„Wo, wenn nicht von der Politik, dürfen wir Wunder erwarten?“ Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat diesen Satz der Philosophin Hannah Arendt auf einer Veranstaltung zitiert, die am Mittwoch unter dem Titel „Gemeinsame Nachhaltigkeitsziele – nationale Verantwortung: Gemeinsam den Wandel voranbringen“ im Stuttgarter Hospitalhof stattgefunden hat.
Abschluss der Reihe "Nachhaltig gut leben"
Es war mit Vorträgen, Podiumsdiskussionen und Arbeitsgruppen die Abschlussveranstaltung der Reihe „Nachhaltig gut leben“ des Landes Baden-Württemberg und zugleich die erste regionale Dialogkonferenz zur Weiterentwicklung der „Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie 2020“. Mitglied in der dafür federführenden Nachhaltigkeitskonferenz des Landes ist auch Bischof Gebhard Fürst.
Die weltweiten ökologischen und sozialen Herausforderungen seien unübersehbar, die Fakten überboten sogar die Prognosen, sagte Kretschmann. Es gehe darum, dass dieser Wandel nicht „by desaster“, sondern „by design“, also durch aktive Gestaltung erfolge. Leiten müsse dabei der Anspruch, dass – nach Bismarck – die Politik die Kunst des Möglichen sei. „Kunst“ bedeute dabei, den Raum des Möglichen zu erweitern und eine Dynamik anzustoßen, die etwas ganz Neues bewirke, von dem wir heute noch keine Ahnung hätten. Er setze auf die Bedeutung des Unvorhersehbaren.
Entscheidend ist, dass wir daran glauben.
(Winfried Kretschmann)
Inhaltlich, so Kretschmann, gehe es um Dekarbonisierung, um ein weltweit übertragbares integrales soziales und ökologisches Wirtschaftsmodell und um die politischen Rahmenbedingungen dafür. Um die Trends der aktuellen Entwicklungen zu durchrechen, brauche es einen gesamtgesellschaftlichen Zusammenhalt, an dem die staatlichen Institutionen ebenso mitwirken müssten wie die Kirchen, die NGOs und andere zivilgesellschaftliche Kräfte. Entscheidend aber, so Kretschmann, „ist, dass wir daran glauben“. Deshalb setze er auf das motivierende Beispiel der „Pioniere der Nachhaltigkeit“.
Kirche als Anwältin der Schöpfung
Das Verhältnis von Mensch und Natur, Mensch und Umwelt, sei vom Schöpfungsglauben nicht abzutrennen, betonte der Freiburger Erzbischof Stephan Burger. Die Kirche müsse sich als Anwältin der Bewahrung der Schöpfung verstehen. Das sei aber auch ein Dienst am Menschen.
Wo der Mensch die Schöpfung gefährdet, ist er selbst gefährdet.
(Erzbischof Stephan Burger)
„Wo der Mensch die Schöpfung gefährdet, ist er selbst gefährdet“, sagte der Erzbischof. Er wies am Beispiel der indigenen Völker im amazonischen Regenwald darauf hin, dass Umweltzerstörung und Klimawandel die Lebensgrundlagen der Ärmsten auf der Welt zerstöre und sie noch weiter an den Rand dränge. Die Zerstörungen in Amazonien fokussierten wie in einem Brennglas die Ausbeutungen und Zerstörungen weltweit. Die Zerstörung der amazonischen Regenwälder und ihrer Artenvielfalt sowie Landraub, Vertreibung und Ermordung der Indigenen seien eine Folge des Ess- und Konsumverhaltens der westlichen Gesellschaften.
Große Zustimmung im Publikum
Eine „ökologische Herzensbildung, die alle im Blick hat“, sei hierzulande die Herausforderung. „Wie lernfähig sind wir als Gesellschaft? Wie schaffen wir eine soziale Ausgewogenheit? Worauf bauen wir unser Glück – auf immer mehr Wachstum zu Lasten anderer? Was brauchen wir wirklich, um zufrieden miteinander leben zu können?“, fragte Burger unter starkem Beifall des Publikums.