Brauchtum

Funkenfeuer - Hexenverbrennung oder germanischer Kult?

Menschen stehen ums brennende Funkenfeuer.

Der Funken auf der Anhöhe bei der St.-Christina-Kirche in Ravensburg brennt dieses Jahr schnell lichterloh - Foto: DRS/Markus Waggershauser

Stephan Wiltsche bringt aus historischer Perspektive Licht in die Gerüchte um das Brauchtum am ersten Fastensonntag.

Am Abend des ersten Fastensonntags und neuerdings auch schon am Samstagabend lodern im Allgäu, in Oberschwaben und auch in anderen Regionen traditionell Funkenfeuer. Publikationen, Ansager und "die Leute" sprechen dabei immer wieder von einem vorchristlichen Brauch zur Vertreibung des Winters. Eine Deutung, die auch für die Fasnet insgesamt herangezogen wird. Gemeindereferent Stephan Wiltsche arbeitet als Dekanatsreferent und Klinikseelsorger in Wangen im Allgäu und engagiert sich dort als Ortsheimatpfleger. Er hat historische Quellen zum Thema studiert. Seine Erkenntnisse dokumentieren wir hier auszugsweise.

Was ist ein Funkenfeuer und wo wird es entzündet?

Das Abbrennen von Reisighaufen oder kunstvoll aufgeschichteten sogenannten Funkenfeuern mit dem Verbrennen einer Strohfigur am Sonntag nach Aschermittwoch ist ein sehr alter Brauch. Er ist belegbar von mittelalterlichem Gepräge. Man trifft ihn vor allem in den ehemals katholischen Landschaften des Allgäus an, auch in Vorarlberg, Liechtenstein, dem Tiroler Oberland und dem Vinschgau. Weiter werden in Teilen der Schweiz, der Heuberg-Baar, dem Schwarzwald und Teilen der schwäbischen Alb Funken verbrannt.

Auch in den Gebieten des ehemaligen Burgund wird das Brauchtum ausgeübt, heute also in Ostfrankreich, Südbelgien und dem angrenzenden Rheinland. In Österreich ist der Brauch seit 2010 zu einem nationalen immateriellen Unesco-Kulturerbe erklärt worden. In vielen Orten haben sich eigens Funkenzünfte gegründet, die das Brauchtum am Leben erhalten. Oftmals werden diese auch privat gebaut oder durch Vereine und Verbände wie Kolping und Landjugenden veranstaltet.

Geht das Funkenverbrennen auf germanische oder keltische Ursprünge zurück?

Das Funkenverbrennen kann als ein Schwellenereignis zwischen der christlich motivierten Fasnacht und der österlichen Fastenzeit gekennzeichnet werden. Ob es ältere Bezüge gibt, die das Christentum in seinen Festkreislauf inkulturiert hat, ist nicht völlig auszuschließen, bleibt jedoch gänzlich unbelegt. Trotzdem gab und gibt es immer wieder Spekulationen, dass es sich beim Funkenfeuer um eine Reminiszenz an einen vorchristlichen, paganen (heidnischen) Frühjahrskult handele. Manche behaupten dies sogar felsenfest.

Hier wird dann beispielsweise der Beginn des römischen Neujahrs am 1. März mit dem Funkensonntag in Zusammenhang gebracht. Auch werden immer wieder in den Funkenbrauch germanische oder keltische Bezüge einer Winter- oder Dämonenaustreibung hineinkonstruiert. Letztlich sind alle diese Überlegungen quellenlos, bleiben hochspekulativ und unbelegt. Was man jedoch mit Sicherheit sagen kann, ist, dass es sich beim Funkenverbrennen um einen Brauch im Kontext des kirchlichen Jahreskreises handelt.

Woher kommt diese mythologische Deutung und was hat das mit der Nazi-Ideologie zu tun?

Sie taucht ab der Mitte des 19. Jahrhunderts auf. Diese Zeit war geprägt vom Interesse einer nationalen, deutschen Identitätssuche. Der sogenannte mythologische Ansatz, wo allerorten germanische Ursprünge behauptet wurden, sollte dem politisch zersplitterten deutschsprachigen Gebiet eine innere Einheit verleihen. Auch wenn dieser politisch motivierte Ansatz der Romantik in der heutigen europäischen Volkskunde keine nennenswerte wissenschaftliche Bedeutung mehr hat, bleiben die Behauptungen selbst populärwissenschaftlich en vogue.

Nicht unerheblich trugen dazu die Nationalsozialisten bei. Sie germanisierten das Funkenabbrennen (und genauso die Fasnacht und andere archaisch wirkende Brauchtümer) vollends und deuteten es als paganen Ritus der Winter- und Dämonenaustreibung um. Emotional wirkende Fakelaufmärsche und Gedenkfeuer wurden pseudoreligiös überformt und im Sinne der Nazis instrumentalisiert. Die durch eine Vielzahl an schriftlichen Quellen bestens nachzuweisenden christlichen Wurzeln des Brauches und die Forschungen dazu wurde hingegen bewusst ignoriert und negiert.

Die falsche, nazifizierte Deutung der mythologischen Winteraustreibung hält sich bis heute beinahe unausrottbar. Die unbelegten Behauptungen wurden dabei so oft wiederholt, dass sie heute den Rang einer selbstverständlichen Wahrheit bekommen haben. Viele Brauchausübende selbst, Journalisten und neuerdings Touristiker sind überzeugt vom urtümlich germanischen oder wahlweise einem neuerdings hinzukommenden keltisch-druidischen Ursprung des Brauches. Die Deutung des Funkenbrauchs bräuchte dringend eine Entmythologisierung und Entnazifizierung.

Haben Funkenfeuer einen Bezug zur christlich geprägten Fasnacht und warum brennen sie dann nach Aschermittwoch?

Wie fest das Funkenfeuer verbunden ist mit einem mittelalterlich-christlichen Kontext, zeigt sich an mehreren Stellen. Auffällig ist, dass der Funkensonntag kalendarisch nicht wie ein Jahrzeitenfest an ein feststehendes Datum gebunden ist, sondern terminlich variiert mit dem Osterfest und seinem 40-tägigen Fastenvorlauf sowie dem nochmals vorgelagerten Brauchkomplex der Fasnacht. Das Funkenverbrennen stellt schlicht das rituelle Verbrennen der Fasnacht dar.

Ursprünglich war das Ende der Fasnacht nicht am Fasnachtsdienstag, sondern tatsächlich am darauf folgenden „Funkensonntag“. Das alte Ende der Fasnacht wird schon 1090 n. Chr. im Benediktinerkloster Lorsch erstmals mit einem Feuerbrauch nachweisbar. Die regionale Bischofssynode von Benevent beschloss 1091 n. Chr., dass die Sonntage der Fastenzeit als kleine „Osterfeste“ nicht zu den Fastentagen zu zählen seien. Um quantitativ die 40 Tage bis zum Osterfest halten zu können, rückte man den Beginn der Fastenzeit deshalb vor auf den heutigen Aschermittwoch. Der Tag des Feuerbrauchs blieb jedoch weiter an seinem alten Termin liegen. So stellt der Funkensonntag bis heute das Ende der „Alten Fasnacht“ oder „Bauernfasnacht“ dar.

Gibt es einen Zusammenhang zwischen Funken und Hexenverbrennung?

Um es gleich im Voraus zu sagen: Die Figur, die auf dem Funkenfeuer verbrannt wird, hat in keiner Weise etwas mit den schrecklichen Feuern der unseligen Hexenverfolgungen zu tun. Sie ist auch nicht der personifizierte Winter, wie in den mythologischen Spekulationen falsch behauptet wird. Vielmehr handelt es sich im oben beschriebenen Kontext um das symbolische Verabschieden von der Fasnacht. Ab dem Ende des 15. Jahrhundert wurde das zeichenhafte Verbrennen einer Strohpuppe üblich, welche die personifizierte Fasnacht – den Narr – darstellen sollte.

Der Narr ist, biblisch begründet, im Mittelalter der gottvergessene Mensch, die Fasnacht galt als gottabgewandte Zeit. Diese Zeit ist nun zu Ende. Der Mensch soll sich nun wieder ganz zu Gott hinwenden. Die närrische, schlemmende, verruchte, gottferne Figur der Fasnacht wird symbolisch in der Funkenfigur verbrannt. Dass daraus in vielen Fällen eine Hexe geworden ist, ist eine Brauchentwicklung, die man im ursprünglichen Deutungshorizont als Verbrennung des Widergöttlichen durchaus nachvollziehen kann. Wo diese Deutung jedoch nicht mehr vorhanden ist, kann die brennende Hexe durchaus missverständlich sein und eine falsche Interpretation als Frauenverbrennung erfahren.

Wie kommt das typische Gebäck zum Funkensonntag?

Es ist ein Beleg für die Zugehörigkeit zur christlich geprägten Fasnacht. Die sogenannte „Funkenringe“ sind ein regionales Unikum und kommen am Funkensonntag nur noch im württembergischen und bayerischen Westallgäu vor. Die ringförmig geformten Zopfbrote werden dabei auf den Tisch gelegt und die versammelte Gesellschaft würfelt um deren Besitz, bevor sie dann verspeist werden. Pieter Bruegel der Ältere hat schon 1559 in seinem Bild „Der Kampf zwischen Karneval und Fasten“ das Würfeln um Fasnachtsgebäck festgehalten.

Dabei ist der „Funkenring“ ein klassisches Gebildbrot und spiegelt das fasnächtliche Gehabe mit bretzel- und ringförmigen, eierhaltigen Feinbroten. Ebenso verweisen das Auftreten von Schmalzgebäck, sogenannte „Funkenküchle“ und „übers Knie Zogene“ auf fasnächtliches Brauchtum. So wird der Funkensonntag in Vorarlberg „Küachlisonntag“ oder „Holepfannsonntag“ genannt. Eier und Schmalz sind neben dem Fleisch tierische Lebensmittel, die in der Fastenzeit – dem strengen Fast- und Abstinenzgeboten geschuldet – nicht verspeist werden durften. Sie wurden eben darum noch rechtzeitig und lebensfroh „vernichtet“.

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