Missio

Es sind die Frauen, die die Welt besser machen könnten

Helen Hakena ist Friedensaktivistin und Frauenrechtlerin sowie preisträgerin des pazifischen Menschenrechtspreises, Nominierte für den Friedensnobelpreis 2005 und Preisträgerin des Individual Award on Gender Excellence 2007. Foto: DRS/ Nelly Swiebocki-Kisling

Frauen. Frieden. Sicherheit. Eine Veranstaltung von missio mit der mehrfach ausgezeichneten Preisträgerin Helen Hakena und Beata Phangthong von verdi.

Auf das kalte Wetter in Deutschland ist Helen Hakena nicht vorbereitet. Seit Tagen kämpft die kleine Frau auf ihrer Tour durch die Diözese Rottenburg-Stuttgart gegen einen Gegner, den sie nicht besiegen kann – den nasskalten Herbst in Deutschland.

Helen Hakena für den Weltmissionssonntag

Ansonsten hat Hakena ihr Leben erfolgreich dem Kampf gegen die Ungerechtigkeiten in der Welt gewidmet - dem Weltfrieden, den Menschenrechten und dem Klimaschutz. Helen Hakena ist katholische Umweltaktivistin, International ausgezeichnete Friedensstifterin und Frauenrechtlerin aus Bougainville in Papua-Neuguinea. Ihre Heimat ist von den Folgen des Klimawandels bedroht. Wenn sie nicht im Haus der Katholischen Kirche in Stuttgart spricht, ist die Präsidentin der katholischen Frauengemeinschaft der autonomen Region Bougainville im Pazifischen Ozean beim Weltklimagipfel in Dubai oder bei der UN in New York. Auf dem missio-Plakat wirbt Helen Hakena für den Weltmissionssonntag am 27. Oktober 2024.

Frauenrechte und die wichtige Arbeit der Frauen in Friedensprozessen

Am 15. Oktober ist Helen Hakena eine von zwei Referentinnen bei der Veranstaltung „Frauen. Frieden. Sicherheit“, der missio-Diözesanstelle Rottenburg-Stuttgart in Kooperation mit DEAB (Dachverband Entwicklungspolitik Baden-Württemberg), KDFB (Katholischer Deutscher Frauenbund), Ver.di und der ZEB. Die zweite Referentin ist Beata Phangthong, stellvertretende Landesbezirksfachbereichsleiterin und Gewerkschaftssekretärin sowie Leiterin des Fachbereichs Postdienste, Speditionen, Logistik bei verdi. Moderator ist missio-Diözesanreferent Ioan Brstiak.

Es geht um die wichtige Arbeit der Frauen in Friedensprozessen, die oftmals nicht gesehen wird, sowie um Frauenrechte – in Deutschland und weltweit. Ioan Brstiak fragt das Publikum, ob ein Land wie Deutschland berechtigt ist, Menschen in anderen Ländern Tipps zu Frauenrechten zu geben, wenn die Gleichstellung auch hier nicht gelingt. Er erinnert an das unbereinigte Gender Gap, das noch immer bei 18 Prozent liegt, Frauen für die gleiche Arbeit also 18 Prozent weniger pro Stunde verdienen als Männer.

Wegweisende Resolution 1325 zu Frauen, Frieden und Sicherheit

Doch zunächst spricht Helen Hakena, Preisträgerin des pazifischen Menschenrechtspreises, Nominierte für den Friedensnobelpreis 2005 und Preisträgerin des Individual Award on Gender Excellence 2007. Am Weltfrauentag, 8. März 2000, sammelte Helen Hakena 300.000 Unterschriften von Frauen und drückte Kofi Anan eine Petition in die Hand. Sieben Monate später, am 31. Oktober 2000, verabschiedete der UN-Sicherheitsrat die wegweisende Resolution 1325 zu Frauen, Frieden und Sicherheit. Zum ersten Mal bestätigte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, dass die Beteiligung von Frauen zur Schaffung und Erhaltung von Frieden nötig ist. Konfliktprävention, Friedensprozesse und Konfliktnachsorge wurden damit als Frauen- und somit Menschenrecht verstanden, sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt wurde nicht mehr als unvermeidbare Begleiterscheinung von Kriegen, sondern als Verbrechen eingestuft.

Großer Lob für missio

Hakena lobt, den weltweiten Einsatz von Deutschland für die Umsetzung der Agenda des UN-Sicherheitsrats „Frauen, Frieden und Sicherheit“. Vor allem aber die Rolle von missio: „Sie kommen nicht einfach und machen, was sie für gut heißen. Sie fragen uns, was wir brauchen und helfen, wo es nötig ist.“

Der Beitrag der Frauen wird heute nicht mehr beachtet

Helen Hakena stellt klar, dass es die Frauen sind, die das Zusammenleben in Familie, Kirche und Gesellschaft und auch in vielen Krisengebieten maßgeblich prägen. Dennoch erführen sie keine Gleichberechtigung mit den Männern in ihren Gemeinschaften. Hakena erzählt von ihrer Heimat, wo sie Mitbegründerin und leitende Direktorin der Leitana Nehan Women’s Development Agency (LNWDA) ist. Ihre Hauptziele bei der Gründung 1992 waren das Erreichen von Gender-Gleichheit sowie der Aufbau eines friedlichen Lebens für die Menschen in Bougainville während des Bürgerkriegs mit Papua-Neuguinea (1988 – 1998). Bei der Beendigung des Konflikts spielten die Frauen in Bougainville eine wichtige Schlüsselrolle. Heute ist Bougainville unabhängig von Papua Neuguinea und es herrscht Frieden. Helen Hakena ist enttäuscht: „Der Beitrag der Frauen wird heute nicht mehr beachtet. Noch immer kämpfen die Frauen darum, in die Friedensverhandlungen und in die Versöhnungs- und Aufbauprogramme einbezogen zu werden. Für eine Beteiligung in den Parlamenten sei die Zeit noch nicht reif, sagt man uns Frauen. Obwohl wir viel besser ausgebildet sind und mehr Frauen als Männer Universitäten besucht haben.“ Es seien die Frauen, die die Welt besser machen könnten, so Hakena.
 

„Ich glaube, dass ich eine einzigartige Begabung habe, Brücken zwischen Gemeinwesen und Behörden zu bauen, um ein friedlicheres Leben für die Menschen von Bougainville zu erreichen.“
Helen Hakena

Erst 1977 wurde die sogenannte „Hausfrauenehe“ abgeschafft

Beata Phangthong arbeitet in der Gewerkschaft in Baden-Württemberg im Bereich Logistik. Die gebürtige Polin erzählt vom Kulturschock, als sie vor 20 Jahren nach Deutschland kam und hörte, dass erst 1977 das Ehe- und Familienrecht, die sogenannte „Hausfrauenehe“, abgeschafft wurde, also die gesetzlich vorgeschriebene Aufgabenverteilung in der Ehe. Und dass Frauen bis 1958 ihre Ehemänner oder Väter um Erlaubnis fragen mussten, wenn sie ihren Führerschein machen wollten. Beata Phangthong sagt: „Das hat mich sehr schockiert! Diese Mentalität ist bis heute in den Betrieben spürbar.“

Heute setzt sie sich bei verdi für die Rechte der weiblichen Mitglieder in den Betrieben ein.

Es passiert - man redet nur nicht darüber

Beata Phangthong erzählt von den Diskriminierungen, die Frauen noch immer am Arbeitsplatz erführen: „Fast jeden Tag erreichen uns die Signale unserer Mitglieder. In einer Männerwelt haben es die Frauen sehr schwer.“

Die Gewerkschaft haben deshalb das feministische Empowerment Projekt RONJA ins Leben gerufen, das Zukunftsprojekt für Frauen unter 40 Jahren, die sich engagieren möchten. Die Gewerkschafterin betont, es gehe nicht um die Frauenquote. Um eine Position zu erreichen, seien die jeweiligen Kenntnisse ausschlaggebend, nicht das Geschlecht. Das wollten auch die gut ausgebildeten Frauen so. Dennoch würden ihnen auch menschenunwürdige Steine in den Weg gelegt. Frauen würden oft wie Sexualobjekte behandelt, verbal und körperlich sexuell belästigt und nicht ernst genommen. Kleine Konflikte würden einfach fallengelassen, weil Frauen sich nicht trauen, gegen diese Ungerechtigkeit vorzugehen. Beata Phangthong verrät: „Die Kommentare, die ich schon hören musste, würden sich die Männer bei keinem Mann trauen. In Deutschland ist alles geregelt, damit sowas nicht passiert. Aber es passiert. Man redet nur nicht darüber.“
Als Gewerkschaft trage man eine Verantwortung, sichere Arbeitsplätze für alle Mitglieder zu schaffen. „Ob es in den Unternehmen auch so gelebt wird, entscheiden aber die Unternehmen. In Deutschland muss sich noch die Mentalität der Menschen ändern,“ endet die Polin Beata Phangthong.

Helen Hakena war am 15.Oktober im Haus der Katholischen Kirche

Hakena erzählt die Hintergründe des Bürgerkriegs zwischen Bougainville und Papua-Neuguinea (1988 – 1998):

„Grund für den Aufstand in Bougainville war die umweltzerstörerische Panguna-Kupfermine des australischen Bergbaumultis Rio Tinto in Papua-Neuguinea, zu dem die Insel Bougainville damals gehörte. Die massiven Umweltzerstörungen und die sozialen Verwerfungen führten zu einem Bürgerkrieg. Der giftige Abfall wurde in unsere Flüsse geleitet, die unser Leben auf der Insel sichern, und vergifteten unsere Fische und unsere Trinkwasserreservoirs. Bananen- und Mangobäume trugen keine Früchte mehr. Unsere Regierung forderte eine Kompensation von Australien, doch sie hörten nicht auf uns. 99 Prozent der Gewinne der Kupfermine ging an Australien. Nur ein Prozent blieb bei uns. So begann zwischen Papua Neuguinea und Bougainville ein furchtbarer Krieg, der zehn Jahre andauerte und mehr als 20.000 Tote forderte.“ Die Frauen von Bougainville waren zunächst machtlose Opfer von Gewalt und Vergewaltigung. Auf der Insel brach die medizinische Versorgung zusammen. Bei einem Massaker 1990 mussten sie mit ansehen, wie ihre Männer gefoltert und gehängt wurden. Die Gegner wollten Söldner aus Afrika einsetzen, die den Menschen in Bougainville den Rest geben sollten.

Hakena sagt selbstbewusst: „Wir Frauen waren aber sehr resilient. Wir beteten für Frieden und organisierten einen Frauenmarsch nach Papua Neuguinea. Dazu mussten wir zunächst die Startbahn auf dem Flughafen eigenhändig vom Schutt befreien, um 105 Frauen in einen Flieger zu packen und nach Papua Neuguinea zu fliegen. Dort lebten wir mitten unter den Soldaten, sprachen mit dem Commander und zu den christlichen Soldaten, um sie zu überzeugen, diesen Krieg zu beenden.“ Mit den mobilisierten Frauen ging Hakena auch zum Premierminister in Port Moresby, der Hauptstadt von Papua Neuguinea. Der Marsch der Frauen war erfolgreich und ging in die Geschichte des Landes ein. Der Konflikt wurde beendet. Das autonome Bougainville wurde unabhängig von Papua Neuguinea.

Helen Hakena berichtet über die Folgen des Klimawandels

Helen Hakena warnt auch vor den Folgen des Abbaus von Kupfer, Lithium, Nickel und seltenen Erden in Papua-Neuguinea, die für neue Technologien der Energiewende in der westlichen Welt gebraucht werden. „Dieser Abbau führt in meiner Heimat zu Zerstörungen der Umwelt und der traditionellen Lebensweise der Menschen. Der Erlös des Abbaus kommt nicht bei den Menschen an. Damit wird nur der Wohlstand von einigen Unternehmen und Politikern gesichert. Wir brauchen aber einen gerechten Wohlstand für alle“, erinnerte sie die Gäste. Helen Hakena berichtet über die Folgen des Klimawandels für die Menschen in Bougainville und Ozeanien. Der steigende Meeresspiegel habe bereits jetzt gravierende Auswirkungen auf viele Gemeinschafen im Pazifik. Missio sei vor einigen Monaten vor Ort gewesen, da war ihre Insel noch am Stück. Heute ist die Insel durch Erosion geteilt. Von der Inselgruppe der Caterets Islands mussten die ersten Klimaflüchtlinge bereits nach Bougainville umgesiedelt werden.

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