„Wenn wir auch nicht direkt zusammen sind, so sind wir dennoch verbunden“. Das sagte Pater Jens Bartsch, stellvertretender Dekan im Dekanat Ostalb, beim Dekanatstag. Die große Anzahl an Teilnehmenden der Online-Veranstaltung zeigte das große Interesse am Thema: die Präsentation der Ergebnisse und die Auswertung des Kirchenentwicklungsprozesses „Kirche am Ort – Kirche an vielen Orten gestalten“.
Nicht weniger als 4000 Seiten Material, Abschlussberichte aus 202 von 278 Seelsorgeeinheiten der Diözese Rottenburg-Stuttgart, darunter natürlich auch jene aus dem Dekanat Ostalb, lieferten das Ergebnis für die Präsentation mit interessanten Erkenntnissen. Der Kirchenentwicklungsprozess „Kirche am Ort“ (KiamO) hat so manche Gemeinde dazu gebracht, Neues zu wagen und lange Liegengebliebenes anzupacken. „Zum Beispiel das Thema Digitalisierung“, erläuterte Janka Höld. Sie ist Diözesanreferentin für den KiamO-Prozess und referierte auf Einladung der Dekanatsreferenten Romanus Kreilinger und Tobias Kriegisch beim Dekanatstag.
Kirchlicher „Frühschoppen“ online
Der traditionell durchgeführte Dekanatstag hat erst im vergangenen Jahr eine „Umfirmierung“ erlebt. „Wir haben aus dem Männer-Dekanatstag einen Dekanatstag gemacht“, so Tobias Kriegisch. Dieses Format ist eine Art politischer, gesellschaftlicher oder auch kirchlicher „Frühschoppen“, bei dem regelmäßig prominente Gäste eine Plattform finden.
Auch wenn der Dekanatstag in diesem Jahr online stattfinden und das traditionelle Weißwurstfrühstück in gewohnter Form ausfallen musste, so war dennoch das Interesse an den Inhalten sehr groß. Der Vormittag begann mit der Übertragung einer Andacht aus der Tagungshauskapelle Schönenberg mit Katechesereferentin Sr. Marie-Catherine Müller und Pater Jens Bartsch.
Neue Projekte angestoßen
Was bleibt aus fünf Jahren Kirchenentwicklungsprozess? „Es wurden neue Projekte angestoßen und das Netzwerk mit weltlichen Partnern, wie Einrichtungen und Schulen, ausgebaut“, berichtete Janka Höld. Außerdem ist die Erkenntnis gewonnen worden, dass die Seelsorgeeinheiten in der Diözese auf ganz unterschiedlichem Stand und auch verschieden ausgerichtet sind. Überfälliges ist während des Prozesses angepackt worden, so zum Beispiel die Einrichtung einer Homepage auf Seelsorgeeinheitsebene oder die Schaffung eines ansprechenden, modernen Gemeindeblattes. Das Zusammenwachsen der Gemeinden sei durch den Prozess gefördert worden, so Janka Höld.
Die Ergebnisstudie brachte aber auch Defizite hervor. So läutete der KiamO-Prozess nicht den erhofften Richtungswechsel ein. „Es fand in der überwiegenden Anzahl der Gemeinden keine Erschließung neuer kirchlicher Orte statt“, konstatierte Höld. Es gebe viel Beharrung und Zukunftsangst beim Ansprechen und bei der Einbindung bestimmter Zielgruppen. Erschwerend kam während des Prozesses die zu offene und als unklar empfundene Zielsetzung hinzu. „Das hat dazu geführt, dass in unserem Dekanat manche Seelsorgeeinheiten den Prozess gar nicht aufgenommen oder nicht zu Ende gebracht haben“, sagte Tobias Kriegisch.
Wunsch nach individueller Seelsorge
Bei der Auswertung von bereits bestehenden Angeboten fällt auf, dass Familien und Kinder stark im Blick der Kirchengemeinden sind, junge Erwachsene und Menschen in Trauer jedoch nur wenige seelsorgerliche Angebote finden können. „Der Wunsch nach einer individuellen Seelsorge lässt sich aus den Ergebnissen ablesen“, interpretierte die Referentin.
Die Kritik der Kirchenbasis geht in Richtung Kirchenführung: zu wenig Personal, zu wenig Entscheidungsbefugnis. Auch eine zum Teil völlig fehlende Kultur des Ehrenamts, was die Qualifizierung, die Begleitung, Wertschätzung und Supervision betrifft, brachte die Ergebnisstudie zu Tage. „Wir brauchen eine Kirche im Alltag“, resümierte Romanus Kreilinger.