Missbrauch

Neue Verordnung tritt am 1. Januar in Kraft

Der Ständige Rat der Deutschen Bischofskonferenz hat am Dienstag die Weiterentwicklung des Verfahrens zur Anerkennung des Leids abgeschlossen.

"Ich bin froh, dass die Verfahrensordnung zur Anerkennung des Leids endlich beschlossen ist, so dass wir ab 1. Januar 2021 an ihre Umsetzung gehen können", sagt Bischof Dr. Gebhard Fürst. "Entsprechende Gelder für die Betroffenen des sexuellen Missbrauches stehen in der Diözese Rottenburg-Stuttgart zur Verfügung. Wir werden dazu aber, wie von mir angekündigt, keine Kirchensteuermittel verwenden."

Der Ständige Rat der Deutschen Bischofskonferenz hat am Dienstag die Weiterentwicklung des Verfahrens zur Anerkennung des Leids abgeschlossen. Ausgangspunkt ist die im Herbst 2018 veröffentlichte Studie „Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“ (MHG-Studie).

Die Frühjahrs-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz 2020 hatte neun Grundsätze für die Weiterentwicklung des Verfahrens beschlossen. Die Herbst-Vollversammlung 2020 klärte weitere Detailfragen zur Anerkennung des Leids. Am Dienstag ist die Verfahrensordnung verabschiedet worden. Sie tritt zum 1. Januar 2021 in den (Erz-)Diözesen in Kraft und löst das bisherige, seit 2011 praktizierte Verfahren zur materiellen Anerkennung erlittenen Leids ab. In dessen Rahmen wurden rund 2.400 Anträge bearbeitet.

Neue Verfahrensordnung zur Anerkennung des Leids

In der Präambel zur Verfahrensordnung heißt es: „Sexueller Missbrauch an Minderjährigen sowie an schutz- oder hilfebedürftigen Erwachsenen – gerade wenn Kleriker, Ordensleute oder Beschäftigte  im kirchlichen Dienst solche Taten begehen –, erschüttert  nicht selten bei den Betroffenen und ihren Angehörigen sowie Nahestehenden und Hinterbliebenen das Grundvertrauen in die Menschen und in Gott. In jedem Fall besteht die Gefahr schwerer physischer und psychischer Schädigungen. Erlittenes Leid kann nicht ungeschehen gemacht werden.“

Durch die materiellen Leistungen soll gegenüber den Betroffenen zum Ausdruck gebracht werden, dass die Bistümer Verantwortung für erlittenes Unrecht und Leid übernehmen. Dabei liegt die erste Verantwortung zur Erbringung von finanziellen Leistungen beim Täter. Überdies werden die Leistungen in Anerkennung des Leids durch die (Erz-)Diözesen als Zeichen der institutionellen Mitverantwortung erbracht. Zugleich wird so sichergestellt, dass Betroffene auch dann Leistungen erhalten, wenn nach staatlichem Recht vorgesehene Ansprüche gegenüber dem Beschuldigten wegen Verjährung oder Tod nicht mehr geltend gemacht werden können.

Das Verfahren zur Anerkennung des Leids gliedert sich in fünf Schritte:

  1. Personen, die als minderjährige oder erwachsene Schutzbefohlene sexuellen Missbrauch erlebt haben, wenden sich an die unabhängigen Ansprechpersonen einer (Erz-)Diözese.
  2. Die unabhängigen Ansprechpersonen führen ein Gespräch und können beim Ausfüllen des Antragsformulars unterstützen.
  3. Der Antrag wird von der Ansprechperson oder der Diözese an die Unabhängige Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA) weitergeleitet.
  4. Die Unabhängige Kommission legt eine Leistungshöhe fest und weist die Auszahlung an Betroffene an.
  5. Die Geschäftsstelle der Unabhängigen Kommission informiert die betroffene Person sowie die zuständige Diözese und zahlt die festgelegte Summe direkt aus.

Unabhängige Kommission ist interdisziplinär besetzt

Zur Transparenz und Unabhängigkeit des neuen Verfahrens trägt insbesondere die UKA bei. Ihr gehören sieben Frauen und Männer an. Sie ist interdisziplinär mit Fachleuten aus Medizin, Recht, Psychologie und Kriminologie besetzt. Die Mitglieder stehen in keinem Anstellungsverhältnis zu einer (Erz-)Diözese oder einer anderen kirchlichen Einrichtung und arbeiten weisungsunabhängig. Die Mitglieder der UKA werden für ihre Aufgabe vom Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz ernannt. Ihre Namen werden nach der konstituierenden Sitzung auf der Internetseite www.dbk.de veröffentlicht.

Ausgewählt wurden die Mitglieder der UKA von einem mehrheitlich nichtkirchlichen Personenkreis. Neben Bischof Dr. Stephan Ackermann gehörten diesem Kreis Dr. Manuela Stötzel (Leiterin des Arbeitsstabes des UBSKM), Staatsministerin a. D. Roswitha Müller-Piepenkötter (Bundesvorsitzende des Weißen Rings a. D.) und Robert Köhler (Verein Ettaler Misshandlungs- und Missbrauchsopfer) an.

Nach der beschlossenen Verfahrensordnung können Betroffene verschiedene Leistungen erhalten. Die UKA kann, orientiert an Schmerzensgeldzahlungen, Leistungen von bis zu 50.000 Euro festlegen. Bei besonders schweren Härtefällen sind höhere Leistungen oder anderweitige Unterstützungen mit Zustimmung des zuständigen (Erz-)Bistums möglich. Zusätzlich können – wie bisher – Kosten für Therapie- und/oder Paarberatung übernommen werden. Personen, die bereits in der Vergangenheit einen Antrag gestellt und Leistungen erhalten haben, können einen erneuten Antrag stellen. Für diese Personen gibt es ein verkürztes Antragsverfahren.

Unterstützungsfonds für Betroffene von Orden

Von großer Bedeutung ist die Gleichbehandlung von Betroffenen, die neben den Bistümern auch die rechtlich unabhängigen Ordensgemeinschaften umfasst. Die Bischöfe haben deshalb bei ihrer Frühjahrs-Vollversammlung 2020 beschlossen, dass zur Sicherstellung von Leistungen an Betroffene eine Solidarkomponente vorgesehen ist, damit Orden nötigenfalls bei der Finanzierung von Anerkennungsleistungen unterstützt werden können.

Die Deutsche Ordensobernkonferenz (DOK) und Vertreter einzelner Orden haben verschiedentlich das gemeinsame Ziel bekräftigt, ein einheitliches Verfahren zur Anerkennung des Leids umsetzen zu wollen. Der Ständige Rat hat dementsprechend die Einrichtung eines subsidiären und nachrangigen Unterstützungsfonds beschlossen. Die Orden, die am weiterentwickelten Verfahren teilnehmen, finanzieren die durch die UKA festgesetzten Anerkennungsleistungen grundsätzlich selbst und haben nur subsidiär, unter bestimmten Kriterien, Zugang zum Unterstützungsfonds.

Betroffenenbeirat

Bischof Dr. Stephan Ackermann hat den Ständigen Rat darüber informiert, dass der Betroffenenbeirat der Deutschen Bischofskonferenz seine Arbeit aufnehmen konnte und die konstituierende Sitzung Anfang November 2020 stattgefunden hat.

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