Da sind sie wieder, diese dunklen Gedanken. "Das macht doch alles keinen Sinn mehr", geht es Sophie durch den Kopf. Es ist nicht das erste Mal, dass die 19-Jährige sich vorstellt, wie es wäre ihr Leben zu beenden. Erst letztes Jahr hat sie die Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin abgeschlossen. Eigentlich liebt sie ihren Beruf. Aber durch die ganzen Hygienemaßnahmen wegen Corona bleibt noch weniger Zeit für die Patienten. Und das Überstundenkonto wächst ins Unendliche.
Als im Januar dann noch Paul mit ihr Schluss machte und alle ihre Freundinnen und Freunde gegen sie aufwiegelte, war Sophie in ihrer wenigen Freizeit die meiste Zeit allein. Wo hätte sie auch unter den Kontaktbeschränkungen neue Leute kennenlernen sollen? "Ich kann nicht mehr", seufzt sie. Auf Instagram entdeckt Sophie das Profil einer Bekannten, mit der sie einmal in der kirchlichen Jugendgruppe war. Diese hatte unter #DuBistMirWichtig einen Post von [U25] geteilt.
Keinen Sinn mehr im Leben
Sophie ist eine fiktive Person. Sie entspricht jedoch den typischen Ratsuchenden von [U25] in Biberach. Von den knapp 170 Menschen, die sich im vergangenen Jahr an die von der Caritas Biberach-Saulgau getragene Stelle wendeten, waren alle jünger als 25 Jahre alt und 70 Prozent weiblich. Eine allgemeines Gefühl von Sinnlosigkeit, Überforderung, psychische Erkrankungen und selbstverletzendes Verhalten gehören laut einer internen Statistik zu den Themen, die am häufigsten genannt wurden.
Seit Beginn der Pandemie hätten die Anfragen insgesamt deutlich zugenommen, berichten Nelli Wilhelm, Daniela Fiedler oder Elisa Brancato, die in Biberach hauptamtlich für [U25] arbeiten. Besonders Einsamkeit, der Wegfall von Vertrauenspersonen und Zukunftsängste würden stärker thematisiert als vorher. Außerdem hätten sich frühere Ratsuchende erneut gemeldet, deren Situation sich durch Corona wieder zugespitzt habe.
Anonymität macht es leichter
Die bundesweit zehn [U25]-Standorte beraten in Lebenskrisen ausschließlich online. Sophie gab sich bei der anonymen Registrierung einen erfundenen Usernamen und wählte ein Passwort. Sie schrieb alles, was sie beschäftigt, die Geschichte mit Paul und die berufliche Überforderung in eine Helpmail. Wilhelm, Fiedler und Brancato leiten diese Mails dann an eine der etwa 20 sogenannten Peers weiter, die innerhalb von sieben Tagen antworten.