„Die Menschen sind fasziniert vom Glauben, wenn er auf ihre tiefsten Sehnsüchte antwortet“, ist Pater Anselm Grün überzeugt. Oft sei der christliche Glaube „von oben herab verkündet“ worden und „wir haben zu wenig hingehört: Was sind denn die Fragen der Menschen, ihre tiefsten Sehnsüchte?“ Diese Sehnsüchte nahm der wohl bekannteste spirituelle Autor in Deutschland in seiner Predigt unter die Lupe und formulierte einige Gedanken, wie der Glaube heute verkündet werden könne, dass die Menschen so berührt sind, „dass der Glaube unser Leben trägt“.
Wer bin ich eigentlich? Die Frage nach der eigenen Identität stelle sich besonders in einer Zeit, die geprägt sei von dem „Druck, uns darstellen zu müssen“, sich besser darstellen zu müssen als die anderen, eine Rolle zu spielen, etwa in den Sozialen Medien. Doch das sei gar nicht das wahre Selbst und mache vielfach unfrei, sagte Pater Anselm. Die Botschaft des Glaubens sei: Jeder Mensch ist einmalig. Unsere Identität bekommen wir von Gott her. „Wenn ich ganz ich selber bin, dann bin ich frei, dann habe ich es nicht nötig, mich darzustellen, mich beweisen zu müssen, mich rechtfertigen zu müssen.“ In der Taufe spreche Gott dem Menschen zu: Du bist mein geliebter Sohn, du bist meine geliebte Tochter. An dir habe ich Wohlgefallen.
Getragen von der Gemeinschaft der Glaubenden
Andere Sehnsüchte seien die Sehnsucht nach Freiheit und die nach Vertrauen – das Selbstvertrauen genauso wie das Vertrauen anderen gegenüber. „Es geht nicht darum, nach außen selbstbewusst aufzutreten, sondern: wenn ich mein Selbst von Gott her erfahre, wenn ich spüre: ich bin wertvoll, so wie ich bin – einmalig –, dann kann ich mir selber vertrauen“, sagte der Prediger. Vertrauen bedeute auch Zugehörigkeit. „Wenn wir hier Gottesdienst feiern, dann fühlen wir uns zugehörig. Wir sind nicht allein, sondern getragen von der Gemeinschaft der Glaubenden.“ Auch wenn ich manchmal nicht glauben kann oder zweifle, bin ich trotzdem getragen.“ Im Münster von Obermarchtal, der ehemaligen Klosterkirche, habe man Anteil an der Glaubenserfahrung vieler Mönche, die hier jahrhundertelang gelebt haben, und aller Gläubigen, die hier gebetet haben. „Die Kirche selber ist ein gebauter Glaube. Die Schönheit der Kirche ist Ausdruck des Glaubens“, so Pater Anselm.