Ende März geht Peter Grundler in den Ruhestand. 30 Jahre lang hat er die Caritas-Region Biberach-Saulgau geleitet und geprägt. Einer der letzten Höhepunkte war für ihn der Umzug ins neue "Haus der Caritas" in Biberach, das am 10. Februar nach knapp zwei Jahren Bauzeit mit geladenen Gästen offiziell eingeweiht wird. Im Interview erzählt der 65-Jährige von vergangenen und gegenwärtigen Baustellen im Dienst an den Nächsten.
Herr Grundler, vor gut einem Monat haben Sie das neue "Haus der Caritas" bezogen. Wie fühlt sich das Arbeiten hier an?
Natürlich ist es immer eine Umstellung, wenn sich das Gewohnte ändert. Ich muss selber manchmal überlegen, wo diese oder jene Kollegin jetzt sitzt, aber das schleift sich ein. Von Rückmeldungen der Mitarbeitenden weiß ich, dass das Haus nicht nur funktional, sondern auch angenehm wahrgenommen wird. Bewährt hat sich, dass wir auf jeder Ebene die verschiedenen Grunddienste angesiedelt haben. Bisher waren die immer unter sich zusammen.
Wie wird die Arbeit mit diesem Zuschnitt leichter?
Wenn beispielsweise eine Kollegin von der katholischen Schwangerschaftsberatung eine ausländerrechtliche Frage hatte, musste sie bisher beim Migrationsdienst anrufen und es hat gedauert, bis die Frage geklärt war. Jetzt ist die Tür des Fachkollegen gleich nebenan. Wir haben also eine Kompetenzzusammenführung mit hoher Beteiligung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter realisiert. Auch das Leitungsteam ist verteilt auf alle Stockwerke. Da sind wir auf kurzem Weg ansprechbar.
Sie leiten seit 30 Jahren die Caritas-Region Biberach-Saulgau. Da gab es sicher schon mehrere Baustellen - auch im übertragenen Sinne ...
Im Oktober 1992 habe ich den Job übernommen. Eineinhalb Jahre später gab es eine drastische Kürzung im Bereich der Migrationsarbeit. Der Bund hatte sämtliche Mittel für die ausländischen Flüchtlingsdienste gestrichen. Das hat bei uns 16 Mitarbeiter von 60 betroffen. Wir haben mit dem Caritasverband in Stuttgart überlegt, wie wir das gebacken kriegen. Das Thema war ja dadurch nicht weg. Bis auf eine Ausnahme haben wir für alle eine Perspektive gefunden. Auch danach gab es etwa im Zehn-Jahres-Rhythmus ein Schwanken zwischen Bedrohungsszenarien und wieder Aufbauarbeit.
In welcher Phase befinden Sie sich heute?
Durch die Flüchtlingsthematik seit 2015 und auch durch die Pandemie hat sich zumindest im öffentlichen Bereich auf kommunaler- und auf Landesebene schon eine Haltung und die konkrete Erkenntnis ergeben, dass Sozialarbeit wirkt. Sie rettet uns davor, dass die Gesellschaft vollends kollabiert. Das schafft Wertschätzung.
Manchmal haben wir sogar das Gefühl, die Wertschätzung für die Caritas ist außerhalb der Kirche größer als innerhalb.
Wie ist denn der Kontakt zwischen der Caritas und den Kirchengemeinden in den Dekanaten Biberach und Saulgau?
Das Verhältnis ist etwas ambivalent. Die schwerpunktmäßigen Anprechpartnerinnen und -partner der Caritas sind für uns nach wie vor die Menschen in den Kirchengemeinden. Deshalb haben wir auch das Konzept "Caritas im Lebensraum" aufgelegt. Das findet bei einzelnen handelnden Personen in den Kirchengemeinden - Haupt- und Ehrenamtlichen - durchaus Widerhall. Da gibt es Kooperationen und gute Partnerschaften.
Sie betonen "bei einzelnen" ...
In anderen Gemeinden überwiegt die kirchliche Binnenbetrachtung. Sie haben sich nicht als Bestandteil der Gesellschaft insgesamt im Blick. Da ist es schon unser Part darauf hinzuweisen, dass es gut wäre, wenn sich die Kirche an Entwicklungen auf Gemeindeebene beteiligen und mit ihren Räumen und ihren Personen Begleit- und Versorgungsstrukturen mit aufbauen würde. Hier könnten Kirchengemeinden eine klasse Rolle spielen. Da gibt es sicher noch Luft nach oben.
Kann die Caritas dabei unterstützen?
Wenn Kirchengemeinden wenigstens zwei der vier pastoralen Schwerpunkte der Diözese, das Ehrenamt und das Diakonische, mit Schwung angehen, sind wir als Caritas der organische Partner. Das klingt jetzt etwas vollmundig, aber wir bekommen von Menschen - gerade auch außerhalb der verfassten katholischen Kirche - rückgemeldet, dass wir der glaubwürdige Teil dieser Kirche sind. Wir haben früher auch Fehler gemacht. Aber daran haben wir gearbeitet und das wird uns jetzt attestiert. Wir sind bereit, da mit den Kirchengemeinden etwas zu entwickeln.