Seelsorge

Gedenkstätte spendet Eltern Trost

Gedenkstätte für nicht bestattetes menschliches Leben

Die Gedenkstätte für nicht bestattetes menschliches Leben auf dem Michaelsberg stellt Trauer sehr ergreifend dar. Foto: DRS/Guzy

Gedenkstätte für nicht bestattetes menschliches Leben

Oft wird die Rose am Friedhofskreuz übersehen, aber sie gehört als Hoffnungszeichen zur Komposition des Denkmals. Foto: DRS/Guzy

Ein Denkmal auf dem Michaelsberg nimmt sich einer speziellen Verlusterfahrung an. Drumherum entwickelt sich ein neues Trauerangebot.

Ein Paar kniet auf dem Boden. Die Frau und der Mann beugen sich tief über ein offenes, leeres Grab. Die Bronzeplastik „Das trauernde Paar“ auf dem kleinen Friedhof auf dem Michaelsberg bildet thematisch einen außergewöhnlichen Gedenkort. Viola Haas besucht ihn immer wieder einmal. Er sei für sie wie ein Geschenk.

„Es ist nicht leicht, einen Ort zu finden, wo man trauern kann“, sagt Haas. Im Jahr 1999 verlor sie ihr erstes Kind in der 17. Schwangerschaftswoche. Es gab keine Bestattung. Damals sei das so gewesen. Haas, die zu dem Zeitpunkt 29 Jahre alt war und im Raum Frankfurt lebte, musste selbst mit der Situation zurechtkommen. In Gesprächen mit ihrem Mann habe sie es geschafft, erzählt sie. Als sie später in die Heilbronner Region zurückzog, habe sie sich gefreut, den Gedenkort auf dem Michaelsberg zu entdecken.

Kunstwerk von Sieger Köder

Er geht auf eine Initiative von Diakon Willi Forstner und des damaligen Brackenheimer Pfarrers Hermann Rupp zurück. Beide hatten eben solche Trauerfälle vor Augen, die sie aus ihrer seelsorgerlichen Arbeit kannten. Im Jahr 2007 konnte die "Gedenkstätte für nicht bestattetes menschliches Leben" eingeweiht werden. Die Gesamtinstallation besteht aus dem Bronzepaar, das in ein leeres Grab blickt, und einer Rose, die aus dem Friedhofskreuz seitlich vom Paar wächst.

Der Entwurf stammt vom bekannten Künstlerpfarrer Sieger Köder. „Das Grab ist offen und leer, weil das Kind darin nicht liegt, weil manche Menschen meinen, es sei noch gar kein Mensch gewesen“, hatte er einmal seine gestalterische Konzeption erläutert. Die Gedenkstätte will aber nicht nur an Kinder erinnern, sondern auch an Erwachsene, die zum Beispiel aufgrund eines Unglücks oder einer Naturkatastrophe nirgends bestattet worden sind.

Texte gegen die Sprachlosigkeit

Eine Fehlgeburt, der Verlust eines Kindes sei ein Tabuthema, sagt Haas. Pastoralreferentin Claudia Weiler ergänzt: „Viele Frauen wissen nicht, wie sie es zur Sprache bringen sollen. Es ist ja üblich, in den ersten drei Monaten nichts von einer Schwangerschaft zu erzählen.“ Ein neues Angebot soll helfen.

Haas, die gewählte Vorsitzende des Kirchengemeinderats von „St. Michael, Wächter des Zabergäus“ ist, hat zusammen mit Sandra Flicker-Diehl, einer weiteren selbst betroffenen Mutter und Kirchengemeinderätin, und Weiler eine neue Broschüre zu der Gedenkstätte erstellt. Der Flyer fasst die Trauer mit Impulstexten in Worte. Ein Einlegeblatt skizziert die künstlerischen Überlegungen zum Denkmal. Die neue Broschüre will die Trauer stärker aus Muttersicht aufgreifen, beschreibt Haas die Publikation.

Austausch unter Betroffenen

Zusätzlich gibt es eine eigene Internetseite zu der Gedenkstätte. Sie bietet weitere Gebete und Impulstexte. Künftig soll es kleine Andachten am Gedenkort geben – wenn die Corona-Lage es wieder zulässt. Über die Termine wird die Internetseite ebenfalls informieren. Außerdem finden sich dort Kontaktmöglichkeiten zu Gesprächsangeboten, die Pfarrer Oliver Westerhold und Pastoralreferentin Claudia Weiler übernehmen. Die beiden können bei Bedarf Gesprächswünsche auch an Haas und Flicker-Diehl vermitteln, für einen Austausch unter Betroffenen.

Gerade jetzt in der Pandemiezeit ist der Michaelsberg zu einem beliebten Ausflugsziel geworden. Viele, die auf das Denkmal stoßen oder die Hinweistafel an der Friedhofsmauer lesen, sind überrascht und diskutieren, worum es geht, berichtet Weiler von ihren Beobachtungen. Am Denkmal abgelegte Steine oder Engelfigürchen belegen, dass die Stätte aber auch gezielt zum persönlichen Gedenken aufgesucht wird. So ist Haas immer wieder einmal auf dem Michaelsberg. Wie sie erzählt, kommen ihre beiden erwachsenen Kinder mit hinauf. Denn ihr Verlusterlebnis gehöre zu ihr, gehöre zur Familie.

Gedenkstätte für nicht bestattetes menschliches Leben

Für den Gedenkort gibt es neuerdings eine eigene Internetseite. Dort finden sich Informationen, Impulse zum Thema Trauer und Kontakte zu Gesprächsangeboten.

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