Weltkirche

Grün ist die Hoffnung

Die Teilnehmenden der Studienreise sprechen mit Geflüchteten. Bild: Diözese Rottenburg-Stuttgart / HA Weltkirche

Hilfe für Geflüchtete: Dr. Heinz-Detlef Stäps berichtet von einer Studienreise in den Libanon und nach Jordanien. Auch drei Diözesanräte sind dabei.

Msgr. Dr. Heinz-Detlef Stäps, Leiter der Hauptabteilung Weltkirche in der Diözese Rottenburg-Stuttgart, berichtet: Einige Stufen mussten wir hinabsteigen bis zu ihrer Wohnung. Wir merkten sofort, dass sie versucht hatte, eine schöne kleine Oase für sich und ihre Kinder zu schaffen. Die Treppenstufen von der Straße in den kleinen Garten waren mit einem blauen Teppich belegt und gegenüber dem Eingang zur Wohnung hatte sie Blumentöpfe aufgestellt, kleine Pflanzen selbst angezogen, sicher Gemüse für den Eigengebrauch. Grün ist die Hoffnung.

Aisha lebt mit ihren drei Kindern in der schäbigen Kellerwohnung in Amman. Sie zeigt uns, wo der Putz von der Decke fällt. Dann führt sie uns ins Wohnzimmer, wo zwei Kinder in Decken gehüllt auf Betten liegen. Es ist ein ungewöhnlich kühler Tag für April und es gibt keine Heizung.

Jasmin ist die Jüngste. Sie geht in die zweite Klasse. Im Moment geht sie allerdings nicht mehr regelmäßig zur Schule. Sie fühlt sich nicht wohl mit anderen Kindern, vielleicht wird sie gemobbt, wir wollen nicht so genau nachfragen.

Die Familie kommt aus Syrien, ist geflohen vor dem Krieg. Die Kinder haben die Bomben erlebt und den Kugelhagel. Sie mussten Menschen sterben sehen. Mohammed ist ihr älterer Bruder. Er ist stark traumatisiert vom Krieg und geht nicht zur Schule. Er liegt vor dem Fernseher und schaut „Spongebob“. Im Caritaszentrum hat er eine Musiktherapie erhalten und man hat ihm geholfen, das Erlebte zu verarbeiten. Er hat ein Schwert aus Pappe gebastelt, damit er die Familie verteidigen kann, wenn die Feinde kommen. Der Krieg ist noch in ihm drin.

Den ältesten Sohn sehen wir nicht. Er liegt in einem anderen Zimmer und ist so stark traumatisiert, dass er das Bett kaum verlassen kann. Der Vater hat ihn immer wieder geschlagen. Dann hat er sich eine andere Frau genommen. Aisha ist geschieden und muss alleine für ihre Kinder sorgen. Ihr Bruder wurde im Krieg getötet, die Mutter liegt im Libanon  auf der Intensivstation. Das Elend ist kaum zu fassen.

Neben der Musiktherapie für die Kinder hat Caritas Jordanien Aisha eine Gesprächstherapie ermöglicht. Ihre Probleme sind so vielschichtig, da sie und ihre Kinder wegen Depressionen in Isolation leben, kaum das Haus verlassen, keine Sonne, keine frische Luft, was wiederum zu Krankheiten und verschärfte Depressionen führt. Wir besuchen das Caritaszentrum, das in einem stark von Geflüchteten bewohnten Stadtteil der Hauptstadt Amman liegt. Als ich 2016 in Amman war, wohnten die meisten noch in Zeltcamps, nun sind sie in Häusern untergebracht, aber oft unter unwürdigen Bedingungen wie Aisha und ihre Kinder. Das Caritaszentrum bietet ihnen primäre und sekundäre Gesundheitsversorgung an. Dazu gehört auch die psychosoziale Betreuung. Es ist ein guter, ganzheitlicher Ansatz. Zweifellos würden aber zumindest die Kinder eine intensive Therapie brauchen, wahrscheinlich sogar einen stationären Klinikaufenthalt. Das kann Caritas aber nicht leisten. Es gehört zu den Grunderfahrung von Hilfsorganisationen, dass sie nicht alle Probleme lösen können, ohnmächtig sind angesichts der Riesenprobleme. Aber Hilfe ist es in jedem Fall.

Aisha hat auch sechs Monate lang Bargeld erhalten. Da konnte sie ihre Miete bezahlen, das Essen und ab und zu mal etwas Süßes für die Kinder oder ein Eis. Die Kinder waren glücklicher in dieser Zeit, erzählt sie uns. Das Geld wurde von der Diözese Rottenburg-Stuttgart über Caritas international zur Verfügung gestellt. Nach sechs Monaten kommen andere Geflüchtete in den Genuss des regelmäßigen Bargelds und können dafür das kaufen, was ihre Familie am dringendsten braucht. Wenn man vor Ort ist, wird einem sofort klar, wie wichtig es ist, dass solche Projekte jahrelang finanziert werden und die Partner langfristig auf die Hilfe vertrauen können.

Als ich die blauen Treppenstufen wieder hinaufsteige, denke ich daran, wie wir in Rottenburg um unseren Besprechungstisch sitzen und im Team entscheiden, ob wir ein beantrages Projekt fördern oder nicht. Und was davon für Aisha und die Menschen vor Ort abhängt.

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