Spiritualität

Glaubenserfahrung am Badesee oder beim Laufen

Gott am See

Vor dem Segen leitet Peter Jost die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu einer Atemübung an. Foto: DRS/Guzy

Mit einer letzten Ausgabe von „Gott am See“ endet das ökumenische Projekt Raumwunder. Der Experimentiergeist soll aber weiterleben.

Mit Taschenlampen leuchten Besucherinnen und Besucher den Weg vor ihren Füßen aus. Der Starkholzbacher See liegt ruhig in abendlicher Dunkelheit. Nur einige LED-Teelichter und vier Farbstrahler markieren die Sitzplätze und ein Stück des Ufers. Der Wind lässt ab und zu die Baumkronen rascheln, und einzelne Wasservögel kreischen in die Nacht hinein. Wegen der besonderen Stimmung ist sie immer wieder bei „Gott am See“ dabei, erklärt eine 46-Jährige. Es ist die letzte Ausgabe dieses besonderen Andachtsformats.

Die meditative halbe Stunde am Sonntagabend am Starkholzbacher See, etwa acht Kilometer von Schwäbisch Hall entfernt, hat Peter Jost im Rahmen des ökumenischen Projekts Raumwunder entwickelt. Mit diesem wollte er neue Formate an Orten außerhalb der Kirchenmauern ausprobieren, um andere Zielgruppen als die klassischen Gottesdienstbesucher anzusprechen. Wenn Jost sein Projekt erklärt, scheint der soziologische Hintergrund durch: Er spricht von „postmodernen Menschen“, die kirchlich nicht gebunden sind oder der Institution Kirche skeptisch gegenüberstehen, aber dennoch eine Sehnsucht in sich spüren würden und Suchende seien. Für sie sollte Raumwunder „spirituelle Akzente“ setzen, wie es Jost formuliert, um sie auf überraschende Weise mit christlichem Glauben in Berührung zu bringen.

Musik, Impulse, Segen

„Gott am See“ veranschaulicht am besten, wie das praktisch aussehen kann. Die Stille und die Natur am See, ruhige Musik, ein biblischer Text über Nikodemus, ein Text über den Mathematiker und Philosophen Blaise Pascal, ein Segen verbinden sich auf eine eher assoziative Weise. Damit erreicht Jost zum Beispiel Menschen, die einen schönen Ausklang für den Sonntag suchen oder die einfach nur die Atmosphäre am See genießen wollen.

Da mit dieser Novemberausgabe von „Gott am See“ nicht nur das Format, sondern auch das Projekt seinen Abschluss findet, richtet noch Dr. Johannes Reinmüller, Projektpfarrer bei der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, einige Worte an Jost. Er dankt ihm für die Kreativität und den Mut. Die Welt sei diverser und komplexer geworden, sagt Reinmüller. Statt den überschaubaren Zeiten hinterherzutrauern, gilt es, nach neuen Wegen zu suchen, wie Gottes Botschaft den Menschen nähergebracht werden kann, führt Reinmüller aus.

Beide Kirchen machen mit

Die Idee für Raumwunder hatte Jost aus Dresden mitgebracht. Dort hatte er vor seinem Umzug nach Schwäbisch Hall ein Projekt geleitet, das sich an Konfessionslose richtete. Er habe dabei gute Erfahrungen mit der katholischen Seite gemacht, erklärt der evangelische Theologe. Daher habe er das Projekt in Schwäbisch Hall von Anfang an ökumenisch gestalten wollen. Jost sprach beide Kirchen an und überzeugte sie von seiner Idee.

Neben Spendern und dem Verein Andere Zeiten aus Hamburg beteiligten sich der evangelische Kirchenbezirk Schwäbisch Hall und die katholische Diözese Rottenburg-Stuttgart an der Finanzierung des Projekts. Auch die katholische Gesamtkirchengemeinde Schwäbisch Hall unterstützte Raumwunder – in Person von Ulrich Müller-Elsasser. Der Gemeindereferent war Mitglied des ökumenisch besetzten Steuerungsteams. Dieses begleitete das Projekt, wie Müller-Elsasser erklärt.

Erfahrungen für die Zukunft

Jost machte in Schwäbisch Hall eine Befragung zur Glaubenssituation in der Stadt, bot zusammen mit der VHS Seminare an oder beteiligte sich mit einer Ausstellung zum Vaterunser am Kunstwochenende. Da der Projektzeitraum in die Coronazeit fiel, musste er seine ursprünglichen Pläne allerdings anpassen. So entstand das Format „Gott am See“, das alle zwei Wochen und zuletzt monatlich stattfand. Es gab außerdem sonntags Vormittag eine meditative Laufgruppe. Durch die ist sie mit spirituellen Themen in Berührung gekommen, berichtet eine Teilnehmerin am See. Sie sagt über sich, dass sie keiner Kirche angehört. Dann sucht sie wie die anderen in der Dunkelheit ihren Weg.

Es sei spannend gewesen zu beobachten, was passiert, wenn ganz andere Formate eingesetzt werden, sagt Müller-Elsasser. Die Erfahrungen daraus sollen künftig genutzt werden. Laut dem katholischen Gemeindereferenten hat der Gesamtkirchengemeinderat beschlossen, niederschwellige Angebote und Veranstaltungen an alternativen Orten stärker in den Blick zu nehmen. Die noch zu entwickelnden Formen sollen dabei nach Möglichkeit ebenfalls gleich ökumenisch ausgestaltet sein.

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