielen beginnt, sind wir insgesamt etwa so viele Personen wie die Jünger mit Jesus im Abendmahlssaal. Nur hatten die vermutlich eine andere Sitzordnung.

Tatsächlich muss ich mich sehr zusammenreißen, als der Organist alleine das Glorialied singt und mit seinem Instrument begleitet. Aber mehr als mitsummen ist nach den derzeitigen Regeln nicht erlaubt. Ansonsten genieße ich die Dreidimensionalität der Kirche, die Weite, den Klang. Und ich merke, wie begrenzt Bildschirm und Lautsprecher trotz aller Technik sind. Diese Wirkung kommt nicht nur vom leeren Raum, den ich ja auch in den letzten Wochen hätte aufsuchen können. Obwohl ich die anderen Gottesdienstbesucher nicht näher kenne, spüre ich eine Nähe, eine Gemeinschaft.

Die Sache mit den Plätzen

Als es dann im Evangelium auch um Platzreservierungen geht, mischt sich ein seltsames Gefühl in mein bis dahin relatives Wohlbefinden. Die Plätze im Himmel, von denen der Bibeltext spricht, sind nochmals eine andere Kategorie. Aber was ist mit denen, die heute gerne zum Gottesdienst gekommen wären und abgelehnt werden mussten, weil die Liste voll war? Wäre es nicht für jemand anderen - vielleicht sogar ein Paar oder eine Familie - wichtiger gewesen hier zu sitzen, wo ich jetzt bin? Pfarrer Steffen Giehrl sagt, dass wir auch stellvertretend für die anderen feiern. Das möchte ich gerne tun und denke an die Menschen, denen ich mich verbunden fühle.

Jetzt bin ich gespannt, wie die Kommunionausteilung funktioniert. Sie ist in Sachen Hygiene sicher der heikelste Gottesdienstteil. Die Mesnerin verteilt Papierservietten auf das Ende der besetzten Bankreihen. In sicherem Abstand und mit Maske folgt der Kommunionhelfer, der mit einer Zange eine Hostie aus der Schale auf die Serviette legt und sagt: "Der Leib Christi.". Als er weit genug entfernt ist hole ich mir meine Hostie und nehme sie in den Mund. Jetzt spüre ich, was eine Fernsehmesse so nicht geben kann. Zur Kommunion gehören mehr Sinne als Auge und Ohr. Und diese Form mit der Serviette war unter den derzeitigen Möglichkeiten sicher die stimmigste.

Mein Fazit

Wäre ich vor drei Monaten in einen Gottesdienst gestolpert, wie ich ihn heute erlebt habe, wäre ich möglicherweise frustriert nach Hause gegangen. Wenn ich aber diese Eucharistiefeier mit dem vergleiche, wie ich mir einen Gottesdienst unter Corona-Bedingungen ausgemalt habe, bin ich positiv überrascht. Werde ich nun, solange die Einschränkungen gelten, jeden Sonntag live dabei sein - egal ob bei der Eucharistie oder einer anderen Form? Oder nutze ich weiter mediale Angebote? Ich weiß es noch nicht. Eine Option ist es aber auf jeden Fall.

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