Wegen der Kinder hätten sie sich entschieden, das Land zu verlassen, sagt Yuliia Sydorenko. Besonders für einen ihrer vier Söhne ist die Situation in der Ukraine zunehmend schwieriger geworden. Er braucht spezielle Medikamente. Die Lieferprobleme seien immer schlimmer geworden, berichtet Yuliia Sydorenko.
Die 40-Jährige sitzt an einer Tischreihe im katholischen Gemeindesaal in Güglingen. Sie, ihr Mann und ihre vier Kinder im Alter von 19, 13, zehn und sieben Jahren sind aus Saporischschja geflohen. Dass sie im mehr als 2000 Kilometer entfernten Ort im Landkreis Heilbronn untergekommen sind, hat mit dem Engagement verschiedener Seiten zu tun. Viola Haas, gewählte Vorsitzende des Kirchengemeinderats St. Michael, Wächter des Zabergäus und Lehrerin an der Gustav-von-Schmoller-Schule Heilbronn, hilft, die Geschichte zu rekonstruieren. Ihre Schülerin Mariia Popovych steht der Gesprächsrunde im Gemeindesaal als Übersetzerin zur Seite.
Seltene Erkrankung
Oleksii, der 19-jährige Sohn von Yuliia Sydorenko, hat Mukoviszidose, eine angeborene Stoffwechselerkrankung. In der Kirchengemeinde St. Michael, Wächter des Zabergäus gibt es einen 18-Jährigen, für den diese eher seltene Krankheit ebenfalls Teil des Lebens ist. Seine Mutter ist daher Mitglied im Mukoviszidose-Verein.
Bei einem Online-Treffen des Vereins wurde nach Wohnraum für Flüchtlinge gefragt, wie die Mutter (sie möchte nicht namentlich genannt werden) auf telefonische Nachfrage erklärt: „Wir sind hier in Deutschland recht gut vernetzt.“ Sie wusste, dass die Kirchengemeinde das Jugendhaus in Güglingen für ukrainische Geflüchtete in Reserve hielt. So vermittelte sie den Kontakt zwischen dem Mukoviszidose-Verein und der Kirchengemeinde. Der Verein hatte wiederum Kontakt zur ukrainischen Seite.
Große Renovierungsaktion
Die Ausreise der ukrainischen Familie mit Bus und Zug war nicht unkompliziert. Denn es musste dafür gesorgt werden, dass die Mukoviszidose-Medikamente gekühlt sind, wie Yuliia Sydorenko erklärt. Als sie diese in Güglingen endgültig im Kühlschrank aufbewahren konnte, habe sie durchgeatmet.
Familie Sydorenko wohnt mittlerweile schon seit einigen Monaten im sogenannten Jugendhaus. Das diente einst als Sitz der Pfadfinder. Später fanden unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aus Syrien dort eine Unterkunft. Zuletzt stand es leer, wie Haas berichtet. Auf Initiative der Kirchengemeinde wurde das Haus daher für die Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine vorbereitet. „50 Leute haben es geputzt und gestrichen“, sagt Haas. An einem Freitagnachmittag und einem Samstag ging die Aktion schichtweise vonstatten. Sachspenden ermöglichten die Ausstattung der Räume.
Hilfe beim Papierkram
Die Mutter aus dem Mukoviszidose-Verein organisierte die künftige medizinische Versorgung für Oleksii. „Ich wusste ja schon, an welche Stellen ich mich wenden muss“, sagt sie. Sie schaue außerdem regelmäßig vorbei.
Aber auch weitere Freiwillige stehen der Familie zur Seite. Popovych verschaffte beim bürokratischen Papierkram Orientierung. Die 25-jährige Auszubildende, die selbst aus der Ukraine stammt, hatte bereits ihre Freundin beim behördlichen Prozedere begleitet. Außerdem fungiert sie hin und wieder als Übersetzerin.
Drei Frauen geben den Familienmitgliedern einmal in der Woche Sprachunterricht. Und über das Netzwerk der Engagierten hat der Familienvater Oleksandr Sydorenko, der aufgrund der großen Kinderzahl mitausreisen durfte, eine Beschäftigung in einem Metallbetrieb gefunden. Yuliia Sydorenko hat einen Minijob.
Die Familie hat sich gut eingelebt. Sie will in Güglingen bleiben, wie Yuliia Sydorenko sagt. Daher sucht die Familie eine dauerhafte Wohnung. Die ehrenamtliche Unterstützung begleitet sie bei dem Start in ein neues Leben.