Friedensglocken

Heimkehr nach Slawianowo

Nachdem die Glocke 80 Jahre lang weg war, wird sie nun in ihrer Heimat wieder angeschlagen. Foto: DRS / Thomas Brandl

80 Jahre lang läutete eine von den Nazis requirierte Glocke den Gläubigen in Maulbronn zu Gottesdienst und Gebet. Nun ist sie zurück in ihrer Heimat.

1817 in Neustettin gegossen, im Zweiten Weltkrieg von den Nazis zu Rüstungszwecken requiriert, 80 Jahre in Maulbronn geläutet – und nun in die polnische Heimat Slawianowo (Steinmark) zurückgekehrt: Die 500 Kilo schwere Glocke ist am Wochenende im Rahmen einer Messe an Pfarrer Grzegorsz Kortas und seine Gemeinde überreicht worden. Mit dabei waren Monika Mauch, Christine Stamler und Maria Kuzma von der Kirchengemeinde St. Bernhard in Maulbronn, Schwester Faustina Niestroj vom Friedensglocken-Team der Diözese und Mediendirektor Thomas Brandl als Mitglied der Diözesanleitung. Beim anschließenden Beisammensein lud die Kirchengemeinderätin Mauch die polnische Gemeinde zum Gegenbesuch nach Maulbronn ein. Dies stieß auf große Freude und Interesse.

Rund 100.000 Kirchenglocken raubten die Nazis auf einen Erlass von Marschall Hermann Göring im Zweiten Weltkrieg von Kirchtürmen im Reich und dessen damaligen Ostgebieten. Sie sollten schweigen – und statt zu klingen der Waffenproduktion dienen. Als eine von 1.200 Glocken, die am Ende des Krieges der Einschmelzung entgangen waren, kam jene aus Slawianowo in den fünfziger Jahren in die neu entstandene Gemeinde St. Bernhard im württembergischen Maulbronn – übrigens parallel zu einer zweiten, die im nahegelegenen Vaihingen an der Enz landete.

Geste der Versöhnung

Bereits vor sechs Wochen hatte Bischof Dr. Gebhard Fürst mit einer großen Delegation drei weitere Glocken ins Ermland östlich von Danzig zurückgebracht, unter Beteiligung des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann, dessen Familie aus dem Ermland stammt. Slawianowo, 125 Kilometer nördlich von Poznan / Posen und 70 Kilometer westlich von Bydgoczsz gelegen, war von der Reiseroute des Bischofes zu weit entfernt, um ins Programm eingebaut werden zu können. Stattdessen überbrachte die kleine Delegation aus der Diözese jetzt neben der Glocke auch ein Grußwort des Bischofs. 

Pfarrer Grzegorz Kortas und die Mitglieder der 400-Seelen-Gemeinde von Slawiano  zeigten sich während des Gottesdienstes und beim gegenseitigen Austausch danach tief bewegt über die Heimkehr "ihrer" Glocke nach über 80 Jahren. „Wir freuen uns sehr, dass wir sie von alleine zurückbekommen haben und nicht um sie bitten mussten“, sagte Pfarrer Kortas in seiner Predigt. Es habe in der Vergangenheit viele schwierige Zeiten im Verhältnis zwischen Deutschen und Polen gegeben – umso wichtiger sei eine Geste wie die jetzige für die Versöhnung zwischen den beiden Völkern. Kirchengemeinderätin Elzbieta Dlugowienska zeigte sich, wie viele andere auch nach dem Gottesdienst, „so tief bewegt, dass ich fast nicht sprechen kann“. Die Rückkehr der Glocke aus Deutschland in ihre Heimatkirche sei ein „wunderschönes Zeichen, für das wir sehr, sehr dankbar sind!“

Herzliche Gastgeber

Christine Stamler, 25 Jahre lang Vorsitzende des Kirchengemeinderates von St. Bernhard in Maulbronn, zog gleichfalls ein positives Fazit: „Ich bin sehr froh, dass ich diese Reise mitgemacht habe. Die Begegnung mit den Menschen in Slawianowo und dem polnischen Katholizismus war sehr beeindruckend – und sie hat mir aufgezeigt, dass im Verhältnis zwischen Polen und Deutschen noch immer vieles aufzuarbeiten ist. Dafür sind solche Aktionen wie unsere Glockenrückgabe genau das Richtige.“

Die Einladung zum Gegenbesuch nach Maulbronn mit seiner berühmten Klosterstadt kam bei den Katholikinnen und Katholiken in Slawianowo trotz der Distanz von 1.000 Kilometern sehr gut an. Für sie hatte die aktuelle Kirchengemeinderätin Monika Mauch zum Abschluss des Gottesdienstes eigens ein Segenslied mitgebracht. Was künftige Kontakte betrifft, gab sie sich optimistisch: „Ich bin total überwältigt von der Herzlichkeit und der Gastfreundschaft der Menschen in Slawianowo. Die haben uns am Ende alle in den Arm genommen, obwohl wir uns kaum kannten! Wir werden so schnell wie möglich ausführlich in unserem Kirchengemeinderat von der Reise nach Polen und unseren Erlebnissen dort berichten. Dann wollen wir schauen, wie’s weitergeht.“

Friedensglocken für Europa

Im Rahmen des Projektes „Friedensglocken für Europa“ will die Diözese Rottenburg-Stuttgart als Zeichen der Aussöhnung und Völkerverständigung bis zu 50 Glocken in ihre Heimatkirchen im heutigen Polen und in Tschechien zurückbringen. Die hiesigen Kirchengemeinden bekommen dafür jeweils eine neue Glocke von der Diözese finanziert; diese trägt auch die Kosten für Ausbau, Einbau und den Transport. Über sechs Jahre hinweg steht für die Aktion ein Budget von 2,4 Millionen Euro zur Verfügung.

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