Bischof

„Gemeinsam dazu berufen, an einer ‚besseren Welt‘ mitzuwirken“

Bischof Dr. Klaus Krämer und Rabbiner Yehuda Puschkin vor dem Toraschrein in der Stuttgarter Synagoge. Foto: DRS/ Nelly Swiebocki-Kisling

Bischof Dr. Klaus Krämer besucht die Israelitische Religionsgemeinschaft Württemberg (IRGW) und feiert mit Rabbiner Yehuda Puschkin Schabbat.

Am 16. Mai besuchte Bischof Dr. Klaus Krämer das erste Mal die Israelitische Religionsgemeinschaft in der Hospitalstraße 36 in Stuttgart. Der Bischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart wurde herzlich von Rabbiner Yehuda Puschkin, der IRGW-Vorstandvorsitzenden Prof. Barbara Traub sowie von IRGW-Vorstandsmitglied Michael Kashi in Empfang genommen. Als Großgemeinde ist die IRGW für den gesamten Regierungsbezirk Stuttgart und Tübingen zuständig, mit Zweigstellen und festen Beträumen in Reutlingen, Heilbronn, Aalen, Heidenheim und Weingarten, sowie Gruppen in Schwäbisch Hall und Bad Mergentheim.

Ausdruck von Solidarität

Prof. Traub bestätigte die gute Zusammenarbeit zwischen der Diözese Rottenburg-Stuttgart und der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg und betonte: „Es ist für uns eine ganz besondere Freude, dass Bischof Dr. Krämer seinen ersten Besuch in unserem Stuttgarter Gemeindezentrum mit der Teilnahme am Schabbat-Gebet in unserer Synagoge verbindet. Es ist Ausdruck von Solidarität mit den jüdischen Bürgern und unserer Religion, zugleich auch Bekenntnis zum Willen, die Zukunft unseres Landes Baden-Württemberg in Vielfalt und Respekt voreinander gemeinsam zu gestalten. Dies begrüßen wir ausdrücklich und freuen uns, dass Bischof Dr. Krämer auf uns zugegangen ist.“

Gemeinsamer Rundgang und guter Austausch

Nach der Begrüßung führte ein gemeinsamer Rundgang durch das Gemeinde- und Verwaltungszentrum der IRGW mit Kita und Eduard-Pfeiffer-Grundschule (EPS). Während der Besichtigung der Räume der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg, die sich seit 1861 in der Hospitalstraße in Stuttgart befindet, nutzten sowohl Bischof Dr. Krämer als auch die Gastgeber die gemeinsame Zeit für interessierte Fragen und Erläuterungen, historische Rückblicke sowie Ausblicke in die Zukunft.

Schabbat beginnt….

Im Anschluss an den Rundgang wurde mit dem „Kerzenzünden“ der Schabbat eingeläutet. Beim anschließenden Gottesdienst las Rabbiner Yehuda Puschkin den Gästen und der anwesenden Gemeinde den Wochenabschnitt „Emor“ (= Sage), aus dem Buch Wajikra / Levitikus.

Bischöfe an einem Austausch interessiert

Beim gemeinsamen feierlichen Abendessen nach dem Gottesdienst mit über 50 Gästen, dem sogenannten Kiddusch, hielt Rabbiner Yehuda Pushkin eine „Drascha“ und erläuterte den zuvor im Gottesdienst gelesenen Wochenabschnitt Emor. Rabbiner Puschkin äußerte seine große Freude über den Besuch von Bischof Krämer und betonte, wie wichtig seiner Gemeinde der Dialog und die Gastfreundschaft mit allen Religionen sei: „Wir öffnen unsere Fenster für den Austausch mit allen Religionen und beteiligen uns am interreligiösen Dialog. Am einfachsten gelingt das mit der katholischen Kirche, weil sie eine sehr klare Linie hat und wir jederzeit damit rechnen können, dass die Bischöfe an einem Austausch interessiert sind. Im Austausch mit der katholischen Kirche fühlen wir uns sehr wohl.“

"Jeder Mensch ist ausgestattet mit einer unantastbaren Würde"

Nach der Begrüßung durch Prof. Traub ergriff Bischof Dr. Krämer das Wort. Er nannte den Schabbat „ein Geschenk“ und zeigte sich dankbar, diesen Tag als Gast mitfeiern zu dürfen. Besonders betonte der Bischof die Gemeinsamkeiten zwischen Juden und Christen: „Ich bin dankbar, dass diese Art der Gemeinschaft zwischen uns, Juden und katholischen Christen, wachsen konnte und dass sie auch von Dokumenten wie ‘Dabru emet‘ und ‘To do the Will of Our Father in Heaven‘ zum Ausdruck gebracht wird, Dokumenten, die das Verbindende zwischen uns, Juden und Christen, in den Vordergrund stellen“. Bei all dem, was Juden und Christen verbände, sei er, besonders im Blick auf den wieder erstarkten Antisemitismus in Deutschland seit dem 7. Oktober 2023 und der Verantwortung als Kirche in Deutschland, überzeugt: „…dass wir als Menschen alle nach dem Ebenbild Gottes geschaffen sind, dass jeder Mensch wertvoll, einzigartig und unverwechselbar ist, ausgestattet mit einer unantastbaren Würde, die es zu schützen und zu bewahren gilt, und dass es unser Auftrag ist, danach zu handeln.“

"Wir leben in keinen einfachen Zeiten"

Als jüdische und christliche Gemeinschaft sei man gemeinsam dazu berufen, an einer “besseren Welt“ mitzuwirken, so Krämer. Und er setzte fort: „Diesem Auftrag sehen wir uns als katholische Kirche, gerade in Zeiten wie diesen, umso entschiedener verpflichtet. Wir leben in keinen einfachen Zeiten. Es ‘brennt‘ an so vielen Orten in der Welt. Auch Israel, umgeben von feindlich gesinnten Nationen, durchlebt schwere Zeiten, insbesondere seit dem 7. Oktober 2023, dem terroristischen Überfall der Hamas auf Israel und dem darauf folgenden Krieg in Gaza.“

"Zu dieser Verantwortung stehen wir"

In Europa, auch in Deutschland, müssten Juden oft um ihre Sicherheit bangen und Angst vor Übergriffen haben – und das 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Shoa, so Krämer. Er appellierte: „Als katholische Kirche beziehungsweise als Christen in Deutschland sehe ich uns hier in einer doppelten Verantwortung, einerseits als Bürger eines Landes, das vor nicht allzu langer Zeit unermessliches Leid und millionenfachen Tod über die Juden gebracht hat – und andererseits als katholische Christen, die mit ihrer jahrhundertelangen judenfeindlichen Haltung den Antisemitismus genährt haben. Er wurzelt auch in einer Schuldgeschichte des Christentums. Zu dieser Verantwortung stehen wir. Wir sind Ihnen, unseren jüdischen Schwestern und Brüdern, fest verbunden“.

Informationen zur Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs (IRGW):

Die Israelitische Religionsgemeinschaft Württembergs (IRGW) ist ein jüdischer Landesverband mit Sitz in Stuttgart für den württembergischen Landesteil Baden-Württembergs. Sie ist als einzige, Großgemeinde für den gesamten Regierungsbezirk Stuttgart und Tübingen zuständig, mit Zweigstellen und festen Beträumen in Reutlingen, Heilbronn, Aalen, Heidenheim und Weingarten, sowie Gruppen in Schwäbisch Hall und Bad Mergentheim. Die IRGW zählte im Jahr 2020 insgesamt 2786 Mitglieder in Stuttgart sowie in den Zweigstellen. Mittelpunkt des Gemeindelebens sind in Stuttgart der Hospitalhof, die in Ulm im Dezember 2012 eröffnete Synagoge am Weinhof sowie das Gemeindezentrum in Esslingen. 

Während es bundesweit 84 (eigenständige) jüdische Gemeinden und im badischen Landesteil zehn Gemeinden gibt (Mannheim, Heidelberg, Karlsruhe, Pforzheim, Baden-Baden, Emmendingen, Freiburg im Breisgau, Lörrach, Rottweil und Konstanz), ist die IRG Stuttgart als einzige, große Gemeinde für das gesamte Gebiet der ehemaligen Regierungsbezirke Nord-Württemberg und Süd-Württemberg/Hohenzollern zuständig. 
Die Hauptsynagoge der IRGW befindet sich seit 1861 in Stuttgart in der Hospitalstraße 36. Dort ist auch der offizielle Sitz der IRGW sowie deren Gemeinde- und Verwaltungszentrum. Sie ist die erste Synagoge der Bundesrepublik nach dem Zweiten Weltkrieg. 

Die Gemeinde wird von jeweils für drei Jahre gewählten Vertretern, den sogenannten Repräsentanten geleitet. Drei dieser Repräsentanten werden von der Repräsentanz als geschäftsführender Vorstand gewählt. Im Dezember 2021 wurde der Vorstand von Hon.-Prof. Barbara Traub M.A., Michael Kashi und Mihail Rubinstein gebildet und bei ihrer Wiederwahl 2025 in ihren Ämtern bestätigt. Betreut werden die Mitglieder der IRGW von drei hauptamtlichen Rabbinern. Für Stuttgart, als der größten jüdischen Ortsgemeinde Baden-Württembergs, ist dies Rabbiner Yehuda Pushkin, zugleich Vorstandsmitglied der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland (ORD).

Weitere Nachrichten

Jugend
Auf Schloss Beilstein fanden die ersten ökumenischen Tage der Orientierung (TdO) statt - ein erfolgreiches Pilotprojekt.
Weiterlesen
Wallfahrt
Hintewr den Trägern mit der Statue unter Bäumen ist der Turm der Kirche zu erkennen.
Maria, die Schmerzensmutter, lockt Tausende Pilger:innen am Pfingstmontag auf den Bussen zur Wallfahrtsmesse mit Bischof Dr. Klaus Krämer.
Weiterlesen