Schon als Gemeindereferentin hat Lioba Diepgen erfahren, welche Möglichkeiten der Kontakt zu Schulen eröffnet. Die heutige Dekanatsbeauftragte für Kirche und Schule/Schulpastoral im Dekanat Heilbronn-Neckarsulm koordiniert nun das diözesanweite Projekt „Kirchengemeinden und (Grund-)Schulen“. Im Interview erklärt Diepgen, wie Kirche damit in der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen aktuell sein kann.
Frau Diepgen, wie hat sich der Kontakt zwischen Kirchengemeinden und Kindern in den vergangenen Jahren verändert?
Kinder und Jugendliche lassen sich nicht mehr auf langfristige Bindungen festlegen. Sie lassen sich nur für eine Sache gewinnen, wenn sie darin einen Sinn für sich erkennen, wenn es für sie selbst etwas bringt. Ich habe gute Erfahrungen mit Projekten gemacht, die nicht episch lang sind, sondern in denen Kinder und Jugendliche an zwei, drei Terminen Kirche kennenlernen. Kinder sind heute zeitlich viel verplanter als früher.
Ab dem Schuljahr 2026/2027 soll es zu all dem auch noch für neu Eingeschulte einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule geben.
Das ist ein Riesenthema. Es bedeutet, dass Kinder einen viel größeren Teil ihrer Freizeit in der Schule verbringen werden. Das wird das Gemeindeleben verändern. Schon jetzt wird es zum Beispiel immer schwieriger, alle Ministranten und Ministrantinnen zusammenzubringen. Neue Möglichkeiten eröffnen sich, wenn Kirchengemeinden auf Schulen zugehen.
Wie setzt die Initiative „Kirchengemeinden und (Grund-) Schulen“ hier an?
Das Ziel ist, dass der Kontakt zwischen Schule und Kirche vor Ort selbstverständlich wird. Die Initiative fördert die Kooperation von Kirchengemeinden und (Grund-)Schulen. Es geht dabei vorrangig um Grundschulen, weil es da beispielsweise durch die Erstkommunion noch Kontakte zwischen den Kirchengemeinden und Grundschulen gibt. Die Kooperation ist niederschwellig möglich.
Wer steckt hinter der Initiative?
Die Initiative geht aus von der Fachstelle Schulpastoral der Hauptabteilung IX – Schulen in Kooperation mit der Hauptabteilung III – Jugend, Hauptabteilung IV – Pastorale Konzeption und Hauptabteilung V – Pastorales Personal der Diözese Rottenburg-Stuttgart.
Wie unterstützt die Initiative die Kirchengemeinden?
Wir bieten Knowhow. Wir verschicken zweimal im Jahr einen Infobrief mit einem Ausblick darauf, was in den Schulen in der kommenden Zeit los ist, mit entsprechenden Materialien aus der Praxis für die Praxis. Das können etwa Materialien für die Umsetzung eines Prüfungssegens sein oder Ideen für einen Inseltag – Rückblick und Ausblick – der vierten Klassen.
Welche Beispiele, wie das Engagement der Kirchengemeinden aussehen kann, gibt es noch?
Kirchengemeinden können Schülerinnen und Schülern, die zuhause nicht die Umgebung dafür haben, Räume fürs Lernen zur Verfügung stellen. Eine Kirchengemeinde organisiert Lesepaten. Wichtig ist: Es geht um mehr als nur den Gottesdienst zum Schulanfang oder zu Weihnachten. Es geht bei der Initiative nicht um Katechese oder darum, dass der Pfarrer die Schule besucht, damit mehr Kinder in die Kirche kommen. Es geht darum, was die Kinder und Jugendlichen brauchen. Viele Themen für die Zusammenarbeit sind zusätzlich zu den spirituellen denkbar: Persönlichkeitsstärkung, Soziales, Klima.
Haben die Schulen überhaupt Interesse an der Zusammenarbeit mit der Kirche?
Interesse gibt es öfter als man denkt. Viele Schulen sind froh über ein sinnvolles und verlässliches Kooperationsangebot.
Wenn eine Kirchengemeinde aktiv werden will oder gar eine eigene Idee hat, an wen kann sie sich konkret wenden?
An die Beauftragte oder den Beauftragten für Kirche und Schule im jeweiligen Dekanat. In Dekanaten ohne diese sind Jugendseelsorger:innen, Jugendreferent:innen, Schulseelsorger:innen Ansprechpersonen. Sie haben auf dem Gebiet Erfahrung. Die Fachstelle Schulpastoral bietet mit diesem schulpastoralen Netzwerk Unterstützung und Begleitung bei der Umsetzung.
Manche Kirchengemeinde wird stöhnen: „Nicht noch ein Projekt.“
Kirche muss hingehen, wo die Menschen sind. Kirchengemeinden sind Teil des Sozialraums der Schulen. Darauf wollen wir mit der Initiative den Fokus legen.