Mit seiner Kirche hat Anton Seeberger in den vergangenen Jahren immer wieder gehadert, zuletzt als in diesem Frühjahr das Segnungsverbot für gleichgeschlechtliche Paare von der Glaubenskongregation in Rom bestätigt worden ist. Was er aber an seinem Dienst bis heute schätzt, ist es, Menschen in wichtigen Lebenssituationen begleiten zu dürfen. Und: „Ich darf das Evangelium leben und verkünden, das empfinde ich bis heute als großes Geschenk“, sagt Seeberger, der seit 21 Jahren in Stuttgart als Seelsorger wirkt. Sakramente feiern zu dürfen, „das ist mein Lebenselixier“.
Eigentlich wollte Anton Seeberger noch vor seinem Ruhestand ein homosexuelles Paar aus seiner Gemeinde segnen, doch Corona hat die Planungen über den Haufen geworfen. Es sollte ein Gottesdienst werden, von einem katholischen und einem evangelischen Pfarrer gemeinsam gefeiert, um den beiden Männern Gottes Segen mit auf ihren gemeinsamen Lebensweg zu geben. Die Familie des einen Partners aber konnte aufgrund der Pandemie nicht anreisen, die Segnungsfeier wurde verschoben. „Ich finde es wichtig, dass wir als Kirche Menschen einen Segen erteilen, die Verantwortung füreinander übernehmen möchten. In der Liebe eines Menschen zu einem anderen ist immer auch Gottes Liebe zu sehen“, sagt Anton Seeberger, seit März 2000 Pfarrer der Kirchengemeinde St. Konrad.
Dem Leben aufhelfen
Vor 39 Jahren ist Anton Seeberger in Rottweil zum Priester geweiht worden. In all den Jahren hat er sich vor allem von einer Norm leiten lassen: „Ich sehe es als meine seelsorgerliche Aufgabe an, dem Leben aufzuhelfen. Wo Leben behindert oder beschädigt wird, kann dies nicht dem Evangelium gemäß sein.“ Daran hat sich der 69-Jährige immer orientiert: während seiner Jahre als Krankenhausseelsorger in der Psychiatrie Rottweil, während der Zeit als Münsterpfarrer in Rottweil und auch während seiner 21 Jahre in Stuttgart. Daran orientiert sich Anton Seeberger auch jetzt: „Wenn ein Paar zu mir kommt, das bereit ist, gegenseitig Verantwortung zu übernehmen und respektvoll miteinander umzugehen und um Gottes Segen bittet, dann bin ich auch bereit, diesen zu erteilen - ganz unabhängig von Alter, Herkunft, egal ob heterosexuell oder homosexuell.“ Wie wichtig so ein Segen für ein Paar sein kann, das erlebt Seeberger jedes Jahr in der Valentinswoche beim Gottesdienst für erfahrene Paare. „Vor ein paar Jahren habe ich in diesem Gottesdienst zwei Frauen gesegnet. Die eine ist danach weinend auf mich zugekommen, weil sie zum erstem Mal das Gefühl hatte, dass ein Kirchenvertreter sie so annimmt wie sie ist.“
Ein kritischer Geist auch gegenüber seiner Kirche
Das Segnungsverbot aus dem Vatikan sieht er kritisch, aber auch die Unbeweglichkeit bei anderen Fragen wie dem Umgang mit geschiedenen Wiederverheirateten oder mit dem Thema Sexualität insgesamt. „In einer Ehe hat nach katholischer Lehre Sexualität keine andere Funktion als die Zeugung von Nachkommenschaft. Das kann ich als Pfarrer in der Ehevorbereitung heute keinem Paar mehr vermitteln. Das Kirchenrecht geht an der Lebenswirklichkeit der Menschen vorbei.“ Also nimmt der 69-Jährige in seinen Ehevorbereitungsgesprächen mit den Brautleuten die Liebe in den Blick, Respekt, gegenseitige Achtung, Verantwortung, Treue und Verlässlichkeit.
Auch in schweren Zeiten als Seelsorger da sein
Für Anton Seeberger ist es bis heute ein Geschenk, Menschen in wichtigen Lebensphasen begleiten zu dürfen, vor der Hochzeit, bei der Taufe eines Kindes, bei der Erstkommunion der Kinder und der Firmung der Jugendlichen. Wichtig ist ihm auch die Begleitung der Menschen in Krankheit, in der Sterbephase und in den Tod. „Den Menschen zu zeigen, ich bin da, auch in schweren Zeiten, das ist gelebtes Evangelium.“ Deshalb hat sich der Pfarrer immer Zeit genommen für Krankenbesuche in seiner Gemeinde, deshalb hat er sich in der Hospizarbeit engagiert. „Ich darf Anteil nehmen am Leben der Menschen, auch in schwierigen Zeiten, das ist ein ungeheures Privileg“, sagt Seeberger. An ihm als Pfarrer ist es dann, die Menschen zu bestärken, zu trösten, ihnen beizustehen und ihre Lebensgeschichten mit dem Evangelium und mit Gott in Verbindung zu bringen auf eine Weise, die bei den Menschen ankommt.
Trauerfeier für einsam Verstorbene ins Leben gerufen
Es gibt viele Themen, die sich durch das Priesterleben von Anton Seeberger ziehen. Da ist zum Beispiel der Umgang mit dem Tod. Zusammen mit seiner evangelischen Kollegin Eva Deimling hat Anton Seeberger im vergangenen Jahr die Trauerfeier für einsam verstorbenen Menschen ins Leben gerufen. „Wir haben als Kirche die Aufgabe, den Menschen einen Abschied in Würde ermöglichen“, sagt der Pfarrer von St. Konrad. Anton Seeberger ist es wichtig, auch die Menschen in den Blick zu nehmen, die am Lebensende von keinem Angehörigen begleitet werden. „Der Mensch ist nicht anonym und kann nicht einfach unbedacht aus dieser Welt verschwinden, als ob er nicht gewesen wäre. Er hat einen Namen, der für die Person und ihr Leben steht, vor Gott und vor uns als Mitchristen.“
Es ist die Leidenschaft für das Evangelium, die Anton Seeberger bis heute trägt. Der Kirche, in deren Diensten er seit 40 Jahren steht, wünscht er vor allem eines: die Fähigkeit zu Reformen und die Bereitschaft, sich zu verändern.