Schulen

Gelungene Kooperation zwischen Kirche und Stadt

Symbolbild. Foto: Juraj Varga/ Pixabay

Das ökumenische Gemeindezentrum im Sindelfinger Stadtteil Hinterweil wird unter der Woche für die Ganztagsschulbetreuung der Grundschule genutzt.

Ganztagsbetreuung führt zu höherem Bildungsniveau

Bildungsexpert:innen sind sich einig: Ganztagsschulen und ganztägige Bildungs- und Betreuungsangebote gelten als Schlüssel zu mehr Bildungs- und Geschlechtergerechtigkeit und helfen den Eltern bei der Vereinbarung von Familie und Beruf. Sie stärken die Kinder im Grundschulalter und führen zu einem allgemein höheren Bildungsniveau – die Ergebnisse der Pisa-Studien geben den Fachleuten Recht. Doch während in den meisten Ländern Westeuropas die Schule meist als Ganztagsschule organisiert wird, ist in Deutschland das Halbtagsmodell noch die Regel. Oft fehlt es an qualifizierten Betreuer:innen, aber auch an Räumlichkeiten für die anspruchsvollen Angebote vor und nach dem Unterricht sowie in der Mittagspause. Wenn ab 2026 ein Rechtsanspruch auf eine Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder eingeführt wird, muss noch viel geschehen. Hier sind Ideen und Kooperationen gefragt – auch zwischen den städtischen und den kirchlichen Gemeinden.

Die Kirchengemeinden sind offen für Kooperationen

Die Kirchengemeinden der Diözese Rottenburg-Stuttgart sind offen für Kooperationen mit den Städtischen Gemeinden - nicht erst, seit die Diözese beschlossen hat, bei der Nutzung ihrer Gebäude künftig auch auf Interessengemeinschaften zu setzen. Ein Beispiel dafür ist die Zusammenarbeit zwischen dem 1993 entstandenen ökumenischen Gemeindezentrum (ÖGZ) Hinterweil in Sindelfingen und der benachbarten Grundschule Hinterweil, die die kirchlichen Räume unter der Woche für die Ganztagsschulbetreuung nutzt. Es ist eine Win-Win-Situation für Stadt, Kirchengemeinde, Schule und Familien.

Der Bedarf an Betreuung wächst stetig

Weil die eigenen Kapazitäten für ein Betreuungsangebot im Rahmen einer verlässlichen Grundschule nicht reichten, wandte sich die Grundschule Hinterweil an die Stadt Sindelfingen. Diese setzte sich im Mai 2024 mit der katholischen Kirchengemeinde in unmittelbarer Nachbarschaft der Grundschule am Nikolaus-Lenau-Platz in Verbindung und signalisierte Interesse an den Räumen des Gemeindezentrums St. Franziskus. Elke Ziegler, Koordinatorin der Ganztagsschule in Hinterweil, erinnert sich: „Nötig wurde die Anmietung der Räumlichkeiten durch die steigende Zahl der Schüler. Da immer mehr Kinder angemeldet wurden, konnten wir unsere Betreuungsräumen in der Schule nicht mehr behalten, sie werden nun als Klassenzimmer gebraucht. Auch der Bedarf an Betreuung wächst stetig und so musste eine Lösung gefunden werden. Die Schule liegt in Sichtweise des Gemeindezentrums und so lag es nahe, dort einmal anzufragen.“ 

Eine Kooperation, die nur Gewinner kennt

Nach einigen Ortsterminen und Besprechungen stimmte schließlich der Kirchengemeinderat der Vermietung zu. Sie vermietete zum Schuljahresbeginn im September 2024 einige nicht-sakrale Räume des Gemeindezentrums an die Stadt – für eine Schulbetreuung von Montag bis Freitag und zunächst nur für ein Schuljahr. Philipp Koch, Leiter des Katholischen Verwaltungszentrums Böblingen, beschreibt die gemeinsame Nutzung: „Das Gemeindezentrum verfügt über Räume auf zwei Ebenen auf zirka 1.000 Quadratmeter. Die Stadt hat die ehemaligen Jugendräume im Untergeschoss mit etwa 150 Quadratmeter komplett angemietet. Die Räume im Erdgeschoss mit weiteren 170 Quadratmetern werden gemeinschaftlich genutzt. Ebenso die Sanitärräume im UG. Die Kirchengemeinde kann weiterhin den Sakralraum vollumfänglich und die anderen Räume am Wochenende nutzen.“

Räume werden auch für Weihnachtsfeiern genutzt

Doch auch die Schule profitiert von der gemeinsamen Nutzung. Elke Ziegler erklärt, wie die Räume von der Schule genutzt werden: „Im Gemeindezentrum St. Franziskus werden insgesamt 66 Kinder betreut. Am Vormittag kommen die Kinder, die erst zur zweiten Stunde Schule haben. Wir sind mit ihnen in den unteren Räumen, die wir zur alleinigen Nutzung bekommen haben. Am Nachmittag sind wir ab 12:00 Uhr auch in den oberen Räumen, die wir mit der Gemeinde teilen. Die Betreuung endet um 13:30 Uhr. Anschließend kommt an manchen Tagen eine Gruppe der Gemeinde. Bei gutem Wetter nutzen wir das große Außengelände. Auch unsere Weihnachtsfeier mit allen Kindern aus der Betreuung haben im großen Saal abgehalten. Ohne Probleme konnten wir dafür die Küche mitnutzen, die uns sonst nicht zur Verfügung steht.“ In den Räumen werde gespielt und gebastelt. Im großen Saal sei ein großer Teppich, auf dem die Kinder bauen könnten. Um die anderen Gruppen nicht zu beeinträchtigen, werde dieser täglich wieder weggeräumt, so Elke Ziegler. Da beide Seiten mit der Kooperation sehr zufrieden sind, wurde eine Verlängerung des Mietvertrages bis 2029 beschlossen.

„Räume für eine Kirche der Zukunft“

Das Ökumenische Gemeindezentrum gehört zu 50 Prozent der katholischen St. Franziskus-Kirche und zu 50 Prozent der evangelischen Christuskirchengemeinde mit der Nikodemuskirche. Thomas Jüttner ist Stellvertretender Abteilungsleiter im Bischöflichen Bauamt der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Er erklärt den Zusammenhang zwischen dem Projekt der Diözese „Räume für eine Kirche der Zukunft“ und der Kooperation in Hinterweil: „Diese Kooperation ist ein schönes Beispiel für eine intensivierte Nutzung von kirchengemeindlichen Räumen und ganz im Sinne des Projekts "Räume für eine Kirche der Zukunft". Da bekanntermaßen jedoch auch in der evangelischen Kirche ein Gebäudereduzierungsprozess beschlossen wurde, wonach die evangelische Kirche 50% ihrer Gebäude abgeben muss, stehe der Anteil am ökumenischen Gemeindezentrum im Hinterweil Sindelfingen leider ganz oben auf der Streichliste, so Jüttner: „Dies ist natürlich bedauerlich, da gerade im Projekt ökumenische Kooperationen angestrebt werden.“

„Beide Seiten kommen sich entgegen“

Das Projekt in Hinterweil ist ein gelungenes Beispiel für eine gute Zusammenarbeit, die andere Kirchengemeinden, aber auch politische Gemeinden, zu Kooperationen animieren kann. Koordinatorin Elke Ziegler lobt die gute Zusammenarbeit: „Die Zusammenarbeit läuft in meinen Augen sehr gut. Beiden Seiten kommen sich entgegen. Wenn die Gemeinde in den Ferien oder am Wochenende unsere Räume benötigt, etwa für Fasching oder Kinderbibeltage, dann ist das kein Problem. Genauso dürfen auch wir auf die Gemeinde zukommen, wenn wir einmal außerhalb der vereinbarten Zeiten für Besprechungen oder eben die Weihnachtsfeier den großen Saal benötigen.“

„Ganz im Sinne des Gebäudeprozesses“

Auch Philipp Koch ist voller Lob über die Win-Win-Situation: „Die Kooperation ist ein großer Gewinn für die Kirchengemeinde: bestehende, bisher meist leerstehende Räume werden vor allem tagsüber genutzt und mit Leben gefüllt. Zusätzlich erhalten wir Mieteinnahmen und können einen Teil der Betriebskosten auf die Stadt umlegen. Die Kirchengemeinde nutzt die Räume für eigene Veranstaltungen ja hauptsächlich am Abend, am Wochenende oder in den Ferien. Nach Absprachen kann auch das gesamte Haus genutzt werden, ganz im Sinne des Gebäudeprozesses. Wir als katholische Kirche unterstützen damit das Bildungsangebot in der Stadt Sindelfingen, was vor allem den Kindern und Eltern in dem Stadtteil zu Gute kommt und die Stadt selbst muss für die Übergangszeit, bis zirka 2029, keine Räume kaufen.“

Kooperation zwischen dem ökumenischen Gemeindezentrum St. Franziskus im Sindelfinger Stadtteil Hinterweil und der Grundschule

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