Sarah Kubin-Scharnowski ist Geschäftsführende Bildungsreferentin beim DJK Diözesansportverband Rottenburg-Stuttgart und mit im Vorbereitungsteam für das Stuttgarter Weihnachtssingen. Dieses findet dieses Jahr am 23. Dezember im Gazi-Stadion zum fünften Mal statt. Anlässlich des Starts des Kartenvorverkaufs spricht sie im Interview über die Hintergründe der Veranstaltung.
Frau Kubin-Scharnowski, wie hat sich das Stuttgarter Weihnachtssingen im Laufe der Jahre entwickelt, und was sind aus Ihrer Warte heraus die wichtigsten Elemente, die es zu einer so beliebten Veranstaltung machen?
Nach einem tollen Start im Jahr 2019 konnte das Weihnachtssingen wegen Corona leider zwei Jahre lang nur digital stattfinden. Umso bewegender war die Live-Version im Stadion im letzten Jahr mit über 5000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Eine wunderbare Atmosphäre mit bunt gemischten Liedern zum Mitsingen, einer stimmungsvollen Light-Show, Kerzenschein und natürlich der sehr unterhaltsamen Moderation von Patrick Bopp von den ‚Füenf‘. Aus den Corona-Jahren geblieben ist der Livestream, für alle, die nicht im Stadion dabei sein können.
Welche Maßnahmen ergreifen Sie, um sicherzustellen, dass das Weihnachtssingen für Menschen aller Altersgruppen und musikalischen Fähigkeiten zugänglich ist und dass sich jeder willkommen fühlt?
Wie gut jemand singen kann, ist für die Teilnahme am Weihnachtssingen komplett unerheblich. Es geht um die Gemeinschaft und das gemeinsame Singen. Auch Textsicherheit ist nicht erforderlich: alle Texte werden auf die große Stadionleinwand projiziert. Die Liedauswahl umfasst klassische Weihnachtslieder, Kinderlieder wie ‚In der Weihnachtsbäckerei‘ oder auch mal einen Christmas-Song auf Englisch. Es ist garantiert für jede und jeden etwas dabei. Dazu ist das Stadion voll rollstuhltauglich. Es gibt einen separaten Bereich auf der Haupttribüne, wo die Rollis samt Begleitperson genug Platz finden. Auch entsprechende Parkplätze befinden sich in unmittelbarer Stadionnähe.
Sie sind Bildungsreferentin im katholischen Sportverband der Diözese und seitens der Diözese Rottenburg-Stuttgart für das Weihnachtssingen zuständig. Gibt es zwischen diesen beiden Aufgaben denn Berührungspunkte?
Ja, sogar einige: Im DJK-Sportverband leben wir die Verbindung von Sport und Spiritualität, von Bewegung und religiösem Bewegt-sein. Glaube und Christsein spielt sich für die DJK seit mittlerweile über 100 Jahren selbstverständlich auch in der Turnhalle, auf dem Sportplatz und somit auch im Stadion ab. Das halte ich für eine große Chance für die heutige Kirche. Das Weihnachtssingen mit seiner Friedensbotschaft an diesem besonderen Ort erreicht so Menschen, die vielleicht zu einem Konzert in einer Kirche nicht kommen würden.
Wie wird die Inklusivität des Stuttgarter Weihnachtssingens gefördert, insbesondere im Hinblick auf verschiedene kulturelle Hintergründe und Glaubensrichtungen der Teilnehmer?
Zum Stuttgarter Weihnachtssingen sind alle eingeladen. Niemand wird missioniert, niemand muss Gebete sprechen, niemand muss in irgendeiner Form Bekenntnisse ablegen. Klar sind viele Weihnachtslieder christlich geprägt, aber die Friedensbotschaft von Weihnachten ist im Grunde universell. Wir sehen das an den Besucherinnen und Besuchern: Menschen der verschiedensten religiösen Gruppierungen sind dabei, genau wie Menschen, die von sich sagen, dass sie sonst mit Kirche oder Religion nicht viel zu tun haben.
Welche Rolle spielt die gemeinschaftliche Komponente des Weihnachtssingens aus Ihrer Sicht in Bezug auf sozialen Zusammenhalt und die Förderung eines Gemeinschaftsgefühls?
Obwohl das Stadion sehr groß ist, stellt sich von Anfang an ein großes Gemeinschaftsgefühl ein. Patrick Bopp macht mit über 5000 Kindern und Erwachsenen Aufwärmübungen für die Stimme – ein großer Spaß, der allen deutlich macht: wir sind hier gerade ein riesiger, buntgemischter Chor! Hier singt keiner für sich, sondern alle singen mit allen. Friedlich, fröhlich, ohne Statusunterschiede, ohne Aggressivität oder Rivalität. Mir fallen nicht allzu viele Veranstaltungen ein, die etwas Ähnliches schaffen.
Wie schätzen Sie den gesellschaftlichen Bedarf danach ein?
Ich halte den Bedarf für groß. Angesichts immer neuer Krisen und Unsicherheiten sind die Menschen auf der Suche nach solchen – im besten Sinne des Wortes – „heilen Welten“. Deshalb kommen sie so zahlreich ins Stadion.
Können Sie uns Einblicke in die Vorbereitungen und die Zusammenarbeit mit dem Landeskirchenmusikdirektor Matthias Hanke und anderen musikalischen Unterstützern des Weihnachtssingens geben?
Die Vertreter der Musik – Patrick Bopp und Matthias Hanke – und die Vertreterinnen und Vertreter der Kooperationspartner, die für das Organisatorische zuständig sind, tagen immer und intensiv zusammen. Jahr für Jahr entsteht so ein gemeinsamer Plan für das Weihnachtssingen. Die Vorbereitung mit so vielen unterschiedlichen Akteuren macht sehr viel Spaß und ist jedes Mal wieder inspirierend.
Mit welcher Resonanz rechnen Sie auf das Angebot in diesem Jahr? Wird das Weihnachtssingen ausverkauft sein?
Ich denke, dass wir die 5000er-Marke auf jeden Fall wieder knacken und die Nachfrage nach dem Erfolg letztes Jahr noch einmal steigen wird. Let’s go.
Gibt es Überlegungen für die kommenden Jahre in Bezug auf das Stuttgarter Weihnachtssingen, und wie werden Sie sicherstellen, dass die Veranstaltung weiterhin eine positive Wirkung auf die Gemeinschaft hat und für alle zugänglich bleibt?
Wir hoffen, dass sich das Weihnachtssingen weiter etabliert. Und wir wünschen uns, dass wir über den kostenlosen Livestream noch mehr Menschen erreichen, die aufgrund der Entfernung oder aus anderen Gründen nicht ins Stadion kommen können. Wir denken etwa an Menschen in Altersheimen, im Krankenhaus, in weiter entfernten Kirchengemeinden oder Personen, die sonst dabei waren und gerade in einer anderen Stadt oder im Ausland sind. Sie alle sollen die Möglichkeit haben, an diesem besonderen Gemeinschaftserlebnis teilzuhaben.
Sarah Kubin-Scharnowski, geboren 1979, ist verheiratet, Mutter zweier Kinder und lebt mit ihrer Familie in Stuttgart. Seit dem Kindesalter ist sie begeisterte (Chor-) Sängerin. Ihr liebstes Weihnachtslied in der Kirche ist „Ich steh an deiner Krippe hier“ und ihren größten Gänsehaut-Moment beim Weihnachtssingen hatte sie bei „Stille Nacht“ beim Schein tausender Kerzen.