Gottesdienst

Gänsehaut zwischen Zumutung und Zuwendung

Die "Resonanz-Messe" will "Zeit für Beziehung" ermöglichen - für Singles, Paare und Familien. Foto: DRS/Jerabek

Was kommt bei mir zum Klingen? Ein neues Gottesdienstformat regt dazu an, sich Zeit zu nehmen für Beziehung – zu Gott, sich selbst und anderen.

Eine Kerze für jede Teilnehmerin und jeden Teilnehmer brennt vor dem Altar; zusammen bilden sie Konturen einer Hütte. Ein Symbol für das Haus Gottes, das dort entsteht, wo Menschen für ihn brennen? Ein Anklang an das Evangelium von der Verklärung Jesu und dem frommen Wunsch des Petrus, die Herrlichkeit Gottes in Hütten zu „fixieren“? Auf jeden Fall ein vertrautes Bild, ein Raum und eine Einladung, sich Zeit zu nehmen, um über Beziehung(en) nachzudenken, um in sich nachzuspüren, was zum Klingen kommt und was Resonanz erzeugt, wie Dekanatsjugendseelsorgerin Birgit Brunnquell zu Beginn dieses besonderen Gottesdienstes erläutert: eine Resonanz-Messe, „wo Singles, Paare, Familien, Menschen jeden Alters herzlich willkommen sind und sich wohlfühlen; wo sie ihre Beziehung untereinander, vor allem auch die zu Gott erneuern und feiern“.

Resonanz für Musik und Impulse

Resonanz erzeugen zunächst vier Musiker und eine Musikerin im Altarraum der Kirche St. Josef am Berg in Blaustein-Klingenstein: „Come, now is the time to worship“ singt und spielt die „Resonanz-Band“, die sich neu formiert hat. Dann das schöne Lied: „Komm herein und nimm dir Zeit für dich“ von Kathi Stimmer-Salzeder. Resonanz erzeugen aber auch die Schriftlesungen dieses Sonntags, die sich zwischen Zumutung und Zuwendung bewegen. Zumutung, weil Abraham seinen Sohn opfern soll, wie das Buch Genesis berichtet (Gen 22). Und wer könnte heute nicht selbst ein Lied singen von Dingen, die schwer zu ertragen sind…! Zuwendung zeige sich hingegen im Evangelium von der Verklärung Christi (Mk 9, 2-10): die Zuwendung Gottes in Jesus, seinem Sohn, wie Dekan Ulrich Kloos im Predigtimpuls erläutert.

Vielleicht könne ein Gottesdienst etwas von dem erfahrbar machen, was Petrus, Jakobus und Johannes bei der Verklärung Christi auf dem Berg erfahren haben. „Es kann passieren, dass dieses Wort, das uns zugesagt ist als lebendiges Wort Gottes im Evangelium, eine Resonanz auslöst; dass es in uns etwas zum Schwingen bringt; dass uns vielleicht auf einmal etwas klar wird oder dass wir merken, wenn mich ein Mensch braucht“, sagt Kloos. Es gelte, sich der Zuwendung Gottes zu öffnen, denn „wir brauchen solche dichten Momente wie den Gottesdienst, um für den Alltag die nötige Kraft, Zuversicht und Hoffnung zu haben bei allen Schwierigkeiten, die uns ja auch immer wieder begegnen“.

Eucharistie ist Feier des Lebens

Sehr schön spiegele sich dieser Gedanke in einem Wort von Anselm Grün wider: Eucharistie ist Feier des Lebens. „Das ganze Leben kommt in dieser Feier vor und wir dürfen auch das ganze Leben mit hineinnehmen. Und wir nehmen auch wieder etwas für unseren Alltag, als gesegnete, als neue Menschen mit auf den Weg, dass wir wirken können aus dieser Begegnung mit Gott“, sagt Dekan Kloos. Im Zentrum der Resonanz-Messe sei und bleibe die Eucharistie „als Quelle der Liebe und Kraft für die Beziehungspflege mit Gott, sich selbst und den Nächsten“, erklärt der Initiator David Langer. „Dieses Zentrum wird ausgestaltet mit modernen geistlichen Liedern, Anbetung des Allerheiligsten, Taizé-Gesängen, Glaubensgesprächen, Lobpreismusik, Stille und Zeit für Gemeinschaft.“

Dass dieses Konzept bei der Premiere noch nicht – wie ursprünglich angedacht – als „gefüllter Sonntagnachmittag im Rahmen einer besonderen Eucharistiefeier mit dezentralem Mittelteil aus Impulsangeboten für Seele, Geist und Körper“ gestaltet werden kann, ist der Corona-Lage geschuldet. Zusammen mit der Eucharistie und dem Evangelium ist dieser Vertiefungsteil das Kernstück des neuen Formats: Neben weiteren anregenden Liedern der Resonanz-Band war geplant, Seelsorge- und Beichtgespräche anzubieten und im Anschluss zu einem pandemiegerechten, gemütlichen Austausch einzuladen.

Sprach-Hütten, Gedanken und Sehnsüchte

In stark verkürzter Form passt dennoch ein kreativer Teil in den auf 60 Minuten begrenzten Gottesdienst. Denn die zentralen Begriffe und die Predigtimpulse sollen weiterschwingen und Resonanz erzeugen. Auf einem besonders gestalteten und gefalteten Papierbogen, den jeder Gottesdienstteilnehmer auf seinem Platz vorfindet, sind Hütten-Zeichnungen abgedruckt – konkret die Sprach-Hütten „Zu-mutung“, „Zu-wendung“ und „Zu…“. Die Gläubigen sind eingeladen, ihre persönlichen Gebetsgedanken aufzuschreiben oder kreativ darzustellen. Die Begriffe sollen Anregung sein. Das letzte „Zu…“ ist bewusst offengelassen. Leidenschaftlich und unter die Haut gehend ist das Lied „Prayer for the city“, das die Resonanz-Band begleitend spielt.

Dann kann, wer will, seine Gedanken vortragen. Welche Sprach-Hütten kommen bei mir zum Klingen? „Zu-kunft“, sagt jemand. „Zu-fall“, ist zu hören, auch „Zu-neigung“ und „zu-sammen“. Manche Teilnehmer formulieren ihre Gedanken und Sehnsüchte als Fürbitten.

Resonanz als Antwort auf Entfremdung

Entstanden ist die Resonanz-Messe aus der Sehnsucht nach spiritueller Vertiefung und Vergewisserung, nach Erneuerung von Beziehung – zu Gott, sich selbst und anderen. „Die Sehnsüchte, welche Säkularisierung, Digitalisierung, Kommerzialisierung, aber auch die Coronazeit in uns erwecken, können auch neue Gottesdienstformen hervorbringen“, sagt Initiator David Langer. Ein fünfköpfiges Team aus dem Dekanat Ehingen-Ulm und der Gemeinde St. Josef in Blaustein hat den Gottesdienst vorbereitet, und zwar mit vielen Ideen und liebevollen Details. In den ausgelegten Kreativmappen finden sich neben dem Faltbogen mit den Hütten auch eine Kunstkarte mit der Verklärung Jesu als Motiv, eine Themenkarte mit einem passenden Gebet, Kugelschreiber und bei Familien auch Kinderbögen.

Mit „Resonanz“, jenem Begriff, der dem neuen Gottesdienstformat seinen Namen gibt, greift das Team eine Theorie des Jenaer Soziologieprofessors Hartmut Rosa auf. Mit Blick auf die fast überall zu beobachtende Beschleunigung – nicht nur im Wirtschaftssystem, sondern auch in vielen gesellschaftlichen Entwicklungen – und die damit verbundene Erfahrung von Entfremdung sieht Rosa nicht Entschleunigung als Gegenmittel, sondern den Versuch, der Welt anders gegenüberzutreten. Anstatt Dinge kontrollieren und schnell und effizient handhaben zu wollen, lässt sich der Mensch im Zustand der Resonanz von Begegnungen mit Anderen, von Orten, von Musik, der Natur – in diesem Fall von modernen geistlichen Liedern, von Impulsangeboten, von der Anbetung des Allerheiligsten – berühren und erlaubt diesen, etwas in ihm zum Schwingen zu bringen.

Manch ein Besucher ertappt sich am Ende der Messe bei dem Wunsch, die soeben erfahrene Resonanz, das erhebende Gefühl dieses Gottesdienstes, die Gänsehaut bei einfühlsam vorgetragenen Liedern, auch das stimmige Miteinander der Generationen und Lebenslagen, festhalten zu wollen, dafür gleichsam eine Hütte zu bauen, ganz so wie Petrus auf dem Berg Tabor. Das Weitere ist bekannt. Trotzdem sei hier wenigstens eine letzte Sprach-Hütte erlaubt: Zu-gabe, bitte!

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