Während seiner mehrtägigen Polenreise im Rahmen des Projekts „Friedensglocken für Europa“ hat Bischof Dr. Gebhard Fürst drei Glocken an ihre Heimatgemeinden zurückgeben. Das Thema Krieg und Vertreibung begleitete seine Delegation dabei nicht nur als Nachhall aus der Vergangenheit.
„Meine Mutter wurde in Elbing geboren“, sagte Winfried Kretschmann, Ministerpräsident von Baden-Württemberg, bei der Pressekonferenz in dieser Stadt. Er erinnerte daran, dass das Ermland die Heimat seiner Eltern gewesen sei. Der Ministerpräsident begleitete die Delegation aus der Diözese Rottenburg-Stuttgart auf einem Teil der Reise durch den Norden Polens.
Die Glocke aus Straszewo
Die Stadt Elbląg (Elbing) bildete die erste Station, an der die Glocke für Straszewo (Dietrichsdorf) übergeben wurde. Während sie vor der Kathedrale St. Nikolaus auf die Segnung wartete, sagte Jacek Jezierski, Bischof des Bistums Elbing, im Gottesdienst in der Kirche: „Die Glocke war Zeugin einer schwierigen Geschichte, aber auch Zeugin des Friedens und der Hoffnung.“ Er dankte dem Bischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Gebhard Fürst, für das Projekt „Friedensglocken für Europa“. Fürst erklärte: „Die Glocke hat die gemeinsame Geschichte beider Nationen erfahren und mitgeprägt.“ Die Glocke stifte nun Gemeinschaft, denn „ohne die Glocke wären wir heute nicht hier“.
Die Glocke war Zeugin einer schwierigen Geschichte, aber auch Zeugin des Friedens und der Hoffnung.
Bischof Jacek Jezierski
Der 300 Kilogramm schwere Klangkörper aus dem Jahr 1719 gehörte zu den schätzungsweise an die 100.000 Glocken, die ab 1940 auf Befehl der Nationalsozialisten aus dem ganzen damaligen Deutschen Reich der Rüstungsindustrie zur Verfügung gestellt werden mussten. Bei Kriegsende blieben davon nur etwa 16.000 Glocken in den Sammellagern übrig und konnten in den Folgejahren ihren Ursprungsgemeinden zurückgegeben werden. Für die ungefähr 1.300 Glocken aus den ehemals deutschen Ostgebieten war dies aus politischen Gründen nicht möglich. Sie wurden ab 1950 leihweise Gemeinden in der jungen Bundesrepublik zugewiesen. So kamen auch Glocken in die Diözese Rottenburg-Stuttgart - und eine Glocke aus dem heutigen Straszewo gelangte nach Oberesslingen.
Nach der Segnung der Glocke fuhr die freiwillige Feuerwehr aus Straszewo mit einem Pritschenwagen vor. Ein Kran der Feuerwehr Elbing hievte die Glocke auf die Ladefläche, um sie sogleich nach Straszewo zu transportieren. Denn dort wartete die ganze Ortsgemeinschaft schon, wie Franciszek Pielak sagte. Der 74-jährige Feuerwehrmann erklärte, dass ein Fest vorbereitet sei, um die Glocke zu empfangen. Eine Abordnung aus dem tschechischen Píšť (Sandau), wohin bereits im Herbst 2021 eine Glocke aus der Diözese Rottenburg-Stuttgart zurückgebracht worden war, verfolgte die Übergabe in Elbing.