Veranstaltung

Gibt es eine christliche Politik?

Melanie Zink (3. v. li.) moderierte den letzten Abend der Gesprächsreihe zum Thema „Gibt es eine christliche Politik?“ im Dekanatshaus in Ulm. Dekanatsreferent Dr. Wolfgang Steffel begleitete die Veranstaltung musikalisch. Foto: DRS/Jerabek

Melanie Zink (3. v. li.) moderierte den letzten Abend der Gesprächsreihe zum Thema „Gibt es eine christliche Politik?“ im Dekanatshaus in Ulm. Dekanatsreferent Dr. Wolfgang Steffel begleitete die Veranstaltung musikalisch. Foto: DRS/Jerabek

Wie politisch ist christliche Moral? Die Veranstaltungsreihe „Treffpunkt Christsein“ hat sehr unterschiedliche Modelle beleuchtet.

Die Frage, wie sich Christsein im politischen Handeln niederschlägt oder niederschlagen muss, bewegt die Menschen. Fünf Abende, fünf „Modelle“, fünf Persönlichkeiten, die mit ihren Texten dafür Pate standen – und damit jede Menge „Material“ für einen jeweils kontroversen Meinungsaustausch gab es beim „Treffpunkt Christsein“ im Dekanat Ehingen-Ulm. Zum Beispiel, wer erinnert sich nicht an die aufreibende Debatte um die Schwangerenkonfliktberatung in Deutschland? Genau 20 Jahre ist es her, dass die deutschen Bischöfe „eine Neuordnung der katholischen Beratung im Sinn der Weisung des Papstes“ beschlossen, die keine Ausgabe von Beratungsscheinen als Berechtigung für eine straffreie Abtreibung mehr vorsah.

Wichtige Grundhaltungen

Wie sah Kardinal Karl Lehmann (1936-2018), damals Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, die Rolle der Kirche in der Politik? „Im Blick auf das Christliche in der Politik sind für mich zunächst einmal die Grundhaltungen wichtig“, sagte er einmal. „Diese Grundhaltungen entsprechen den klassischen Tugenden … wie Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und Maß. Dazu gehören auch Grundwerte wie Solidaritätsempfinden, besonders auch mit Schwächeren, damit man die Solidarität nicht auf die Gleichgesinnten allein bezieht.“ Als „ganz entscheidend“ sah Lehmann „die ständige Gewissensbildung des Politikers“ an. Kirche könne bei den Grundhaltungen und bei der Gewissensbildung eine Rolle spielen. Dies bedeute aber auch, „dass man nicht mit politischen Mitteln in den innersten Bereich der politischen Entscheidungen im Detail einzugreifen versucht“.

Die Gefahr, dass die Kirche ihren inneren Kompass verliert, wenn sie „sich in dieser Welt einrichtet, selbstgenügsam wird und sich den Maßstäben der Welt angleicht“, formulierte einmal Papst Benedikt, thematischer „Protagonist“ des zweiten Abends. In seiner Freiburger Rede 2011 forderte er eine Rückbesinnung auf die christliche Heilsbotschaft, mehr missionarischen Schwung und Dienstbereitschaft, weniger institutionelle Machtansprüche. „Entweltlichung“ sah er nicht als Rückzug, sondern ganz im Gegenteil als Offensein für die Anliegen der Welt.

Aufgrund ihrer Verschlossenheit krank

Ähnlich pointiert formulierte sein Nachfolger Franziskus, als er davon sprach, dass eine Kirche, „die aufgrund ihrer Verschlossenheit und ihrer Bequemlichkeit, sich an die eigenen Sicherheiten zu klammern, krank ist“. Seine Warnung vor einer „Globalisierung der Gleichgültigkeit“ 2013 auf der Flüchtlingsinsel Lampedusa könnte aktueller nicht sein, das wurde am dritten Abend deutlich.

Gegen eine „Tyrannei des vorherrschenden Meinens und Empfindens“wendet sich Joachim Gauck. In seinem Buch über Toleranz in der Gesellschaft macht sich der ehemalige Bundespräsident und Pastor darüber Gedanken, welche Toleranz eine Gesellschaft braucht. „Toleranz als Duldung, Respekt und Liebe“, so war der vierte Abend überschrieben. Einen eher meditativen Abschluss fand die von einem Team mit Birgit Schulheiß, Dr. Wolfgang Steffel und Melanie Zink moderierte Reihe in dem einstigen UN-Generalsekretär und Friedensnobelpreisträger Dag Hammarskjöld (1905-1961). Der zielstrebige Beamte und erfolgreiche Diplomat wurde erst nach seinem Tod auch als Mystiker bekannt, der die Selbsthingabe als Weg zur Selbstverwirklichung sah: „Nicht ich, sondern Gott in mir“, schrieb er 1953 in sein spirituelles Tagebuch.

"Gott braucht dich"

Fünf Modelle, wie sich Christsein in der Welt bewährt – welches ist der Königsweg? „Eine eindeutige Antwort werden wir nie kriegen“, bilanzierte Dekanatsreferent Dr. Wolfgang Steffel die Veranstaltungsreihe. „Glaube ist sehr vielfältig“, doch jeder Ansatz verdiene es, meditiert zu werden. Denn für Christen gelte, was Dag Hammarskjöld einmal niederschrieb: „Gott braucht dich, auch wenn es dir im Augenblick nicht passt.“

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