Ukraine

Hilfe, die schnell ankommt

Die Seelsorgeeinheit Hochsträß unterstützt momentan schwerpunktmäßig die Flüchtlingsbetreuung in Firlej bei Lublin, bis staatliche Hilfsprogramme greifen. Post von einem jungen Neubewohner aus der Ukraine. Foto: Caritas Lublin

Die Not ist groß im ukrainisch-polnischen Grenzgebiet. Aber auch die Hilfsbereitschaft. Die Seelsorgeeinheit Hochsträß hat eine Hilfsaktion gestartet.

Pfarrer Wladyslaw Czajka in Rivne hat nur ein Wort für die Lage in der Westukraine: „Der Exodus“. Weit über eine Million Menschen haben sich bis vergangenen Sonntag über die acht Grenzübergänge zu Polen in Sicherheit gebracht. Aber Pfarrer Czajka spricht auch davon, dass die Not auch so viele gute Herzen sichtbar macht, „dass viel Barmherzigkeit und Liebe zu Tage tritt“, so berichtet sein Amtsbruder Lucjan Widz, Pfarrer der Seelsorgeeinheit Ulm-Hochsträß, aus einem Telefonat. Die Priester kennen sich seit über 30 Jahren. Beide stammen sie aus der Woiwodschaft (Verwaltungsbezirk) Lublin im Osten Polens, beide sind in die Mission gegangen – der eine nach Westen, der andere nach Osten. Jetzt stehen sie wieder in intensivem Kontakt.

Pfarrer Widz und die gewählten Vorsitzenden der Kirchengemeinderäte auf dem Hochsträß haben nicht gezögert und eine Hilfsaktion ins Leben gerufen. Mit ihren Spenden unterstützen die Gläubigen aus den Kirchengemeinden Eggingen, Einsingen, Ermingen/Harthausen und andere Einzelpersonen aus der Umgebung die Flüchtlingshilfe in der Erzdiözese Lublin. Weil Geldspenden im Moment am meisten helfen, wie der Deutsche Caritasverband betont. 29.605 Euro sind allein in den ersten acht Tagen zusammengekommen. Trotzdem ist die Hilfe vom Hochsträß sehr konkret.

Jede Gemeinde und jeder Ort nimmt Menschen auf

„Ich habe mit der Caritas Lublin vereinbart, dass die Spenden vom Hochsträß bevorzugt für die Flüchtlingsbetreuung in Firlej bei Lublin verwendet werden, bis staatliche Hilfsprogramme greifen“, sagt Pfarrer Widz. „Dort haben zurzeit 50 Frauen und Kinder ein vorläufiges Zuhause gefunden.“ Das Familienerholungsheim liegt im Dekanat Lubartow, wo Widz selbst Vikar gewesen ist. In seiner Heimatstadt Janow Lubelski – etwa auf halber Strecke zwischen Lublin und Rzeszow – wurden bereits ein Internat und ein Bildungshaus zu Flüchtlingsunterkünften umfunktioniert. „Auch Feuerwehrhäuser, Säle und Gemeindehäuser sind mit Feldbetten gefüllt“, weiß der Pfarrer aus Gesprächen. „Jede Gemeinde, jeder Ort nimmt Menschen auf, natürlich auch viele Privatpersonen.“

Auch die Caritas Ulm-Alb-Donau ist mit ihrem Schwesterverband im Osten Polens in Kontakt. „Die Caritas Lublin unterstützt die Massen von Menschen, die angekommen sind und ankommen, mit dem nötigsten: Unterkunft, Lebensmittel, Kleidung“, erklärt die Ulmer Regionalleiterin Alexandra Stork. Da die Züge aus der Ukraine fünfmal so viele Menschen aufnehmen wie sie eigentlich Sitzplätze haben, dürften die Leute nur einen kleinen Rucksack mitnehmen. „Sie kommen mit leeren Händen an und brauchen alles.“

Auch psychologische Betreuung der Kinder nötig

Dass derzeit Geldspenden am meisten helfen, liegt auch daran, dass viele Sachspenden in den Gemeinden der Erzdiözese Lublin gezielt gesammelt werden. Geld benötigt die örtliche Caritas hingegen vor allem auch für zusätzliches Personal. Mit den derzeit zehn hauptamtlichen Angestellten und 80 Ehrenamtlichen, deren Einsatz rund um die Uhr benötigt wird, sei die Arbeit nicht zu schaffen, berichtet Pawel Tomaszewski, Caritas-Direktor in Lublin.

Gedacht wird zum Beispiel an die psychologische Betreuung der Kinder, die die Hälfte der Geflüchteten ausmachen und zum Teil traumatische Erlebnisse verarbeiten müssen. Rund ein Drittel aller geflüchteten Kinder benötigt therapeutische Hilfe, wissen Caritas-Mitarbeiter der psychologischen Familien- und Lebensberatung in Ulm aus langjähriger Erfahrung. Welches Leid auf den verletzten Kinderseelen lastet und wie Therapeutinnen und Therapeuten die Kinder unterstützen, zeigt derzeit eine Ausstellung in der Ulmer Zentralbibliothek am Beispiel traumatisierter Flüchtlingskinder aus anderen Ländern.

Exodus - „aber die Kirche bleibt“

Lublin gilt als wichtiger „Umschlagplatz“ für die Flüchtlingszüge. Mit dem Kriegsbeginn hat sich für die örtliche Caritas der Schwerpunkt der Arbeit praktisch über Nacht verändert. Unterstützt werden nicht nur die Flüchtlinge, die in der Region aufgenommen wurden, sondern auch diejenigen, die weiterziehen. Zudem werden Hilfstransporte in die Ukraine koordiniert. Jeden Tag schickt allein die Caritas Lublin zwei LKW über die Grenze. „Wir nutzen alle bewährte und neue Wege, um zu helfen“, sagt Caritas-Direktor Pawel Tomaszewski. Mangels Lagerräume stapelt sich die gespendete Kleidung auch in einer Kapelle, bis sie sortiert und für den Transport vorbereitet werden kann. Die Gläubigen beten derweil im Freien.

Denn neben der materiellen Hilfe bleibe das Gebet für den Frieden weiterhin wichtig, betont Pfarrer Widz und zitiert den Bischof der griechisch-katholischen Kirche in Kiew, Swjatoslaw Schewtschuk: „Möge unser Gebet um den Frieden in der Ukraine und der ganzen Welt stärker sein als die Waffen.“ Um das Gebet bittet auch Pfarrer Wladyslaw Czajka in Rivne. Als angespannt, aber ruhig beschreibt ihn sein Amtsbruder vom Hochsträß nach dem jüngsten Telefonat. „Er ist ein spiritueller Mensch und ruht ganz in Gott“, sagt Widz. Die Gemeinden, die Pfarrer Czajka in Rivne betreut, liegen auf der Fluchtroute Richtung Westen, knapp zwei Autostunden von Polen entfernt. Doch obwohl es in immer mehr Regionen der Ukraine gefährlich wird, betont Czajka: „Die Kirche bleibt.“

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