Fasnet '21

Erst die Feier, dann die Umkehr

Professor Werner Mezger. Foto: IVDE Freiburg.

"Ihren Namen verdient die Fastnacht erst, wenn sie der Vorabend der Fastenzeit ist", sagt der renommierte Volkskundler Prof. Werner Mezger.

Bunte Kostüme, laute Musik, ausgelassene Stimmung – bei dem wilden Treiben der Fastnacht denkt man erstmal nicht an ein kirchliches Fest. Viele bringen die tollen Tage deshalb auch nicht mit dem Christentum in Verbindung, sondern vermuten den Ursprung in heidnischen Ritualen. Spekulationen gibt es viele, doch wo hat die Fastnacht nun tatsächlich ihre Wurzeln? Einer, der das ganz genau weiß, ist der Volkskundler Prof. Werner Mezger, bekannt durch seine zahlreichen Veröffentlichungen und Expertisen zur Fastnacht im Südwesten.

Die Narretei markiert die Tage vor der österlichen Fastenzeit

„Ihren Namen verdient die Fastnacht erst, wenn sie der Vorabend der Fastenzeit ist“, sagt Mezger. Ob Karneval, Fasnet oder Fasching: Die Narretei markiert die Tage vor dem Beginn der österlichen Fastenzeit und beginnt im Südwesten traditionell am 6. Januar mit dem Maskenabstauben.

Dass die Fastnacht nicht nur in Köln, sondern auch in anderen Regionen schon am 11.11. eröffnet wird, liegt daran, dass auch der Advent ursprünglich eine Fastenzeit war. Der Begriff „Fastnacht“ ist übrigens seit dem 13. Jahrhundert belegt und zählt somit zu den ältesten Versionen. Der „Karneval“ tauchte erstmals 1699 auf. Er leitet sich von dem lateinischen "carnelevare" ab, was übersetzt in etwa "Fleischwegnahme" bedeutet.

Die Kirche nutzte die tollen Tage als Gegenspieler

Dass die Kirche die Fastnacht schon immer gerne hätte abschaffen wollen, sei ein Irrglaube, so Mezger. Vielmehr nutzte die Kirche die tollen Tage als Gegenspieler für einen didaktischen Zweck: „Die Fastnacht war die Inszenierung der ‚civitas diaboli‘, eines Teufelsstaats – also der Welt, die man in der anschließenden Fastenzeit überwinden sollte.“ Diese hingegen steht für „civitas dei“, das Reich Gottes.

In der Fastnacht sollen die Menschen also dem gottlosen Leben frönen, um am Aschermittwoch umzukehren und sich dem gottgefälligen Leben anzuschließen. Das wilde Feiern, der übermäßige Genuss von Essen und Alkohol sowie das exzessive Ausleben sexuellen Verlangens stehen im krassen Gegensatz zur schlichten Fastenzeit voller Entbehrungen und Enthaltsamkeit. Das machte und macht die Umkehr umso erlebbarer.

Eine Missdeutung in der Volkskunde des 19. Jahrhunderts

Die Vermutung, die Fastnacht mit ihren Vermummungen sei germanisches Erbe, stammt hingegen aus der deutschen Volkskunde des 19. Jahrhunderts. Einige Forscher interpretierten das Fest als „Relikt aus germanischer Vorzeit“ und als „uraltes heidnisches Winteraustreibungsritual“.

Dies schlossen sie aus Berichten über die Fastnacht aus dem 16. Jahrhundert – allerdings waren die Verfasser dieser Texte häufig protestantisch. Im Protestantismus hatte das Fastnachtfeiern nach der Abschaffung der Fastenzeit seine Grundlage verloren und war dann nicht mehr lange üblich.

Das Treiben der Katholiken an Fastnacht kam den Schreibern daher unchristlich und „heidnisch“ vor, wie Mezger erklärt: „Alles Katholische war heidnisch. Diesen Begriff ‚heidnisch‘ haben dann schon die Brüder Grimm und die sogenannten Mythologen des 19. Jahrhunderts aufgegriffen und ihn missgedeutet: ‚Heidnisch‘ nämlich nicht wie’s gemeint war als außerchristlich, sprich katholisch, sondern als vorchristlich, sprich germanisch.“

Nationalsozialisten nutzten die Missdeutung für ihre Ideologie

Ein weiteres Argument gegen den germanischen Ursprung sei die Tatsache, dass Fastnacht von verschiedenen Nationen in ganz Europa gefeiert wird. Dass sich diese falsche Vorstellung so lange halten konnte, hängt mit der NS-Zeit zusammen.

Die Nationalsozialisten griffen das Germanenmotiv auf, denn es stützte die Ideologie einer nordischen Kultur. „Viele erschrecken dann sehr, wenn sie merken: Das ist braunes Gedankengut,“ sagt Mezger. „Und das schleppt sich bis heute noch durch die Medien.“

Vorchristliche Rituale hatten mit der Fasnet kaum etwas gemein

Allerdings hat die Fastnacht tatsächlich Ursprünge in ländlichen Ritualen. „Ganz sicher hat es an der Wende vom Winter zum Frühling schon in vorchristlicher Zeit Feste gegeben“, sagt Mezger. „Einfach weil es die letzte Möglichkeit war, nochmal gemeinsam – salopp gesagt – einen draufzumachen, ehe dann die Arbeit auf dem Feld angefangen hat.“ Der Februar war also ein Feiermonat.

„Diese Feste aber waren weit entfernt von der Fastnacht“, sagt Mezger. „Da ist nichts von Verkleidungen bekannt.“ Einzig die Schellen, die noch heute zu zahlreichen Narrenkleidle und Häsern gehören und an Viehglocken erinnern, gehen möglichweise auf diese bäuerlichen Bräuche zurück.

„Lärmen ist dabei eine Konstante, die es in allen Kulturen gibt.“ Das drücke vor allem Lebensfreude aus, sagt Mezger. „Da werden keine Geister und Dämonen vertrieben. So blöd waren unsere Vorfahren auch nicht.“

Narri, Narro!

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