Spiritualität

Gott in allem suchen

An- und Innehalten: Mit Ignatianischen Impulsen startet das Dekanat Ehingen-Ulm wieder in die Programmarbeit unter den Vorzeichen von Corona. Foto: Dekanat Ehingen-Ulm

Weil Glaube viel mit „Üben“ zu tun hat: Die Bedeutung der Ignatianischen Impulse erläutert Ulms Dekanatsreferent Dr. Wolfgang Steffel im Interview.

Herr Dr. Steffel, zum zehnten Mal stellt das Dekanat die Geistlichen Übungen des Ignatius von Loyola in den Mittelpunkt seines spirituellen Angebots. Warum immer Ignatius?

Ignatius bietet eine in sich stimmige Spiritualität. Neben der franziskanischen und der benediktinischen Tradition ist die ignatianische Spiritualität eine der großen Strömungen, mit der schon viele Menschen bei Exerzitien oder ignatianischen Wallfahrten in Berührung gekommen sind. Diese Erfahrungen wollen sie auch im Alltag fruchtbar werden lassen. Unser Angebot hat vor neun Jahren eine so gute Resonanz gefunden, dass wir es Jahr für Jahr fortgesetzt haben. Ignatius sagt, dass der Glaube viel mit „Üben“ zu tun hat – Exerzitien heißt ja „geistliche Übungen“.

Was wird denn eingeübt?

Bei Exerzitien geht es nicht um ein Wissen, sondern eine Ausrichtung, die man meditiert und immer wieder herholen, also richtig einüben muss: die Ausrichtung auf Gott. Wir sind ja im Alltag meist nicht auf Gott ausgerichtet, sondern auf viele andere Dinge. Deshalb müssen wir diese Ausrichtung wachhalten…

…und zwar, indem wir…

…Gott in allem suchen und finden – das ist ein großes Motto von Ignatius. Es geht darum, Spuren des Wirkens Gottes im eigenen Leben zu suchen. Bei Ignatius heißt es ja eigentlich: Christus in allem suchen – wenn jemand auf mich zukommt, auf dem Gesicht des andern das Antlitz Jesu zu erahnen. Ignatius hat auch viele Empfehlungen für eine gute Kommunikation gegeben: langsames Sprechen, das zugleich ein offenes Zuhören ermöglicht und die Wahrnehmung der Regungen des Gesprächspartners, eine gute Selbstwahrnehmung, gewissermaßen einen inneren Kompass: Was regt sich jetzt in mir im Gespräch mit meinem Gegenüber, also Kommunikation von beiden Seiten her! Ignatius war ein ganz großer Kommunikationspsychologe… Ein anderer Aspekt ist, dass wir Gott in Freud und Leid suchen – wie es in dem Lied heißt: „Alles meinem Gott zu Ehren, alle Freude, alles Leid.“

 

Früher sagte man zwar: „Not lehrt beten.“ Aber klingt das für heutige Ohren nicht etwas sperrig?

Ignatius fordert heraus, weil er die Gottsuche nicht nur auf das Schöne lenkt, sondern auch auf das Schwierige: Die Herausforderungen im Leben, das Sperrige oder die Depression sind auch Orte der Gottsuche. Wir können nicht das Leid und das Kreuz, das uns ja wirklich täglich begegnet, einfach ausklammern oder eine Verteilung unternehmen wie „Sonnenseite = Gott, Schattenseite = irgendetwas Böses“.  Es wäre kein echter Dialog mit der Wirklichkeit mehr, wenn wir einen Teil dieser Wirklichkeit – Tod, Krankheit, Schwierigkeiten – ausklammern.

Ausklammern will man das vielleicht gar nicht, aber man tut sich einfach leichter, Gott im Schönen, etwa in der Natur, zu entdecken…

Gott in allem suchen heißt aber eben nicht nur, verschiedene Orte aufzutun, wo man Gott erfährt: die Natur, die Kirche… Ignatius selbst hat durch eine tiefe Depression zu Gott gefunden, weil Gott sich ihm gezeigt hat als der Dreifaltige. Davon zeugen auch spätere Jesuiten wie Alfred Delp, der auch im Gestapo-Gefängnis aus der Weisung seines Ordensgründers lebte und auch in dieser Situation Gott suchte – durch das Schwierige hindurch. Delp erfuhr, dass Gott in allem, im Schönen und im Elend, Begegnung feiern und die anbetende, hingebende Antwort will.

Was ist das Charakteristische der ignatianischen Exerzitien?

Exerzitien sind eine Einübung in eine intensive Gottesbegegnung, in eine sehr persönliche Jesusbeziehung. Um Jesus zu „erfahren“, soll ich mir den Ort vorstellen, wo Jesus war, wie er geredet hat, wie es da geduftet hat. Diese Fantasiereise soll mich hineinfügen in eine Begegnung mit Jesus. Die Exerzitien bieten deshalb viele biblische Vorstellungsbilder, in die ich immer mehr hineintauche. Und ich überlege, was sie in mir auslösen – welchen Trost, welche Herausforderung, welche Weisung für mein Handeln im Alltag sie geben. Es geht darum, Gott wirklich von Innen her  zu spüren und zu verkosten. Dieses Verkosten vollzieht sich konkret in der Eucharistie, der Ignatius deshalb eine große Wertschätzung entgegenbrachte.

Wie laufen die Abende der Ignatianischen Impulse ab?

Menschen sollen ihren Glauben zur Sprache bringen. Die Ignatianischen Impulse sind überschrieben mit „Gebet und Gespräch im Geiste der Exerzitien“. Die Teilnehmer sind deshalb zunächst eingeladen, den Tag nochmals herzuholen, ihn wie einen Film nochmals anzuschauen: Wem bin ich begegnet? Was hat sich da in mir bewegt? Die tägliche Gewissenserforschung ist auch ein großes Anliegen von Ignatius. Es geht darum, mit Liebe nochmals anzuschauen, was mir begegnet ist – auch hier, ohne Dinge auszuklammern –, und das vor Gott zu bringen, vor Gott zu verspüren und zu verkosten.

Was kann oder was soll diese Herangehensweise bewirken?

Durch die Ausrichtung auf Gott und indem ich infrage stelle, was im Alltag als vermeintlich total wichtig und erstrangig auf uns zukommt, habe ich eine souveräne Distanz und lasse mich nicht ständig instrumentalisieren. Das ist ein ganz wichtiges Thema: Wenn Ignatius sagt: Ich soll ein langes Leben nicht mehr verlangen als ein kurzes, Gesundheit nicht mehr als Krankheit, dann stellt er typische Maßstäbe unserer Welt und unserer Gesellschaft infrage. Solche Wertmaßstäbe belasten uns ja immer, weil wir ihnen entsprechen wollen. Die Ausrichtung auf Gott schafft diese souveräne Distanz zu dem, was andere mir einreden wollen, was wichtig sei. Das nennt man die Hochgemutheit. Das ist die Fähigkeit, dass der Mensch eine andere Dimension einnimmt, von oben auf die Dinge schaut. Diese Haltung der Ent-Haltung, die Ignatius angelehnt an die stoische Philosophie „Indifferenz“ nennt, üben wir um einer größeren Unabhängigkeit willen ein.

Wie sind die Ignatianischen Impulse angelegt?

Eine Saison besteht in der Regel aus sechs bis sieben Abenden, immer am letzten Dienstag des Monats. Es gibt ein Leitthema, in dieser Saison werden im Geiste des Ignatius verschiedene „geistliche Übungsbücher“ vorgestellt.

Fortsetzung des Dekanatsprogramms

Das Dekanatsprogramm in persönlicher Begegnung wird am Dienstag, 30. Juni, 19.30 bis 21 Uhr in der Wengenkirche in Ulm mit den „Ignatianischen Impulsen 2020“ wieder aufgenommen. Zum Jubiläum der 10. Saison stellt Dekanatsreferent Dr. Wolfgang Steffel geistliche Übungsbücher im Geiste des Ignatius von Loyola (1491-1556) vor, denn dieser steht in einer langen Tradition der Seelenleitung. Zum Auftakt geht es um den tieferen Sinn der Gleichgültigkeit bei Ignatius und in Senecas Dialog „Vom Glückseligen Leben“. Der stoische Philosoph Seneca (4 v. Chr. - 65 n. Chr.) nennt zu Beginn seiner Schrift drei Schritte: sich erstens das Ziel vor Augen zu stellen, zweitens nach Wegen dorthin Ausschau zu halten und drittens auf dem Weg den täglichen Fortschritt zum Ziel zu betrachten. Nicht nur dies ähnelt den Exerzitien des Ignatius.

Eine Teilnahme ist nur mit Anmeldung beim Dekanat möglich. Die Jubiläums-Reihe wird bis Oktober immer am letzten Dienstag des Monats zu Augustinus (28. Juli), Thomas von Kempen (29. September) und Friedrich von Spee (27. Oktober) fortgesetzt.

Info und Anmeldung bei der Geschäftsstelle des Dekanats Ehingen-Ulm, Telefon (0731) 92060-10.

Zum Gedenktag des Ignatius

Ein "Konzentrat" der Ignatianischen Impulse, deren zehnter Durchgang 2020 in Ulm gefeiert wird, gibt es am 26. Juli, 18 Uhr, unter dem Titel "Der Dreieine öffnet sich" in der Schönenbergkirche in Ellwangen (Foto). In einem Vespergebet wird das große Bild des Ignatiusaltars meditiert. Ignatius ist geborgen im Raum der Dreifaltigkeit. Anschließend spricht Wolfgang Steffel über die Geistlichen Übungen des Ignatius und andere "Exerzitienbücher" aus zwei Jahrtausenden.

Veranstalter ist die "action spurensuche". Anmeldung über das Pfarramt St. Vitus, Telefon (07961) 3535.

Weitere Nachrichten

Bischof
Bischof Klaus bei seinem ersten Pontifikalamt in Stuttgart, mit Stadtdekan Christian Hermes und Weihbischof Thomas Maria Renz
Bischof Krämer in der Konkathedrale St. Eberhard in Stuttgart: "Synodalität ist ein Wesensmerkmal unserer Kirche".
Weiterlesen
Kultur
Acht Leben – Glaubensgeschichten aus dem Südwesten
Graphic Novel bietet neuen Zugang zum Leben von Christinnen und Christen aus 13 Jahrhunderten. Übergabe an Bischof Dr. Krämer in Stadtbibliothek.
Weiterlesen