Worin besteht die Kooperation Ihrer Einrichtungen genau?
Mattenschlager: In Ulm führte die Kooperation zu einer Erweiterung des Angebots: Neben der seit über 20 Jahren etablierten Versorgung von erwachsenen geflüchteten und traumatisierten Menschen durch das BFU ist zusätzlich ein therapeutisches Angebot für Kinder und Jugendlichen bei der Psychologischen Familien- und Lebensberatung entstanden. Das Dekanat Ehingen-Ulm hat die Brücke geschlagen zwischen unseren Einrichtungen.
Makowitzki: In dieser Form ist das eine einzigartige Kooperation. Wir haben unsere Kompetenzen und Strukturen zusammengelegt und ein neues Versorgungsgerüst geschaffen, das sowohl regional als auch bundesweit so nicht existiert. Refugio Villingen-Schwenningen, unser überregionaler Projekt-Partner, bietet für Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit Fluchthintergrund ein psychosoziales und psychotherapeutisches Angebot in fünf Landkreisen an. Refugio Villingen-Schwenningen war eines der ersten Zentren, welches bereits vor einem Jahr die schnelle und unkomplizierte Aufnahme von Kindern und Jugendlichen aus dem Flüchtlingslager Moria in sein Behandlungsprogramm angeboten hat. Im Übrigen liegen die Einzugsgebiete vom BFU und Refugio Villingen-Schwenningen in direkter Nachbarschaft. Durch die Kooperation stellen wir eine flächenmäßig breite Versorgung im ländlich geprägten Süden von Oberschwaben über das Donautal bis zum Schwarzwald sicher und ermöglichen Schulungen für Haupt- und Ehrenamtliche in der Flüchtlingshilfe. Auch diese Komponente macht das Projekt einzigartig.
Mattenschlager: Inhaltliche Zusammenarbeit und großzügige Unterstützung durch das BFU gibt es insofern, als wir den Dolmetscher-Pool zur Verfügung gestellt bekommen haben, denn ohne Dolmetscher könnten wir hier quasi gar nichts tun für die geflüchteten Menschen. Wir haben aber auch in der Fallarbeit Kooperationen, wenn mit Einverständnis der Familien ein Austausch der Therapeuten stattfindet. Zusammenarbeit gibt es außerdem bei Schulungen und in der Öffentlichkeitsarbeit und weiterhin mit dem Dekanat.
Sie sprachen von fehlenden Angeboten im regulären Versorgungssystem. Fehlt es am Bewusstsein in der Gesellschaft für die Notwendigkeit Ihrer Arbeit – vielleicht auch, weil es für eine ganze Generation von Menschen im und nach dem Zweiten Weltkrieg gar keine Möglichkeit gab, eine Traumafolgestörung zu behandeln?
Makowitzki: Das ist ein wichtiges Thema: Wir sind ja eine Täternation und gleichzeitig eine Opfernation, wenn ich an die Vertriebenen und Geflüchteten und die Bombenopfer denke, und all die, die Waise geworden sind. Es gibt sehr wohl ein Bewusstsein dafür, dass unsere Arbeit sehr wichtig ist.
Mattenschlager: Das Spannende ist, dass es dieses Bewusstsein immer gab, auch nach dem Zweiten Weltkrieg. Man wusste sehr wohl, was Traumafolgestörungen sind – schon aus dem Ersten Weltkrieg. Man hat aber auch gewusst, dass es nicht die Versorgungskapazitäten gab, um die vielen Menschen zu versorgen. Deshalb war die Aussage „Man muss stark sein, dann packt man das schon“ die offizielle sozial- und gesundheitspolitische Antwort damals, die bis heute noch in vielen Köpfen drin ist. Ich glaube, wir können als Gesellschaft stolz darauf sein, dass es mittlerweile Versorgungsstrukturen gibt, um traumatisierten Menschen helfen zu können. Wir haben aber im Bereich geflüchteter Menschen eine nicht kleine Gruppe, die in vielen Bereichen ausgeschlossen ist. Wir versuchen, eine Lücke zu füllen, die es in unserem Gesundheitssystem noch gibt.