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Gastfreundschaft ist ein hohes Gut

Bischof Dr. Gebhard Fürst gemeinsam mit den Teilnehmern des interreligiösen Dialogs. Foto: Diözese Rottenburg-Stuttgart / Luisa Weinig

Bischof Gebhard Fürst traf sich zum elften Mal zum interreligiösen Dialog mit Repräsentanten muslimischer Organisationen in Baden-Württemberg.

Gastfreundschaft. Das war das zentrale Thema des Gesprächstreffens am Mittwoch von Bischof Dr. Gebhard Fürst und neun Vertretern der islamischen Verbände und Vereine in Baden-Württemberg. Seit 2006 trifft sich der Bischof im Stuttgarter Bischofssitz „Stella Maris“ mit Repräsentanten muslimischer Organisationen, um gemeinsam ethische Positionen von Christen und Muslimen zu diskutieren. 2006 gab es die interreligiöse Dialogrunde zum ersten Mal. Nach dem Putschversuch 2016 in der Türkei wurde die Veranstaltung einige Jahre ausgesetzt, um Irritationen unter den türkischen Muslimen zu vermeiden. Jetzt sei aber wieder der Zeitpunkt gekommen, an dem „ein offenes und unvoreingenommenes Gespräch miteinander möglich ist“, sagte Bischof Fürst. Es war ein schöner Zufall, dass das Gespräch genau am 19. Juli 2023 stattfand - im Islam der Beginn des neuen Jahres.

Zu Beginn des Treffens erinnerte Bischof Fürst an einen Vorfall in Maulbronn. Dort wurde vor wenigen Wochen ein verbrannter Koran in den Hof einer Moschee geworfen. „Jede Art von Bücherverbrennung ist eine Ungeheuerlichkeit. In der Vergangenheit wurden durch das NS-Regime viele Bücher verbrannt. Wir wissen, wo das hingeführt hat und sollten deshalb alles tun, damit so etwas nicht wieder passiert“, sagte der Bischof von Rottenburg-Stuttgart.

Gastfreundschaft ist in beiden Religionen, dem Islam und dem Christentum ein hohes Gut, das gelebt wird. Das wurde in den Vorträgen von Bischof Fürst und Fatih Sahan deutlich. Beide erzählten von Abraham, der nicht nur im Christentum und Islam, sondern auch im Judentum eine wichtige Bedeutung hat. Für eine gemeinsame Begegnung sei Gastfreundschaft essenziell, so Fürst.

Verschiedene Formen von Gastfreundschaft

„Es ist nicht wichtig, wie groß das Haus ist, sondern wie groß die Herzlichkeit im Haus ist“, zitierte Dr. Ferid Kugic von der Islamischen Gemeinschaft der Bosnier und wollte von den Anwesenden wissen, wie Gastfreundschaft in der Praxis aussieht. „Wie reagieren die Menschen, wenn ich in ihr Land komme? Werde ich zum Essen eingeladen?“, fragte Kugic. Muhittin Soylu von der Islamischen Glaubensgemeinschaft Baden-Württemberg sagte, dass es keine allgemeine Antwort auf diese Frage gäbe. „Wir haben die Prinzipien der Gastfreundschaft in der Religion im Christentum und im Islam dargestellt. Aber wie jeder Einzelne, das lebt und umsetzt, ist individuell“, sagte Soylu. Insbesondere in der Stadt und auf dem Land gäbe es Unterschiede. Der Zusammenhalt auf dem Dorf ist stärker, während man in der Stadt oft anonym lebt. Der Islam- und Religionswissenschaftler der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Dr. Hussein Hamdan, erzählt, dass er im vergangenen November in der Türkei, als sein Schwiegervater verstarb, überwältigende Gastfreundschaft erfahren hat: „Jeden Tag kamen Menschen vorbei und haben Essen gebracht. Wir mussten uns eine Woche lang nicht darum kümmern. Man hatte einfach das Gefühl, das einem eine Last abgenommen wird.“

Der Vertreter der Gesellschaft für Dialog e.V. Baden-Württemberg, Osman Yildiz, verbindet Gastfreundschaft mit Nächstenliebe. „‚Liebe deinen Nächsten wie dich selbst' nehme ich als Grundlage, das Ganze neu zu denken und anzugehen. Meine Nächsten wären eigentlich meine Schwester oder meine Brüder, die aber sehr weit weg wohnen. Warum gehe ich aber nicht auf meine Nächsten in meinem direkten Umfeld zu? Meine Nachbarn oder die Menschen aus meinem Sportverein“, sagte Yildiz. Osman Yildiz erzählt, dass er wie viele der Anwesenden als Kind nach Deutschland gekommen ist und mittlerweile hier beheimatet ist. Als 2015 mit der Flüchtlingsbewegung viele Menschen nach Deutschland kamen, war er überrascht über die Gastfreundschaft des Landes. Er sei froh und stolz, dass in Deutschland eine starke Demokratie herrsche.

Herausforderungen bei Gastfreundschaft

Trotzdem gibt es Herausforderungen beim Thema Gastfreundschaft wie beispielsweise rechte Hetze oder aber auch Veränderungen in unserer Gesellschaft, sagte Dr. Hussein Hamdan. „Unser Leben ist viel schnelllebiger geworden. Wir haben heute viel mehr Möglichkeiten - auch dank der Digitalisierung. Aber leider hat man eben nicht mehr so viel Zeit für soziale Kontakte“, so Hamdan.

Die Fachreferentin für interreligiösen Dialog, Dr. Sonja Rupp erzählte, dass sie dieses Jahr bei vielen Iftar-Essen, dem Fastenbrechen, während Ramadan zu Gast war. „Es war so besonders, dabei sein zu dürfen, nicht nur beim Essen, sondern auch beim Beten. Also diese Einstellung, wie Herr Sahan in seinem Vortrag geschildert hat „Wir öffnen unserem Gast nicht nur die Tür, sondern auch unser Herz“ war sehr spürbar“, sagt Rupp.

Bischof Dr. Gebhard Fürst resümierte, dass das Thema Gastfreundschaft viel weiter ist, als man zunächst annimmt. Er hoffe auf eine Fortsetzung des Projekts. „Diese Gespräche, die wir hier führen, sind sehr viel wert. Wir alle können aus diesem Dialog etwas in unsere alltäglichen Begegnungen mitnehmen“, sagte Bischof Fürst.

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