Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat anlässlich einer Veranstaltung zur gesellschaftlichen Relevanz von Religion deren Unverzichtbarkeit für die Gesellschaft betont: „Die Bedeutung der Kirchen bei der Übernahme staatlicher Aufgaben ist ohne Alternative. Würden die Kirchen in den Bereichen Frühkindliche Bildung, Soziale Arbeit, der Geflüchtetenarbeit und der Wohlfahrt von Caritas und Diakonie wegbrechen, sähe es dunkel aus. Viele Menschen hätten keine Anlaufstellen und Fürsprecher mehr. Eine wichtige Aufgabe von Kirche ist es, im Gespräch mit der Politik aufzuzeigen, wo es ‚brennt‘. Die ganze Gesellschaft braucht die Kirchen.“
Und mit Blick auf den Religionsunterricht sagte Kretschmann: „Religionsunterricht schafft einen Raum, in dem es um die eigenen Einstellungen, Haltungen und Meinungen der Schülerinnen und Schüler geht. Und wo sie gleichzeitig etwas über andere Religionen erfahren. Hier wird Sprachfähigkeit trainiert und Orientierung gegeben. Erst wenn man lernt zu fragen – auch das Eigene zu hinterfragen, ohne sich gleich erklären zu müssen –, kann man verstehen und in einen echten Dialog treten.“
Ohne Religionsunterricht wäre ich heute ein anderer Mensch. Er war prägend.
Michel Abdollahi
Die badische Landesbischöfin Prof. Dr. Heike Springhart hob aus diesem Anlass hervor, der Religionsunterricht leiste einen unverzichtbaren Beitrag dazu, dass junge Menschen sich in wichtigen gesellschaftlichen Themen ein eigenes Urteil bilden können: „Kirche kann nicht ‚nicht-öffentlich‘ sein, genauso, wie es Politik immer mit Öffentlichkeit und Gesellschaft zu tun hat. Das gilt für Themen, die auf der Hand liegen, wie Klimawende, Generationengerechtigkeit oder Demokratieverständnis. Aber auch der generelle Wertediskurs gehört hierher. Gerade auch in Formaten wie dem Religionsunterricht leisten die Kirchen einen unverzichtbaren Beitrag zur Bildungsarbeit in und für diese Fragestellungen und befähigen junge Menschen, selbst zu einem kritischen Urteil zu gelangen.“
Der dritte Gesprächsteilnehmer, der Jurist, Islamwissenschaftler und Journalist Michel Abdollahi, ergänzte: „Ohne Religionsunterricht wäre ich heute ein anderer Mensch. Er war prägend.“ Zur Bedeutung der Kirchen meinte Abdollahi, der sich selber als Moslem versteht: „Es wäre verheerend, wenn es den Glauben und die Kirchen nicht mehr gäbe.“
Die Podiumsdiskussion mit Kretschmann, Springhart und Abdollahi zur Bedeutung der Religion für die Gesellschaft fand am 21. September beim Auftakt-Event einer Veranstaltungsreihe der vier großen Kirchen in Baden-Württemberg im Stuttgarter Hospitalhof statt.
Religion und Glaube gehören zum menschlichen Leben
In dieser Veranstaltungsreihe machen die Erzdiözese Freiburg, die Diözese Rottenburg-Stuttgart, die Evangelische Landeskirche in Baden und die Evangelische Landeskirche in Württemberg unter dem Titel „EGAL?“ auf die nach wie vor hohe Bedeutung des Religionsunterrichts aufmerksam. Die Veranstaltungsreihe soll verdeutlichen, dass es gerade auch angesichts der vielfältigen Krisenerfahrungen der Gegenwart für Kinder und Jugendliche wichtig ist, die Fragen nach dem Woher, Wohin und Wozu des Lebens auch in der Schule bearbeiten zu können und dabei respektvoll in den Dialog mit Menschen zu treten, die andere Überzeugungen haben.
Was für manche wie ein Relikt aus vergangenen Zeiten erscheint, das sich im Grundgesetz und der Landesverfassung gehalten hat, ist aus Sicht von Bildungsforschern weiterhin aktuell: Religion und Glaube gehören zum menschlichen Leben und daher auch zu den Themen, mit denen sich schulische Bildung befasst.
In Mitmachaktionen, Vorträgen, Werkstattgesprächen, bei Schulbesuchen von Landtagsabgeordneten, Umfragen unter Schulleitungen, Online-Aktionen und in einer Podcast-Reihe wird der Frage nachgegangen, welchen (gesellschaftlichen) Beitrag der Religionsunterricht leistet.