Stern und Stein - zwei Urbilder des Menschseins bilden gleichsam die Pole, zwischen denen sich der Mensch mit seiner Gefühlswelt immer wieder einordnet, zumal zu Beginn des Jahres. Stern und Stein stehen auch für eine spannende Begegnung philosophischer Motive im Grenzbereich von Glaube und Denken. Mit Bildern, Gedanken und Klängen machte die zehnte Ausgabe des jährlichen Leitvortrags fürs Dekanat die Polarität dieser Gefühle zum Thema, die das Leben eines jeden Menschen prägen und in aufgeregten Zeiten besonders bedacht sein wollen: Gefühle und Zeiten der Geworfenheit, Stimmungen und Momente der Getragenheit.
Mit „Geworfenheit“ beschreibt der Philosoph Martin Heidegger (1889-1976) die faktische Tatsache des Sich-Vorfindens, die Unausweichlichkeit des Daseins: das ungefragt in die Welt geworfen worden sein. Diese Geworfenheit sei unentrinnbar und undurchschaubar und laste bisweilen schwer wie ein Stein auf dem Einzelnen, sagte Dekanatsreferent Dr. Wolfgang Steffel in seinem Vortrag. Mit „Wirbel, bodenlosem Schweben, Absturz“ charakterisiere Heidegger dieses Bild, das freilich immer auch mit dem Motiv des Entwurfs, des Entwerfens, verbunden sei. Der Mensch, der in die Welt geworfen sei, habe immer die Gelegenheit, sein Leben „in die Hand zu nehmen, zu gestalten, zu entwerfen“, so Steffel.
Den Karren der Lasten an einen Stern anbinden
In den Augen seines Schülers Oskar Becker (1889-1964) habe Heidegger den Lastcharakter der Geworfenheit überbetont. Becker verwerfe die Geworfenheit nicht, „möchte sie aber weiten in einen anderen Bereich hinein: die Getragenheit“. Es gehe nicht darum, „die Geworfenheit beiseitezuschieben oder sie in die Getragenheit aufzulösen“. Becker habe aber eine Art Leichtigkeit ins Spiel gebracht. „Becker sagt, dass wir den Karren, den wir im Leben ziehen müssen, an einen Stern binden können“, erläuterte Steffel. Und wenn dieser Zugkraft „eine große Idee, ein größerer Zusammenhang oder eine Gnade“ innewohne, „dann werden wir diesen Karren leichter und eher ziehen können und vielleicht später einen tieferen Sinn erkennen können. Dieser Sinn wird uns vielleicht einmal aufleuchten wie ein Stern.“