Glauben

Glauben an eine gestaltbare Zukunft

Der Stuttgarter Stadtdekan Dr. Christian Hermes sprach am Freitag, 24. Oktober, im Adolph-Kolping-Gemeindezentrum auf dem Horber Hohenberg. Foto: Volker Schmid

In einem Vortrag sprach Stadtdekan Christian Hermes über Glaube, Kirche und Religion sowie deren Umgang mit gesellschaftlicher Transformation.

„Der Glaube ist tot, es lebe der Glaube!” - so lautete das Motto des Diskussionsabends mit Stadtdekan Monsignore Dr. Christian Hermes der am Freitag, dem 24. Oktober 2025, im Adolph-Kolping-Gemeindezentrum auf dem Horber Hohenberg stattfand. In einer Sache waren sich die Gäste und der Referent einig: In Zeiten wie diesen braucht es Glaube, Kirche und Religion mehr denn je – wenn auch in veränderter Form.

Christian Hermes, promovierter Theologe und Stuttgarter Stadtdekan, war auf Einladung des Katholischen Dekanats Freudenstadt und der Katholische Erwachsenenbildung (keb) im Kreis Freudenstadt zu Gast in Horb. Die Idee dazu hatten Diözesanrätin Marita Walz und der Referent gemeinsam bei einer Sitzung des Diözesanrats. Gekrönt wurde diese Idee von rund 30 Interessierten, weshalb sich die keb-Leiterin Iris Müller-Nowack in ihrer Begrüßung über „einen schön gefüllten Saal“ freute. Und letztlich erfüllte der Referent auch das Versprechen der Dekanatsreferentin Elisabeth Wütz, die einen „spannenden Vortrag“ versprach.

Religion und Glaube ändern sich radikal

Um den Umgang mit Veränderungen und gesellschaftlicher Transformation ging es an diesem Abend. Dabei hält Christian Hermes den Begriff „Transformationsprozesse“ für zu schwach: „Man kann schon von Krisen sprechen!“ Es herrsche eine Polykrise. Dazu nannte er Stichworte wie Klima-Problematik, Corona-Auswirkungen, Gaza, Putin, Migration oder Künstliche Intelligenz: „KI stellt aktuell alles infrage und lässt uns ganz schön dumm aussehen“, meinte Hermes. Überhaupt sei alles von Unsicherheit geprägt. Da wünsche man sich, dass in der Religion wenigstens noch alles in Ordnung ist. „Aber auch Religion und Glaube ändern sich radikal“, so Hermes. Kirche, Glaube und Religion seien ein Teil der Veränderung. Dabei höre man oft: „Ihr müsst der Kitt sein“. Das sei laut Hermes aber schwierig: „Ich bin ja nicht Miraculix und habe einen Zaubertrank, der alles wieder schön macht.“

Angesichts des immensen Mitgliederschwunds der Kirchen erklärte Hermes: „Es ist nicht so, dass die Leute nicht mehr glauben. Sie glauben halt nur nicht mehr in der Kirche.“ Er ist sich aber auch sicher: „Menschen können nicht leben, ohne an etwas zu glauben!“ Aktuell glauben die Menschen jedoch eher an Fortschritt, Technik oder mit etwas Glück an Demokratie, Werte und Menschenrechte. „Esoterik und Aberglaube lassen wir mal weg“, so Hermes. Am Beispiel von Putin oder Trump könne man zudem einen Art Glauben an die Größe der Nation erkennen. Und selbst die KI werden, wie ein neuer Gott behandelt: „Die Menschen gehen mit KI so um, als wäre sie allmächtig. Da bin ich als Pfarrer echt neidisch“, lachte Hermes angesichts des grenzenlosen Vertrauens in KI. Denn auf viele wirke KI schon gütiger als Gott, der in der Bibel ja auch mal wütend wird.

Menschen müssen an eine gestaltbare Zukunft glauben

Wenn Sinn, Identität, Heil, Trost, Hoffnung, Verheißung oder Geborgenheit verloren gehen, entsteht laut Hermes ein Gefühl, „dass alles den Bach runtergeht“: „Menschen müssen an etwas glauben, wenn sie keine zynische Untergangsneurotiker werden wollen“, betonte Hermes. Ansonsten spiele das beispielsweise der AFD in die Karten, die alles nur schlecht mache. Dazu müssten die Menschen aber wieder lernen, dass die Zukunft gestaltbar ist, denn letztlich lebe die demokratische Weltordnung davon, dass Menschen an sie glauben. Die Kirche sollte laut Hermes zudem keine Heimat-Idylle vorgaukeln oder vor der Gegenwart beschützen, sondern dazu beitragen, diese Transformationsprozesse zu bewältigen.
 

„Brücken bauen, für Solidarität sorgen und sich um Menschen kümmern.“
Stadtdekan Christian Hermes


Dabei werde aktuell, so Hermes, „nichts Heiliges“ und kein Fokus auf Religion erwartet: „Am meisten gefragt sind soziale und solidarische Handlungen.“ Die Kirchen sollen „Brücken bauen, für Solidarität sorgen und sich um Menschen kümmern“. „So wird Religion wahrgenommen“, erklärte Hermes und fügte an: „Wir sind also nicht so ganz auf der falschen Spur.“ Als Glaubensgemeinschaft müsse man an die Gestaltungsmöglichkeiten der Zukunft glauben: „Glaube, Religion und Kirche sind wahnsinnig herausgefordert im Moment“, betonte Hermes und erklärte abschließend: „Ich bin der Meinung, dass es schon lange nicht mehr so wichtig war, an was und warum wir glauben!“

In der anschließenden Diskussion wurde deutlich, dass die Kirche und ihre Sozial- und Bildungsverbände wie die Caritas oder die keb sich bereits stark für Menschrechte oder Flüchtlinge einsetzen, auch wenn dieses soziale Engagement nicht immer als kirchlich wahrgenommen wird. Weil an diesem Abend rund zwei Drittel des Publikums Frauen waren, kam zum Schluss auch die „Frauenfrage“ auf, also ob Frauen irgendwann Priester werden können. Da machte Hermes wenig Hoffnung, auch wenn sich die religiöse Landschaft extrem verändern werde: „Die Ämter-Theologie ist in Stahlbeton gegossen!“ Vielleicht wird es laut Hermes irgendwann weibliche Diakone geben. „Die Frauen werden Trostpreise kriegen“, brachte Hermes dieses Thema auf den Punkt.

Als Dank für den Vortrag gab es von Dekanatsreferentin Elisabeth Wütz für den Referenten ein „Schwäbischer Gruß“-Geschenkpaket, während die Diözesanrätin Marita Walz einen Korb Walnüsse übergab und erklärte: „Wer Probleme angeht, muss die Schale knacken und dann kommt etwas Wertvolles heraus.“ Dr. Christian Hermes knackte die ersten Nüsse sofort und appellierte an alle: „Bringen Sie sich ein. Zukunft kann man gestalten!“

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